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Prozess des Islamischen Zentrums Hamburg gegen Verfassungsschutz

Demonstration von Exiliranern vor dem Prozess des Islamischen Zentrums Hamburg gegen den Verfassungsschutz
Demonstration von Exiliranern vor dem Prozess des Islamischen Zentrums Hamburg gegen den Verfassungsschutz (Quelle: Jan Vahlenkamp)

Das Islamische Zentrum Hamburg hat eine Unterlassungsklage gegen das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz eingereicht, da es sich von der Behörde zu Unrecht als islamistisch eingestuft sieht, und weist die erhobenen Vorwürfe, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu agitieren, zurück.

Jan Vahlenkamp

Die Hymne Ey Iran ist deutlich zu hören, als der Vorsitzende Richter Klaus Thorwarth am 28. April den Saal des hamburgischen Oberverwaltungsgerichts betritt. Sie schallt von der draußen stattfindenden Demonstration herein, auf der sich ein paar Dutzend Exil-Iraner versammelt haben. »Wir stehen klar hinter der Einstufung des Verfassungsschutzes«, hatte es im Ankündigungsflyer geheißen. Der Ruf »Mullah muss weg!« ist noch zu hören, dann werden die Fenster geschlossen und die Verhandlung kann beginnen. 

Es geht um eine Unterlassungsklage, die das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) gegen das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz eingereicht hat. Konkret geht es um mehrere Formulierungen in den Verfassungsschutzberichten von 2018 und 2019. Das IZH, vertreten durch einen Rechtsanwalt, fühlt sich zu Unrecht als islamistisch beschrieben. Man sei keine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und betrachte die Darstellungen in den Verfassungsschutzberichten als unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit.

Über Verdachtsfälle dürfe der Verfassungsschutz nicht berichten, nur über Gefahren bei gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkten, führt der Richter aus. Die gebe es aber, erklärt der Verfassungsschutz, der durch zwei Juristen, einen Auswerter und einen Islamwissenschaftler im Gerichtssaal vertreten ist. Der Verfahrensgegenstand sei keineswegs die schiitische Religion, stattdessen gebe es im IZH erwiesenermaßen Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. 

Außerdem weisen die Amtsvertreter darauf hin, dass der Behörde ein Ermessensspielraum bei der Bewertung zusteht. Ein Dilemma, das der Richter gleich zu Beginn des Verfahrens erwähnt, ist, dass der Verfassungsschutz in einen Beweisnotstand geraten kann, wenn er Ermittlungsergebnisse vorlegen muss, die er aus nachrichtendienstlichen Quellen bezogen hat und der Geheimhaltung unterliegen. 

Hinzu kommt, dass das IZH sich auf konkrete Formulierungen in den Berichten von 2018 und 2019 beruft. Der Grund hierfür ist, dass die Klage bereits 2020 eingereicht wurde, als die Berichte von 2018 und 2019 die aktuellsten waren. Seitdem sind allerdings zwei neuere erschienen, und die Veröffentlichung des dritten, des Verfassungsschutzberichts 2022, steht kurz bevor. Da der Verfassungsschutz nur die letzten drei vertreibt, wäre damit eine Verhandlung über jene aus 2018 und 2019 eigentlich obsolet.

Dass ein solcher Punkt erst in der mündlichen Verhandlung zur Sprache kommt, wird vom Richter ausdrücklich missbilligt. Die Vorwürfe hätten sich damit aber wohl kaum erledigt, denn natürlich werde man auch in Zukunft über das IZH berichten, stellt der Vertreter des Verfassungsschutzes klar. Die juristische Frage aber bleibt, inwieweit spätere Erkenntnisse bestimmte Veröffentlichungen in den Jahren 2018 und 2019 rechtfertigen können.

Das IZH und die Hisbollah

Eine Formulierung bezüglich Hisbollah-Anhängern in Hamburg stößt dem IZH besonders auf. Im Verfassungsschutzbericht von 2019 heißt es: »In Hamburg gibt es etwa 50 Hizb-Allah-Anhänger (2018: 30), die unter anderem im ›Islamischen Zentrum Hamburg‹ sowie in der Imam-Ali-Moschee‹ verkehren, um dort an den Freitagsgebeten oder anderen religiösen Veranstaltungen teilzunehmen.«  

Vor Gericht führen die Vertreter des Verfassungsschutzes zur Nähe zwischen dem IZH und der Hisbollah aus, IZH-Vertreter seien von einem Reisescheich der Hisbollah besucht worden und hätten sich mehrfach mit Mitgliedern von Hisbollah-nahen Vereinen getroffen. Diese würden auch Veranstaltungen im IZH abhalten. 

