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Geiseln im israelisch-palästinensischen Konflikt, die niemanden interessieren

Von der Hamas veröffentlichtes Bild der israelischen Geisel Hisham al-Sayed
Von der Hamas veröffentlichtes Bild der israelischen Geisel Hisham al-Sayed (© Imago Images / ZUMA Wire)

Im Gegensatz zu palästinensischen Terroristen, die in Israel inhaftiert sind, erfahren Israelis, die von der Hamas seit Jahren gefangen gehalten werden, von der internationalen Politik keinerlei Unterstützung und werden von der Medienlandschaft ignoriert.

Seit mehr als sieben Jahren wird der israelische Beduine Hisham al-Sayed von seiner Familie vermisst. Damals überquerte der psychisch kranke junge Mann von Israel aus zu Fuß die Grenze zum Gazastreifen und kehrte nicht zurück.

Von Anfang an wurde vermutet, dass er als Geisel in der Hand der radikal-islamischen Terrororganisation Hamas ist, die den Gazastreifen seit ihrem Putsch im Jahr 2007 regiert. Die Hamas hatte in all den Jahren keinerlei Informationen über ihn veröffentlicht und auch keine Erpresserforderungen gestellt. Die Familie blieb über Hishams Schicksal und seinen Zustand völlig im Unklaren.

Ende Juni veröffentlichte die Hamas nun erstmals Bildaufnahmen der Geisel, wie die israelischen Tageszeitungen Jerusalem Post und Haaretz berichten. Ein 39 Sekunden langes Video zeigt einen Mann, der auf einem Bett mit einem geblümten Kissen liegt und über eine Atemmaske an eine Sauerstoffflasche angeschlossen ist. Al-Sayeds israelischer Personalausweis liegt offen auf dem Bett, sodass seine Identität deutlich erkennbar ist. Auf einem Flachbildfernseher neben dem Bett ist eine Al Jazeera-Übertragung des Wirtschaftsgipfels von Katar zu sehen, der vom 20. bis zum 22. Juni stattfand.

Erstes Lebenszeichen seit sieben Jahren

Hisham al-Sayeds Vater hat bestätigt, dass es sich um seinen Sohn handelt. Gegenüber dem israelischen Sender Kanal 12 sagte er, dass dies »das erste Mal seit sieben Jahren« sei, dass er seinen Sohn gesehen habe. »Es ist sehr emotional«, sagte Sheban. Er forderte die Hamas auf, seinen psychisch kranken Sohn freizulassen, der in ärztliche Behandlung müsse und nichts mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt zu tun habe.

Die Familie von Al-Sayed lebt in der Beduinenstadt al-Hura im Negev, wo sie bereits vor der Entführung habe kämpfen müssen, auch finanziell, so Sheban. Die Sozial- und Versicherungsämter hätten die Familie nicht so behandelt, wie sie hätten sollen, sagte er laut Jerusalem Post. Diese Erfahrung habe »die Familie erschüttert«.

Die Hamas bezeichnet al-Sayed als »Soldaten der Besatzungsarmee«. Sein Vater sagt, sein Sohn habe wenige Monate in der Armee gedient, sei aber Zivilist gewesen, als er im Gazastreifen verschwand. Die Hamas verkündete zudem, dass sich der Gesundheitszustand von al-Sayed »verschlechtert« habe, ohne Angaben darüber zu machen, woran er leidet und warum er an ein Beatmungsgerät angeschlossen ist.

Auf diese grausame Art wollen die Entführer offenbar den Druck auf Israels Regierung erhöhen, weitreichende Zugeständnisse zu machen und inhaftierte Terroristen aus israelischen Gefängnisse auf freien Fuß zu setzen, um im Gegenzug die Freilassung al-Sayeds zu erwirken.

Seit acht Jahren Geisel der Hamas: Avera Mengistu

Noch länger als al-Sayed, nämlich seit September 2014, ist der äthiopisch-stämmige Israeli Avera Mengistu im Gazastreifen verschollen. Wie al-Sayed leidet auch er an einer psychischen Erkrankung und ging zu Fuß in den Gazastreifen. Auch über ihn hat die Hamas nie Informationen veröffentlicht.

Die Terroristen halten zudem die Leichname der beiden im Krieg 2014 getöteten IDF-Soldaten Hadar Goldin und Oron Shaul auf psychisch grausame Weise als Verhandlungs-»Pfand«.

