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Islamischer Staat: Neuer Zufluchtsort Sudan?

Flüchtlinge aus dem Sudan: Nutzt der Islamische Staat das Chaos?
Flüchtlinge aus dem Sudan: Nutzt der Islamische Staat das Chaos? (© Imago Images / Xinhua)

Die jüngsten erfolgreichen US-Operationen gegen Anführer des Islamischen Staates schwächen die Terrorgruppe in Syrien und zwingen sie möglicherweise zum Rückzug in einen anderen Staat.

Bei zwei der drei amerikanischen Operationen seit Anfang April wurden zwei wichtige IS-Anführer in Syrien getötet, während es den US-Streitkräften bei der dritten Operation gelang, einen dritten Funktionär und zwei seiner Assistenten festzunehmen. Der bislang letzte der Einsätze wurde vergangene Woche öffentlich, als das amerikanische Zentralkommando bekannt gab, dass bei einer Razzia in Nordsyrien ein prominenter Anführer des Islamischen Staates getötet wurde, der für die Planung von Anschlägen im Nahen Osten und weltweit verantwortlich war.

Am 12. April führten die amerikanischen Streitkräfte eine Operation in Syrien durch, die zur Festnahme von Hudhayfah al-Yamani, dem für die Durchführung von IS-Offensivoperationen Verantwortlichen, und zwei seiner Assistenten führte, so eine Erklärung des US-Zentralkommandos. Und bereits am 4. April gaben die Vereinigten Staaten einen Militärschlag in Syrien bekannt, bei dem der prominente IS-Anführer Khaled Iyad Ahmed al-Jabouri getötet worden war, der für die Planung von Anschlägen in Europa verantwortlich sein soll.

Diese Entwicklung spiegelt vor allem zwei Dinge wider: Zum einen die Verschärfung der Führungskrise des IS, da die Terrororganisation in den letzten zwei Jahren infolge der amerikanischen Militäroperationen wichtige Persönlichkeiten aus der ersten Reihe verloren hat. Das zweite ist die amerikanische Strategie, die Anführer ins Visier zu nehmen, die Terroranschläge in Europa und anderen Regionen planen, um mögliche weitere zu verhindern. 

In diesem Zusammenhang sagte der amerikanische Nahost-Forscher Ryan Buhl, die jüngsten amerikanischen Operationen zeigten, dass »individuelle Tötungen von IS-Führern tendenziell effektiver sind, um die Moral der Kämpfer zu schwächen und Terroranschläge kurzfristig zu verhindern«. Es scheint, so fügte er hinzu, das nachrichtendienstliche Netzwerk, das die Vereinigten Staaten in Syrien aufgebaut haben, um den Islamischen Staat ins Visier zu nehmen, werde immer effektiver.

Seit Anfang 2022 habe die Dynamik der amerikanischen Angriffe gegen den IS in Syrien zugenommen, was in der Tötung vieler prominenter IS-Angehöriger resultierte, darunter auch der Kopf der Organisation, Abu Ibrahim el-Qurashi, und viele Mitglieder der ersten Reihe. Diese Strategie bedrohe die Existenz der Terrororganisation auf syrischem Gebiet, so Buhl.

Neuer Zufluchtsort Sudan?

Nach Ansicht des ägyptischen Experten für Terrorismus und politischen Islam Ahmed Ban ist der Islamische Staat in Syrien angesichts des amerikanischen Informationsnetzwerks und der aufeinanderfolgenden Angriffe auf seine wichtigsten Männer bedroht, was die Organisation dazu veranlassen könnte, sich einen anderen Ort als Basis für ihre Aktivitäten und als Zufluchtsort für ihre Anführer zu suchen.

Ban erklärte gegenüber Mena-Watch, der IS »sucht wie jede andere terroristische Organisation nach einem Umfeld, in dem Unsicherheit und politisches Chaos herrschen«. Sollte zum Beispiel der Machtkampf im Sudan noch lange andauern, was angesichts der Bemühungen verschiedener Länder, ihre Staatsangehörigen zu evakuieren, wahrscheinlich sei, könne dies dazu führen, dass der IS das nordafrikanische Land als geeignete Basis für seine Aktivitäten betrachtet.

Das wäre eine sehr gefährliche Entwicklung, sagte Ban, da »der sudanesische Staat ein geostrategisch wichtiges Gebiet kontrolliert, und wenn der IS dort Fuß fasst, gewinnt die Organisation eine Präsenz am Roten Meer, durch die sie die Schifffahrt auf einer der wichtigsten Wasserstraße der Welt bedrohen kann«. 

In solch einem Szenario müsste der Islamische Staat seine Präsenz vor Ort nicht einmal von Grund auf neu aufbauen, da die Terrorgruppe bereits Zellen auf sudanesischem Gebiet hat, wie aus einem Bericht des amerikanischen Außenministeriums aus dem Jahr 2018 hervorgeht, in dem bestätigt wird, dass eine IS-Zelle im Januar 2018 einen sudanesischen Wachmann der US-Botschaft in Khartum angegriffen hat.

Im Oktober 2021 erklärte eine Quelle des sudanesischen Geheimdienstes gegenüber der emiratischen Nachrichtenplattform Erm News, die sudanesischen Behörden überwachten die Anwesenheit von Hunderten von IS-Terroristen im Land, von denen sich die meisten in der Hauptstadt Khartum aufhalten.

Nach Angaben der Website European Eye on Radicalization verfügt der Islamische Staat über mehrere Zentren in Afrika, von denen aus er in den Sudan eindringen kann, insbesondere in der Demokratischen Republik Kongo im Süden, in Nigeria und der Sahelzone im Westen des Sudans. In einem letzte Woche veröffentlichten Bericht warnte die Website, die anhaltenden Kämpfe im Sudan würden zu Chaos und politisch unkontrollierten Räumen führen, die Terroristen ausnutzen können, was sie als »sehr gefährliche Entwicklung« charakterisiere.

Seit dem 15. April kommt es im Sudan in mehreren Städten, vor allem in Khartum, zu schweren Gefechten zwischen der Armee und den Milizverbänden der Schnellen Eingreiftruppen und zu einem Machtkampf, der bereits Hunderte von Toten gefordert hat und das afrikanische Land ins Chaos zu stürzen droht.

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