Irans langfristige Strategie gegen Israel

Antiisraelischer Aufmarsch in der Großen Imam-Khomeini-Moschee in der iranischen Hauptstadt Teheran
Antiisraelischer Aufmarsch in der Großen Imam-Khomeini-Moschee in der iranischen Hauptstadt Teheran (© Imago Images / NurPhoto)

Der Iran baut ein Bedrohungsszenario mit mehreren Schauplätzen gegen Israel auf, weshalb die Eskalation von Anfang Mai in einem größeren Zusammenhang gesehen werden muss.

Yaakov Lappin

Mitte Mai zitierte der israelische Fernsehsender Channel 12 eine hochrangige israelische politische Quelle mit der Behauptung, der von der Leistung des Palästinensischen Islamischen Dschihads (PIJ) während der Operation Schild und Pfeil enttäuschte Iran plane, Anschläge auf Israelis im Ausland.

Nach Ansicht des Experte für Militärstrategie und -technologie am Jerusalem Institute for Strategy and Security und ehemaligen Stabschef der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), Gabi Siboni, mag Teheran zwar kurzfristig vom PIJ enttäuscht sein, allerdings sei seine Strategie letztendlich langfristig amgelegt: »Teheran versucht, eine ganze Achse aufzubauen und diese auf den Tag vorzubereiten, an dem der Befehl [zum Angriff auf Israel, Anm. Mena-Watch] erteilt wird.« So sei es zwar plausibel, dass der Iran von der mangelnden Effektivität des PIJ-Raketenbeschusses überrascht war, doch sei dies für Teheran wahrscheinlich nur ein Randthema, fügte er hinzu.

Irans tatsächliches Ziel sei die Errichtung einer Achse aus Hisbollah und schiitischen Gruppierungen in Syrien. »Der Iran hätte nichts dagegen, auch in Jordanien Fuß zu fassen, und fördert den Terrorismus in der Westbank nach Kräften, ebenso wie die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad im Gazastreifen«, sagte Siboni und fügte hinzu, dass der Iran auch Einfluss unter den arabischen Israelis zu gewinnen suche.  Allerdings »liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten in der Etablierung einer allgemeinen Strategie. Der Iran lässt sich Zeit und erwartet nicht wie wir sofortige Ergebnisse. Er arbeitet systematisch daran, diese Achse aufzubauen.« Sollte es dem iranischen Regime gelingen, einen nuklearen Schutzschirm zu errichten, würde es sich mutig genug fühlen, seine Stellvertreter freier gegen Israel einzusetzen.

Laut dem leitenden Wissenschaftler am Internationalen Institut für Terrorismusbekämpfung an der Reichman-Universität, Ely Karmon, liege die eigentliche Enttäuschung des Irans bezüglich der jüngsten Kämpfe zwischen Israel und dem PIJ in der Isolierung der Terrorgruppe. »Der eigentliche Misserfolg für den Iran war, dass der Libanon und Syrien nicht in den Konglikt eingriffen« – und dies obwohl der PIJ in Syrien stark sei, in den vergangenen Monaten versucht habe, »die Golanhöhen anzugreifen und in Symbiose mit dem Assad-Regime lebt. PIJ-Chef Ziad al-Nakhalah lebt als Gast bei [Hisbollah-Chff] Nasrallah in Beirut. Dennoch hat der PIJ vom Norden aus nichts unternommen.«

Bezugnehmend auf die Behauptung, der Iran versuche, Israelis im Ausland zu schaden, sagte Karmon, dies sei zwar wahr, habe aber wenig mit den jüngsten Feindseligkeiten zu tun: »Der Iran versucht ständig, Israelis im Ausland anzugreifen. Er engagiert Söldner anderer Nationalitäten und bildet vom Iran geführte Terrorzellen. Dies ist in Südamerika, Zypern, Griechenland, der Türkei und anderswo geschehen.« Tatsächlich verhaftete die griechische Polizei im März zwei Pakistaner unter dem Verdacht, Terroranschläge auf Israelis in Athen unter iranischer Führung geplant zu haben.