Außerdem habe der im letzten Jahr ausgewiesene IZH-Vize Seyed Soliman Mousavifar sich mehrfach in Facebook-Postings positiv auf die Hisbollah bezogen und Spenden für den mittlerweile verbotenen Hisbollah-nahen Verein Menschen für Menschen gesammelt. Auch habe sich der ehemalige IZH-Leiter Reza Ramezani mit dem Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah getroffen, wie man in libanesischen Medien nachlesen könne. Des Weiteren habe man den nötigen Einblick, um die Zahl der Hisbollah-Anhänger in Hamburg relativ präzise bestimmen zu können, so der Auswerter der Verfassungsschutzes.  

Der Anwalt des IZH sieht in den Ausführungen nichts Substanzielles. Man wisse nichts über die Personen, die zu den Gebeten kommen. »Wenn ein RAF-Terrorist im Michel betet, muss dann die evangelische Kirche in den Verfassungsschutzbericht aufgenommen werden?«, fragte er. Das IZH sei ein Betreuer in religiösen Angelegenheiten für alle Schiiten, nicht bloß für Hisbollah-Anhänger, und Reza Ramezani sei bei seinem Treffen mit Hassan Nasrallah ja gar nicht mehr IZH-Leiter gewesen. Auch Veranstaltungen im IZH könne letztlich jeder anmelden, so der Anwalt. Eine Äußerung, die bei den Exil-Iranern im Gerichtspublikum für Erheiterung sorgt.  

Das IZH und die Islamische Republik

Ein weiterer Streitpunkt ist die Nähe zur Islamischen Republik, die in den Verfassungsschutzberichten stets angeprangert, aber vom IZH bestritten wird. Das IZH erklärt, keine politischen Ambitionen zu haben. Dementsprechend ist man auch nicht zufrieden mit der Beschreibung als proiranische Einrichtung im Verfassungsschutzbericht. Über diese heißt es dort nämlich: »Proiranische Einrichtungen in Deutschland sind grundsätzlich als Instrumente der iranischen Staatsführung zu bewerten, die deren theokratische Staatsdoktrin vertreten.«

Der Verfassungsschutz verweist bei diesem Punkt unter anderem auf den ehemaligen IZH-Leiter Mohammad Beheschti, der nach der Islamischen Revolution zum Obersten Richter aufstieg sowie auf den früheren IZH-Leiter Mohammed Khatami, der in den 1990er-Jahren zum iranischen Staatspräsidenten gewählt wurde. Reza Ramezani, IZH-Leiter bis 2018, sei in seiner Hamburger Zeit bereits Mitglied im Expertenrat gewesen, einem Verfassungsorgan der Islamischen Republik. 

Außerdem vertreibe das IZH das Buch Der islamische Staat, in dem Ayatollah Khomeini seine Staatsideologie darlegt. Für eben jenen Khomenei veranstalte das IZH auch jährlich eine Gedenkfeier. Qassem Soleimani, dem Kommandeur der Quds-Brigaden innerhalb der iranischen Revolutionsgarde, habe man anlässlich seines Todes 2020mit einer Trauerfeier gedacht, zu der allerdings nur in persischer Sprache eingeladen worden sei. Auch gebe es auf der Website des IZH eine direkte Weiterleitung zu jener des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei, was aber nur für die persische, nicht für die deutsche Version gelte.

Der Anwalt des IZH kann hierin keinen Beleg erkennen, dass das IZH die iranische Staatsdoktrin vertritt. Das IZH vertrete stattdessen Gehorsam gegenüber den Gesetzen des Landes, in dem man lebt, so habe IZH-LeiterMohammad Hadi Mofatteh ihm das erklärt. Mofatteh mache sich Khomeneis politische Standpunkte nicht zu eigen, die Gedenkfeiern seien rein religiöser Natur. Dies gelte auch für die Trauerfeier für Qassem Soleimani, der für die Iraner ein Nationalheld gewesen sein soll

Zum Buch Der islamische Staat merkt der Rechtsanwalt an, dies überall im Handel erwerben zu können. Es mache aber einen Unterschied, ob man etwas irgendwo bestellen kann oder ob man etwas aktiv bewirbt, erklärte der Richter hierzu. 

Die Vertreter des Verfassungsschutzes führten außerdem aus, im Besitz von Dokumenten zu sein, die den Charakter des IZH als Instrument der iranischen Staatsführung bestätigen können. So gebe es eine Handlungsanweisung an islamische Zentren im Sinne der zweiten Phase der Islamischen Revolution. (Diese »zweite Phase« beschreibt die Zeit nach der ersten Phase der Islamischen Revolution, womit die ersten vierzig Jahre der Islamischen Republik gemeint sind.) 

