Erweiterte Suche

Israelisches Kabinett berät über Wiedereinreise palästinensischer Arbeitnehmer

Jerusalem: Aufgrund des Gazakriegs herrscht in Israel Baubranche Arbeitskräftemangel
Jerusalem: Aufgrund des Gazakriegs herrscht in Israel Baubranche Arbeitskräftemangel (Quelle: JNS)

Der durch den Krieg verursachte Arbeitskräftemangel ist in ganz Israel spürbar und übt starken Druck auf die Wirtschaft aus. Vor allem die Bau- und Immobilienbranche ist vom Ausbleiben der palästinensischen Arbeiter betroffen.

Akiva Van Koningsveld

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu beabsichtigt, seinem Kabinett ein »begrenztes Pilotprojekt« für die Wiedereinreise palästinensischer Arbeiter aus dem Westjordanland vorzulegen, teilte das Büro des Ministerpräsidenten am Dienstag mit. »In Bezug auf die palästinensischen Arbeiter sagte Ministerpräsident Netanjahu auf Anfrage der Sicherheitsbehörden, dass ein begrenztes Pilotprojekt zu einer ersten Diskussion vorgelegt wird«, so sein Büro in einer Erklärung.

Die Ankündigung erfolgte, nachdem lokale Medien berichtet hatten, dass Netanjahu angesichts des gravierenden Mangels an Arbeitskräften im Bausektor einen Versuch zur Wiederzulassung von Palästinensern im israelischen Kernland genehmigt hatte. Nach Angaben des israelischen Nachrichtensenders Channel 14 News fielen Netanjahus dementsprechende Äußerungen während einer Sitzung des mächtigen Außen- und Verteidigungsausschusses der Knesset am Dienstag.

Der Bericht löste bei mehreren Abgeordneten aus dem gesamten politischen Spektrum Kritik aus. »Wiederholen Sie nicht den Fehler, der dem 7. Oktober vorausging, indem Sie Palästinenser ins Land holen, die eine Million Dollar für die Ermordung eines Juden erhalten. Ruhe in der Sicherheit kann man nicht mit Geld erkaufen«, twitterte Wirtschaftsminister Nir Barkat, ein Mitglied von Netanjahus regierender Likud-Partei, am Dienstag.

»Herr Ministerpräsident, es ist ein schwerer Fehler, nach dem 7. Oktober die Rückkehr palästinensischer Arbeiter nach Israel zu genehmigen«, fügte Barkat hinzu. »170.000 Arbeiter aus friedlichen Ländern warten nur auf eine Entscheidung der Regierung, um nach Israel kommen zu können, und sie stellen kein Risiko für israelische Bürger dar.«

Die Meinung des Ministers wurde von den Likud-Abgeordneten Moshe Saada und Dan Illouz geteilt, wobei Letzterer Netanjahu aufforderte, die Einreise ausländischer Arbeitskräfte zu genehmigen und eine echte Lösung für die Wirtschaft zu finden.

Das Knessetmitglied Idan Roll von der oppositionellen Yesh Atid Partei schrieb auf X, jetzt sei »die Zeit für mutige Entscheidungen und eine klare Politik. Anstatt ein Pilotprojekt anzukündigen, sollte der Premierminister einen mehrstufigen, ressortübergreifenden Plan zur Entwöhnung der israelischen Wirtschaft von palästinensischen Arbeitskräften anordnen.«

Opposition im Likud

In seiner Antwort stellte das Büro des Premierministers fest, dass »Netanjahu kein Pilotprojekt für die Einführung palästinensischer Arbeitskräfte genehmigt hat. Im Gegenteil, Ministerpräsident Netanjahu hat in dieser Woche für die Einstellung ausländischer Arbeitskräfte aus dem Ausland geworben.«

Ende Oktober genehmigte Jerusalem die Einreise von achttausend Arbeitskräften aus dem Westjordanland, um den durch den Krieg verursachten Arbeitskräftemangel auszugleichen. Mit Genehmigung der Sicherheitsdienste wurden palästinensische Arbeiter in Industriegebiete, Lebensmittelfabriken, medizinische Einrichtungen und Bestattungsinstitute entsandt.

Das israelische Sicherheits- und Verteidigungsestablishment ist der Ansicht, dass weitere palästinensische Arbeitskräfte – wenn auch weniger als vor dem Krieg – nach Israel zurückkehren sollten, um den wirtschaftlichen Druck zu mindern und der Hamas Rekrutierungsmöglichkeiten zu verwehren. Ende vergangenen Jahres stimmte das israelische sozioökonomische Kabinett gegen diese Maßnahme. Fast alle fünfzehn Mitglieder des Kabinetts, das kleiner als die Regierung ist, aber den Finanz- und den Wirtschaftsminister umfasst, sprachen sich gegen die Zulassung weiterer arabischer Arbeitskräfte aus. Nur Landwirtschaftsminister Avi Dichter und Arbeitsminister Yoav Ben-Tzur enthielten sich der Stimme.

Im Januar unterzeichneten Dutzende von Likud-Abgeordneten, darunter der bereits zitierte Wirtschaftsminister Barkat und der Minister für Diaspora-Angelegenheiten, Amichai Chikli, einen Brief, in dem sie das Kabinett aufforderten, »ausdrücklich festzuhalten«, dass keine palästinensischen Arbeiter mehr einreisen dürfen. »Neben unserer Sicherheitsverpflichtung haben wir auch eine moralische Pflicht. Wir sind nicht für den Lebensunterhalt derjenigen verantwortlich, welche die Ermordung von Juden im Land Israel unterstützen«, heißt es in dem Schreiben, in dem darauf hingewiesen wird, dass etwa drei von vier arabischen Einwohnern des Westjordanlands der Hamas nach dem Massaker vom 7. Oktober an 1.200 Menschen in Israel positiv gegenüberstehen.

Vor dem 7. Oktober erteilte Israel Zehntausenden von Palästinensern die Arbeitserlaubnis für eine Einreise nach Israel, auch aus dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen. Berichten zufolge haben einige von ihnen in Vorbereitung auf den Mordanschlag Aufklärungsarbeit für die Terrorgruppe geleistet.

Letzten Monat kündigte Jerusalem an, 65.000 ausländische Arbeiter aus Indien, Sri Lanka und Usbekistan ins Land holen zu wollen, um palästinensische Bauarbeiter zu ersetzen und einen dramatischen Anstieg der Immobilienpreise aufgrund der wegen des Arbeitskräftemangels stagnierenden Baubranche zu vermeiden. Damals lehnte ein Beamter im Büro des Premierministers eine Antwort auf die Frage ab, ob die Entscheidung eine Änderung der künftigen Politik widerspiegelt.

(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!