Kein relevanter Gegner

Was die Effektivität des PIJ während der Kämpfe angeht, habe der Iran keinen wirklichen Grund zur Enttäuschung, erläuterte Karmon: »Der Iran hat selbst versucht, Israel von Syrien und dem Irak aus mit Drohnenangriffen anzugreifen und war damit nicht erfolgreich. Warum sollte also eine kleine Terrororganisation unter strenger israelischer Beobachtung erfolgreich sein? Natürlich hatten die Iraner Erwartungen, aber sie wussten von dem Moment an, als Israel die Kommandeure der PIJ-Raketendivision ausschaltete, dass der PIJ nicht viel ausrichten konnte.«

Der PIJ feuerte während der Eskalation fast 1.500 Geschosse auf Israel ab, von denen etwa zwanzig Prozent noch im Gazastreifen selbst einschlugen. In Israel wurden zwei Zivilisten, einer davon ein Bewohner des Gazastreifens, getötet. Das Luftabwehrsystem Iron Dome fing nach Angaben des Militärs über 95 Prozent der Raketen, die auf bebaute Gebiete ausgerichtet waren, ab.

Mit Blick auf die Zukunft erklärte Experte Siboni, Israels Ziel müsse darin bestehen, die iranische Strategie der vielen Schauplätze zu untergraben, indem jede sich bietende Gelegenheit zur Schwächung der iranischen Stellvertreter und Partner genutzt werden sollte. »Dies sollte unser Weg sein, die iranische Strategie zu zerstören, indem wir seine Stellvertreter schädigen.«

Deswegen stellt Siboni auch den israelischen Versuch infrage, bei der letzten Eskalation zwischen Hamas und PIJ zu unterscheiden: »Das war falsch, denn die Hamas genießt die Ruhe in Gaza, während sie daran arbeitet, die Sicherheit in der Westbank zu untergraben. Ich sage nicht, dass wir den Gazastreifen erobern müssen, aber wenn die Hamas dort regiert, dann sollte sie nicht in Ruhe gelassen werden, während sie im Libanon und dem Westjordanland Infrastruktur gegen uns aufbaut. Wir spielen das Spiel der Hamas mit, indem wir ihr erlauben, in Westbnak und im Libanon frei zu agieren, ohne dass sie im Gazastreifen einen Preis dafür zahlen muss.«

Auch Ely Karmon ist der Meinung, dass Israel die Hamas ins Visier hätte nehmen sollen. Der Versuch der israelischen Entscheidungsträger und des Verteidigungsestablishments, zwischen der Hamas und dem PIJ zu unterscheiden, war seiner Ansicht nach der Angst vor einer größeren Eskalation angesichts des bevorstehenden Jerusalem-Tags geschuldet. »Israel wollte keine Komplikationen und keine längere Eskalation«, sagte er. 

Außerdem sei die Tatsache, dass Israel sich gegen eine Organisation wie den PIJ durchsetzen könne, kein Grund zur Freude: »Es stimmt, dass Israel operativ gegen den PIJ gewonnen hat, aber dieser hat auch keine großen Fähigkieten.« Karmon wies auch darauf hin, dass die Organisation einige ihrer strategischen Raketen mit größerer Reichweite aus dem Konflikt heraushielt. »Wenn sich der Staub gelegt hat, wird der PIJ seine Raketenvorräte mit iranischen Geldern aufstocken und vielleicht auch versuchen, neue Drohnen zu bauen.«

In diesem Zusammenhang sei Israels Entscheidung, zwei PIJ-Geschosse mit dem neueren Luftabwehrsystem David’s Sling abzufangen, das für Bedrohungen mit größerer Reichweite entwickelt wurde, sei auch ein Signal an die Hisbollah und den Iran, dass Israel auf deren Bedrohungen mit einer Abwehr vorbereitet sei, die über den Iron Dome hinausgehe, so der Experte.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate(Übersetzung von Alexander Gruber.)

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