Jede Dienstreise von IZH-Vertretern müsse dem zuständigen Minister mitgeteilt werden. Darüber hinaus würden alle Mitarbeiter des IZH, und zwar bis zum Hausmeister, von iranischen Steuergeldern bezahlt werden. Belegen könne man dies aber nur durch nachrichtendienstliche Quellen, womit man wieder bei dem eingangs beschriebenen Dilemma wäre.

Der IZH-Leiter

Auch die Rolle des IZH-Leiters Mohammad Hadi Mofatteh ist umstritten. Das IZH wendet sich gegen die vom Verfassungsschutz beschriebene Darstellung, welche da lautet: »Die Position des IZH-Leiters wird traditionell mit einem linientreuen Anhänger der iranischen Staatsdoktrin und der islamischen Revolutionsziele besetzt.«

Hierzu weist der Verfassungsschutz darauf hin, dass der Leiter des Zentrums direkt von Revolutionsführer Ali Khamenei, der zugleich das geistliche Oberhaupt ist, entsandt wird. Mofatteh habe im Iran Theologie studiert und sei früher Redakteur beim staatlichen Rundfunk IRIB gewesen. Er sei zu dem Zeitpunkt IZH-Leiter geworden, als die Moschee in die Kritik geriet. Man könne also davon ausgehen, dass er als versierter Medienprofi gezielt geschickt wurde, um das IZH aus den Schlagzeilen zu bringen.

Der Rechtsanwalt des IZH merkte dazu an, dass die von Mofatteh verantwortete Sendung ausschließlich religiösen Inhalts war und man ihn somit nicht für andere Sendebeiträge von IRIB verantwortlich machen könne. Außerdem könne man doch nicht davon ausgehen, dass er ein linientreuer Anhänger der iranischen Staatsdoktrin sei, bloß weil er im Iran Theologie studiert hat. Doch, genau das könne man, entgegnete einer der Verfassungsschutz-Vertreter. Wer im Iran, noch dazu in der heiligen Stadt Ghom, Theologie erfolgreich studiert und sich danach eine Karriere im Klerus aufgebaut hat, der sei ein linientreuer Anhänger der iranischen Staatsdoktrin. 

Unklarheit besteht bezüglich der Rolle, die Mofatteh bei den iranischen Revolutionsgarden gespielt haben soll. Das Landesamt für Verfassungsschutz geht davon aus, dass er seinen Wehrdienst dort abgeleistet hat. Dies habe man seinem Lebenslauf auf einer staatlichen iranischen Website entnommen. Vonseiten des IZH wird dies bestritten. Mofatteh habe seinen Wehrdienst als Computerspezialist im Bauministerium abgeleistet. 

Noch kein Urteil

Einen Urteilsspruch gibt es an diesem Tag nicht, das Gerichtsverfahren wird fortgesetzt. Die Tatsache, dass das IZH sich nach außen hin unpolitisch gibt, erschwert die Beweislage. Im Gegensatz zu Salafisten, die ganz bewusst provozieren wollen, setzt das IZH darauf, als harmlose und rein religiöse Institution zu erscheinen. 

Gleichwohl ist die Nähe zur Islamischen Republik und damit zur islamistischen Staatsdoktrin unübersehbar. Bei den Indizien handle es sich um »einen bunten Strauß«, wie der Vorsitzende Richter mehrfach betont. 

Stefan Hensel, der Landesbeauftragte für jüdisches Leben und die Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus in Hamburg, weiß, dass das IZH immer wieder behauptet, man habe mit Politik nichts zu tun. In einem Kommentar für die Jüdische Allgemeine lässt er erklären: »Wenn in diesem Verfahren aber festgestellt wird, dass es sich indirekt um eine Außenstelle der iranischen Republik handelt, kann es nur eine Konsequenz geben, und zwar seine Schließung.« 

Die Prüfung einer solchen Schließung ist bereits im letzten Jahr durch den Deutschen Bundestag beschlossen worden. Dementsprechend wird das Bundesministerium des Inneren den Ausgang dieses Verfahren wohl genau beobachten. Der Verein Säkularer Islam hat das Ministerium derweil aufgefordert, die Kooperationen mit dem Zentralrat der Muslime sofort einzustellen, »zumindest, solange das IZH und seine Umfeldorganisationen dort Mitglied sind«. Der nächste Verhandlungstag ist für den 31. Mai angesetzt.

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