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Israel: Fällige Konsequenzen aus dem Oktober-Krieg

Israel wurde vom Hamas-Terrorangriff am 7. Oktober ähnlich überrascht wie vom Jom-Kippur-Krieg fünfzig Jahre vorher
Israel wurde vom Hamas-Terrorangriff am 7. Oktober ähnlich überrascht wie vom Jom-Kippur-Krieg fünfzig Jahre vorher (Imago Images / UPI Photo)

Nicht nur das falsche Vertrauen in die Fähigkeit der Geheimdienste, vorliegende Erkenntnisse im Ernstfall richtig zu interpretieren, verleitete Israels Verantwortliche zur Fehleinschätzung der Situation im Gazastreifen.

Der aktuelle Krieg wurde von der Hamas als Überraschungsangriff begonnen, genau wie der fünfzig Jahre und einen Tag früher gestartete Jom-Kippur-Krieg. Die Verantwortlichen der Geheimdienste versagten, indem sie vorhandene Warnungen ignorierten. Die erste Verteidigungslinie brach zusammen, die anfänglichen Verluste waren schwer und Soldaten gerieten in Gefangenschaft, bis die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) nach einigen Tagen begannen, erfolgreich zurückzuschlagen.

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Auseinandersetzungen besteht darin, das 1973 den IDF zwei ausgerüstete Armeen, jene von Syrien und Ägypten, gegenüberstanden, während die Streitkräfte es heute mit einer irregulären Terroristenarmee zu tun haben, welche die eigene Bevölkerung als Schutzschild missbraucht und ein gut ausgerüstetes Tunnelsystem als Rückzugsbasis zur Verfügung hat.

Im Oktober 2023 waren die meisten der in der Anfangsphase des Kriegs Getöteten und Verschleppten Zivilisten, die in ihren Häusern oder der Nachbarschaft gefoltert, vergewaltigt und umgebracht wurden, wobei die Gräueltaten noch jene des Islamischen Staats und von Al-Qaida übertrafen.

Das israelische Abschreckungspotenzial war wohl auch durch den zuvor öffentlich ausgetragenen Konflikt um die Justizreform erschüttert worden. Während Angehörige des Regierungslagers ihre Vorgehensweise inzwischen bedauern, entschied der Oberste Gerichtshof dennoch, den bislang einzigen beschlossenen Teil der Reform, die sogenannte Verhältnismäßigkeitsklausel, aufzuheben und vertagte damit nicht wie andere Gerichte in Kriegszeiten eine Entscheidung. Es ist daher zu befürchten, dass nach dem Krieg, der allerdings noch Monate andauern kann, der innere Zwist in Israel weiterhin ausgetragen wird.

Adaption der Begin-Doktrin

Das offensichtliche Unvermögen der Verantwortlichen, die vorhandenen Informationen auch dann richtig zu interpretieren, wenn dadurch von der Politik vorgegebene Denkschemata erschüttert werden, erschütterte die israelische Sicherheitsdoktrin bis in ihre Grundfesten. Dennoch muss betont werden, dass sich die IDF schnell in eindrucksvoller Weise erholten und der Hamas schwere Schläge versetzten, wenngleich sich beim neben der Vernichtung der Hamas zweiten gesetzten Ziel, der Befreiung der Geiseln, bislang kaum Fortschritte zeigen.

Das falsche Vertrauen in die Fähigkeit der Geheimdienste, vorliegende Erkenntnisse im Ernstfall richtig zu interpretieren, verleitete Israels Verantwortliche dazu, die Begin-Doktrin, nach der Israel atomare Bedrohungen durch Präventivschläge beseitigen soll, zu vergessen anstatt sie auch für terroristische Bedrohungen, sei es durch die Hamas oder die Hisbollah, zu adaptieren. Solch eine Adaption wäre eine für die Zukunft zu ziehende Konsequenz aus dem Oktober-Krieg des Jahres 2023, auch auf die Gefahr hin, sich damit der Kritik seitens Verbündeter auszusetzen.

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