Die Familien al-Sayed und Mengistu machten sich von Anfang an große Sorgen, dass sich der psychische Gesundheitszustand der beiden infolge ihrer Verschleppung und der fehlenden Medikamenteneinnahme weiter verschlechtert haben könnte.

Wie die Jerusalem Post schreibt, ist es den Familien nicht gelungen, eine so öffentlichkeitswirksame Kampagne zu führen wie jene, die 2011 dazu führte, dass der ehemalige IDF-Soldaten Gilad Schalit nach fünf Jahren Geiselhaft in Gaza freikam. Es sei vor allem die Familie Goldin, so die Zeitung, die die internationalen und nationalen Aktivitäten anführe, die zu einem Abkommen führen sollen.

Yair Lapid appelliert an das Rote Kreuz

Ägypten hatte im vergangenen Jahr erfolglos indirekte Gespräche zwischen Israel und der Hamas geführt, um eine Einigung auszuhandeln, die die Freilassung der Geiseln enthalten hätte.

Israels Außenminister Yair Lapid forderte »die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Weltgesundheitsorganisation, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und der Organisationen, die sich mit psychisch Kranken befassen, auf, die Hamas für ihr unmenschliches Verhalten zu verurteilen und zu fordern, dass sie im Einklang mit dem Völkerrecht handelt« und die beiden Männer freilässt.

Der Versuch der Hamas, die Aufmerksamkeit auf die Geiseln zu lenken, erfolgt kurz vor dem Besuch von US-Präsident Joe Biden in Israel am 13. Juli. Zudem stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Aufnahmen von Hisham al-Sayed in Israel ein Machtwechsel bevor, bei dem Außenminister Yair Lapid Interims-Premierminister wurde und Naftali Bennett als Regierungschef ablöste.

Westliche Medien desinteressiert

Dass die Hamas zwei psychisch kranke Menschen, die mit dem arabisch-israelischen Konflikt nichts zu tun haben, als Geiseln hält und ihnen keinerlei Kontakt zu ihren Angehörigen oder zum Internationalen Roten Kreuz, das in Kriegszeiten für die Betreuung gefangener Soldaten zuständig ist, ermöglicht, ist ein Verbrechen, das Zeitungen und Fernsehsender in ihren täglich überall auf der Welt erscheinenden Reportagen über den Gazastreifen immer wieder erwähnen müssten – sollte man meinen.

Tatsächlich berichten sie nie darüber. Die amerikanisch-israelische NGO Honest Reporting, deren erklärte Mission es ist, Ungenauigkeiten und Voreingenommenheit von Journalisten bei der Berichterstattung über Israel aufzudecken, hat recherchiert und schreibt:

»Tatsächlich zeigt eine Stichprobe von 18 führenden US-Nachrichtenorganisationen, darunter die New York Times, die Washington Post und CNN, in den letzten zwölf Monaten nur vier Artikel, in denen Hisham Al-Sayed erwähnt wurde – alle in der vergangenen Woche.«

Zwischen dem 4. Juli 2021 und dem 4. Juli 2022 hingegen hätten Journalisten dieser Medien das Schicksal von Avera Mengistu, Oron Shaul und Hadar Goldin kein einziges Mal erwähnt.

»Und das, obwohl sie im selben Zeitraum 1.662 Berichte über den Konflikt zwischen Israel und dem Gazastreifen veröffentlichten.«

Der Ausschluss von Al-Sayed, Mengistu, Shaul und Goldin aus der Medienberichterstattung sei »besonders ungeheuerlich« angesichts der Aufmerksamkeit, die Journalisten Geschichten von mutmaßlichen und verurteilten palästinensischen Terroristen in israelischer Inhaftierung gewidmet hätten:

»Nehmen wir zum Beispiel den Fall von Hisham Abu Hawash. Nach Angaben der israelischen Sicherheitsbehörde wurde Abu Hawash – ein Mitglied des von den USA als Terrororganisation eingestuften Palästinensischen Islamischen Dschihad – im Oktober 2020 wegen ›Beteiligung an terroristischen Aktivitäten‹ festgenommen. Trotzdem veröffentlichten die Nachrichtenagenturen während seines 141-tägigen Hungerstreiks zahlreiche Artikel, die auf seinen Zustand aufmerksam machten.« (siehe zum Beispiel hier, hier und hier)

Im Lauf der letzten zwölf Monaten hätten große US-Publikationen »etwa 120 Berichte über Palästinenser in israelischen Gefängnissen veröffentlicht«.

