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Israel bereitet sich auf Mehrfrontenkrieg vor

Israelische Panzer nah der Stadt Metula an der Grenze zum Libanon
Israelische Panzer nah der Stadt Metula an der Grenze zum Libanon (Quelle: JNS)

Der Iran droht damit, Israel über seine Terrorstellvertreter im Libanon, in Syrien und im Jemen anzugreifen.

Israel Kasnett

Nachdem die Hamas am 7. Oktober 1.400 Zivilisten und Soldaten brutal massakriert, Tausende verwundet und mehr als 220 Israelis verschleppt hat, steht Israels Krieg gegen die Terrororganisation erst am Anfang, wie auch Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant betonten. Während sich der jüdische Staat auf den Gazastreifen konzentriert, droht der Iran damit, Israel auch von anderen Schauplätzen aus anzugreifen, und zwar über seine Terrorstellvertreter im Libanon, in Syrien und im Jemen.

Vergangene Woche haben Huthi-Milizen aus dem Jemen Raketen auf Israel abgefeuert, die jedoch von saudischen und amerikanischen Streitkräften abgefangen wurden. Die USS Carney, ein Zerstörer der Marine im nördlichen Roten Meer, fing laut einem Bericht der Associated Press drei Marschflugkörper und mehrere Drohnen ab. Zwei Raketen landeten in Ägypten nahe der israelischen Grenze und verletzten mindestens sechs Menschen.

Während Israel derzeit an diesen Fronten noch relativ geringe Angriffe zu verzeichnen hat, stellt sich für die Zukunft die Frage, ob die Hisbollah im Libanon, iranische Milizen in Syrien und die Huthis im Jemen den jüdischen Staat auf Geheiß des Irans mit voller Wucht angreifen werden.

Umfassende iranische Strategie

Der auf die regionalen Stellvertretergruppen des Irans und deren militärische Fähigkeiten spezialisierte Senior Fellow bei der in Washington ansässigen Foundation for Defense of Democracies, Behnam Ben Taleblu, meinte diesbezüglich, dass »trotz früherer indirekter Angriffe aus Syrien der wichtigste Stellvertreter, den man jetzt im Auge behalten sollte, die Hisbollah im Libanon ist. Dort steht Teheran vor dem Dilemma, seinen erfolgreichsten Stellvertreter [die Hisbollah] zu benutzen, um einen anderen [die Hamas] zu retten.« Dies könnte nach 1982 und 2006 einen dritten Libanonkrieg auslösen, der, wie kostspielig er für Israel auch sein mag, letztlich »die Hisbollah schwächen würde, auf die sich Teheran verlässt, um direkte Maßnahmen gegen sein Atomprogramm zu verhindern«.

Taleblu merkte an, dass »immer mehr Mitglieder der iranischen Achse des Widerstands ins Spiel kommen und Teheran auf die einzigartigen Fähigkeiten jedes Stellvertreters zählt, um die Hamas zu retten, Washington abzuschrecken und Jerusalem zu überwältigen«.

Die Tatsache, dass etwa die Huthis im Besitz von Marschflugkörpern sind, die bis zu zweitausend Kilometer weit fliegen können, sollte die Welt erschaudern lassen: »Kein anderer Stellvertreter Teherans hat diese Fähigkeiten.« Dass die Huthis ihre von Teheran zur Verfügung gestellten Langstreckenraketen gegen Israel einsetzen würden, sollte allerdings keine Überraschung sein, so der Experte: »Die Rebellengruppen haben seit mindestens einem halben Jahrzehnt, wenn nicht länger, wiederholt den Wunsch geäußert, in einen Konflikt einzutreten.«

Ihm zufolge besteht die umfassendere Strategie Teherans darin, »mit einem breit angelegten Mehrfrontenkrieg zu drohen, der Israel von der Zerstörung der Hamas ablenkt oder gar abhält«. Darüber hinaus gehe es dem Iran darum, die militärische Macht und die politische Aufmerksamkeit zu spalten und ein größeres Engagement der USA zu verhindern, indem er mit einer horizontalen und vertikalen Eskalation droht. »Ob Teheran dazu in der Lage ist, bleibt abzuwarten, aber deshalb muss diese Strategie unbedingt zum Scheitern gebracht werden, damit sie nie wieder angewendet wird.«

Syrien als mögliche neue Front

Jonathan Spyer, Experte für Syrien, den Irak und radikal-islamische Gruppen und leitende Forscher beim Middle East Forum in Philadelphia, hob zwei Aspekte in Bezug auf Syrien hervor und erklärte, dass es in Syrien ein bedeutendes Rahmenwerk unter iranischer Führung gebe. Sollte ein Krieg an der Nordgrenze Israels beginnen, »wird Syrien eine der Fronten sein«.

Bis jetzt hat Israel einen sogenannten Krieg zwischen den Kriegen geführt, den Israel seit mehreren Jahren in Syrien praktiziert, um einerseits den Versuch des Irans zu vereiteln, dort eine Infrastruktur aufzubauen, andererseits um zu verhindern, dass präzisionsgelenkte Munition (PGM) an die Hisbollah im Libanon gelangt. Diese Bemühungen werden auch aktuell fortgesetzt, wobei Israel vergangene Woche die Flughäfen in Aleppo und Damaskus bombardierte, um iranische Waffenlieferungen zu verhindern.

Spyer merkte an, dass sich das israelische Sicherheitsestablishment zwar zu seinem eigenen Erfolg in diesem Bereich beglückwünsche, »es aber sehr schwierig ist zu messen, wie erfolgreich es wirklich war. Die Hisbollah hat eindeutig präzisionsgelenkte Munition. Vielleicht besäßen sie mehr, hätte Israel sie nicht bombardiert, aber Jerusalem hat es nicht geschafft, ihr Durchkommen zu verhindern.«

Spyer wies auch auf das »expansive Milizsystem« des Irans in Syrien hin, das eine gewaltige Bedrohung für Israel darstellt. »Es gibt bewaffnete Gruppen vor Ort, die für den Iran arbeiten und ihre Befehle nicht vom Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad erhalten, sondern vom Korps der Islamischen Revolutionsgarden und aus Teheran.«

Uneinigkeit innerhalb des Regimes

Laut dem Forscher gebe es Informationen vor Ort, dass sich aus irakischen und libanesischen Kämpfern bestehende Teile dieser Organisationen »seit Beginn des Kriegs am 7. Oktober vom Südosten Syriens in den Südwesten nahe der Grenze zu Israel bewegt haben. Es gibt eine Menge Milizen und jede Menge Kämpfer. Einige von ihnen arbeiten direkt mit dem syrischen Regime zusammen, das sehr uneinheitlich und zerfallen ist.«

Der Syrienexperte erklärte, das Assad-Regime habe nicht die vollständige Kontrolle über Syrien, weswegen es auch kein Gewaltmonopol in Form »einer einzelnen Herrschafts- oder Kommando-Pyramide« gebe. Stattdessen existieren »alle Arten solcher kleiner Pyramiden. Das Regime kontrolliert nicht wirklich, was auf dem Boden passiert, und die Iraner nehmen ohnehin keine Befehle vom Regime entgegen.«

Laut Spyer gibt es auf syrischem Boden ein ausgedehntes Milizsystem mit militärischen Kapazitäten, weswegen es sehr »wahrscheinlich [ist], dass die syrische Front Teil des Kriegs wird, wenn dieser im Norden beginnt«. Der Angriff werde »nicht nur aus dem Libanon kommen, sondern auch aus Syrien«.

(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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