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Hamas-Besuch in Saudi-Arabien lässt Zweifel an Normalisierungsaussichten aufkommen

Hamas-Besuch wirft Frage auf: Wohin bewegt sich Saudi-Arabien
Hamas-Besuch wirft Frage auf: Wohin bewegt sich Saudi-Arabien (© Imago Images / APAimages)

Die jüngsten Schritte Riads lassen Experten befürchten, dass sich das Königreich aus der amerikanisch-israelischen Einflusssphäre herausbewegt und sich Teheran annähert.

Shimon Sherman

Eine hochrangige Hamas-Delegation traf am späten Montag in Saudi-Arabien ein, was Zweifel an der Aussicht auf Frieden zwischen Jerusalem und Riad aufkommen ließ. Zu der Delegation gehören der Chef des Hamas-Politbüros, Ismail Haniyeh, und der Außenminister der Organisation, Khaled Mashal. Arabischen Medien zufolge hofft die Hamas, dass der Besuch die zuvor angespannten Beziehungen zwischen ihr und Riad wiederbeleben wird.

Die Beziehungen zwischen der Hamas und Saudi-Arabien hatten sich 2007 verschlechtert, als die Terrorgruppe in einem blutigen Konflikt mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) die Kontrolle über den Gazastreifen übernahm. Seitdem macht Riad die Hamas für die gescheiterten Versuche, eine Friedensvereinbarung mit der Palästinensischen Autonomiebehörde zu erreichen, verantwortlich. Außerdem verhaftete Saudi-Arabien 2019 Dutzende von Hamas-Aktivisten, weil sie, wie es hieß, »die Stabilität des Königreichs bedrohen«.

Die jüngste von China vermittelte Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran hat jedoch dazu geführt, dass Riad seine zuvor kalten Beziehungen zu vielen Stellvertretern Teherans aufgetaut hat. Erst letzte Woche empfing das saudische Außenministerium eine hochrangige Delegation aus Syrien zum ersten Treffen dieser Art seit dem Ausbruch des syrischen Kriegs im Jahr 2011. Assads Außenminister Faisal Mekdad traf sich mit seinem saudischen Amtskollegen, um »eine nationale Aussöhnung zu erreichen und … Syrien wieder in die arabische Gemeinschaft einzugliedern und seine natürliche Rolle in der arabischen Welt wieder herzustellen«.

Darüber hinaus haben hochrangige Hamas-Mitglieder in den letzten Monaten offen erklärt, an einer Wiederherstellung der Beziehungen zum Königreich interessiert zu sein. Vergangenen Monat gab die Hamas eine Erklärung heraus, in der es hieß: »Wir bekräftigen unser Interesse an positiven Beziehungen mit unseren Brüdern in Saudi-Arabien und allen brüderlichen Ländern im Dienste der palästinensischen Sache und unserer arabischen und islamischen Nation.«

Diese Botschaft erfolgte zeitgleich mit der Freilassung vieler der 2019 inhaftierten Personen durch Saudi-Arabien, darunter Muhammad Hassan Ashour, ein hochrangiges Hamas-Mitglied, das vergangene Woche freigelassen wurde.

Die derzeitige israelische Regierungskoalition hat die Ausweitung der zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten im Jahr 2020 geschlossenen bahnbrechenden Friedensvereinbarungen, die als Abraham-Abkommen bekannt sind, zu ihrer obersten außenpolitischen Priorität erklärt. Im Januar erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die Normalisierung der Beziehungen zu den Saudis würde einen »Quantensprung« für die regionale Stabilität Israels darstellen.

Israelische Schwäche

Während die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran von vielen Analysten noch nicht als Zeichen eines mangelnden Interesses an einem saudisch-israelischen Frieden gewertet wurde, lassen die jüngsten Schritte aus Riad Experten befürchten, dass sich Saudi-Arabien aus dem Einflussbereich der USA und Israels herausbewegt und sich Teheran annähert.

Die aktuellen Ereignisse seien »in erster Linie eine Ohrfeige für die Vereinigten Staaten und damit auch für Israel und zeigen darüber hinaus, dass Saudi-Arabien daran interessiert ist, nicht nur im anti-iranischen Lager gesehen zu werden«, sagte der Präsident des Jerusalemer Institute for Strategy and Security Affair, Efraim Inbar. Die Amerikaner seien nicht engagiert genug und Israel zeige keine Härte, meint Inbar: »Wir sind innenpolitisch instabil und reagieren auf große Sicherheitsbedrohungen nicht mit Stärke. Wenn die Saudis sich das lange genug ansehen müssen, werden sie den Tisch verlassen.«

In der Tat zitierte der israelische Sender Channel 12 in einem am Montag veröffentlichten Bericht eine der saudischen Monarchie nahestehende Quelle mit der Aussage, dass »eine Normalisierung mit Israel Lichtjahre entfernt ist, Netanjahus Regierung ist dilettantisch und unverantwortlich«.

Inbar erklärte weiter, die neuen Beziehungen zwischen den Saudis und dem Iran und seinen Stellvertretern signalisierten keine echte diplomatische Wärme, sondern dienten offensichtlich dazu, dem Westen eine deutliche Botschaft zu senden: »Um es klar zu sagen: Die Saudis wissen genau, was der Iran ist, und sie sind sicherlich immer noch Feinde, aber die derzeitige Realität kann zu einem echten diplomatischen Rückschritt für Israel führen, einschließlich einer Schwächung der bereits bestehenden Vereinbarungen der Abraham-Abkommen.«

Kampf gegen Antisemitismus

Der ehemalige Spitzendiplomat des US-Außenministeriums in Riad und Dozent für Nahost- und Islamstudien am Shalem College in Jerusalem, Robert Silverman, erklärte, er betrachte die jüngsten Schritte Saudi-Arabiens nicht als eine dramatische Geste anti-israelischer Politik, sondern vielmehr als eine diplomatische Verschiebung im Rahmen einer umfassenderen, komplizierteren geopolitischen Strategie.

So verschiebe sich der Status quo offensichtlich weiter weg von einer saudisch-israelischen Normalisierung, aber das hoffnungsfrohe Narrativ, dass das Friedensabkommen in unmittelbarer Nähe gewesen sei, sei ebenso offensichtlich falsch gewesen. »Der israelisch-saudische Friedensprozess ist ein langwieriger Prozess, der sich fortsetzen wird, aber derzeit wird dieser Prozess durch die mangelnde Beteiligung der USA und die israelische Instabilität negativ beeinflusst.«

Silverman erklärte jedoch auch, dass es langfristig auch positive Trends gebe, die es zu beachten gelte: »Derzeit sind die Saudis dabei, antisemitisches Gedankengut aus ihrem Land zu verbannen.« Dies sei ein entscheidender positiver Schritt, der eine künftige Normalisierung ermöglichen könne, die sich im Hintergrund der aktuellen negativen diplomatischen Entwicklungen fortsetzen werde.

Silverman sagte weiter, der derzeitige Stillstand der diplomatischen Initiativen zwischen Israel und den bereits etablierten Partnern der Abraham-Abkommen sei ein weiteres Zeichen für die Abkühlung der Beziehungen zwischen Israel und der sunnitischen Welt. 

Die aktuelle Regierungskoalition sei von einem großen Mangel an hochkarätigen Besuchen bei den Partnern der Abraham-Abkommen gekennzeichnet. Es gebe »einige sehr wichtige diplomatische Akteure im Rahmen der Abraham-Abkommen, darunter Marokko und die Vereinigten Arabischen Emirate, und die Pflege dieser Beziehungen ist für die Erwärmung der Beziehungen zum Rest der Region von entscheidender Bedeutung.«

Iranische Gefahr bleibt

Allerdings sehen nicht alle Experten die neuen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den iranischen Stellvertretern als etwas Negatives an. Nach Ansicht des ehemaligen israelischen Geheimdienstoffiziers und Geschäftsführer von Inside the Middle East Avi Melamed muss die neue Regionalpolitik Saudi-Arabiens durch eine differenziertere Brille betrachtet werden.

Melamed ist der Ansicht, dass die neuen Beziehungen die Fähigkeit des Irans »neutralisieren« könnte, die alleinige Kontrolle über seine Stellvertreter auszuüben. »Indem sie auf die Hamas und Syrien zugehen, beseitigen die Saudis den Iran als einzigen Akteur in diesem Gebiet«, so Melamed, der meint, ein verstärkter saudischer Einfluss in Syrien und eine verstärkte saudische Kontrolle im Gazastreifen liefen nicht unbedingt auf eine anti-israelische Politik hinaus.

Letztlich »tun die Saudis, was gut für die Saudis ist«, und die Realität der iranischen Bedrohung bliebe trotz der aktuellen Entwicklungen weiterhin bestehen. Die Saudis, fügte er abschließend hinzu, »wissen definitiv immer noch, woher die Gefahr kommt«.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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