Süddeutsche Zeitung: Laudatio auf einen Massenmörder

Im deutschsprachigen Raum bietet sich das gleiche Bild. Über al-Sayed und Mengistu berichteten die Jüdische Allgemeine, die Schweizer Website Audiatur-online und Mena-Watch. Größeren Zeitungen und Rundfunksendern waren sie im Unterschied zum oben erwähnten Terroristen Abu Hawash keinen Bericht wert.

Auch fast alle deutschsprachigen überregionalen Zeitungen haben erst in der letzten Woche ihre Leser über die seit sieben bzw. acht Jahren im Gazastreifen von der Hamas als Geiseln gehaltenen beiden Männer informiert. Besonders zynisch ist die Süddeutsche Zeitung. Unter der Überschrift Die fast vergessenen Geiseln von Gaza wirft Israel-Korrespondent Peter Münch dem Land Israel vor:

»Vom Schicksal dieser Geiseln war in Israel kaum etwas zu hören.«

Das habe mit der ethnischen Herkunft der beiden Geiseln zu tun, argwöhnt Münch:

»Al-Sajed ist ein arabischer Beduine aus der Negev-Wüste, Mengistus Familie war aus Äthiopien nach Israel eingewandert. Beide stammen also aus gesellschaftlichen Randgruppen.«

In Wahrheit haben israelische Zeitungen sehr rege und immer wieder über die beiden Geiseln und den Kampf ihrer Angehörigen berichtet; auch der damalige israelische Regierungschef Naftali Bennett hatte mehrfach öffentlich erklärt, die Rückholung der Geiseln als seine persönliche Aufgabe zu betrachten.

Die Süddeutsche Zeitung hingegen berichtete laut ihrem Online-Archiv erst ein einziges Mal über Mengistu, und zwar im Jahr 2015. Berichte über Al-Sayed gab es keine.

Dafür aber schrieb Süddeutsche-Korrespondent Peter Münch 2017 einen lobhudelnden Artikel über den in Israel inhaftierten Marwan Barghouti – einen Chefterroristen. Dem ehemaligen Anführer von Arafats Terrortruppe Tanzim konnte vor Gericht die direkte Verantwortung für zahlreiche Morde nachgewiesen werden. Darunter waren etwa:

  • der gezielte Mord an dem zehn Monate alten Baby Shalhevet Pass, das von einem Scharfschützen erschossen wurde,
  • der Mord an dem 35 Jahre alten griechisch-orthodoxen Mönch Pater Germanos Tsibuktsakis,
  • der Mord an der 45 Jahre alten Sekretärin Yoela Chen.

Dazu autorisierte Barghouti in einem Telefongespräch mit seinem Neffen Ahmed am 5. März 2022 einen großen Terroranschlag mit Handgranaten und Maschinenpistolen auf ein Restaurant in Tel Aviv. Die Handgranaten zündeten nicht, doch der Täter erschoss zwei Gäste und den drusischen Polizisten Salim Barakat.

Barghouti habe geplant, Unschuldige zu verletzen und zu töten, sagte Salims Bruder Jamal Barakat: »Er ist es nicht wert, ein Mensch genannt zu werden, und vielleicht nicht einmal ein Tier, weil selbst Tiere solche Dinge nicht tun«, so Barakat. Barghoutis Platz sei »nicht unter freien Menschen«, sondern »hinter Schloss und Riegel«, betonte er und fügte hinzu, es sei »nicht akzeptabel«, wenn jemand versuche, Barghouti zu verharmlosen.

Peter Münch, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, ist dieser Jemand. Als Barghouti 2017 in Israel inhaftierte palästinensische Terroristen zu einem Hungerstreik aufrief, veröffentlichte Münch in der Süddeutschen Zeitung die oben angesprochene Lobhudelei über den »Hunger-Helden« Barghouti. Von einem »Mythos« war dort die Rede, Barghouti werde »stürmisch gefeiert«, die »Herzen der Palästinenser« flögen ihm zu, er gelte als »Nachwuchshoffnung«, sei ein »strahlender Volksheld«, habe einen »flammenden Artikel« veröffentlicht und könne sich als »überparteilicher Anführer« präsentieren.

Zweimal nannte Münch in seiner Hymne auf den Menschenschlächter Barghouti den Namen von Nelson Mandela. »Und der hat es immerhin vom Gefängnis bis ins Präsidentenamt geschafft«, frohlockte er. Dabei verlor Münch kein Wort über die von Barghouti in Auftrag gegebenen Morde. Nur, dass er von Israel »verdammt« werde, erfuhr der Leser. »Israel sieht in ihm einen verurteilten Terroristen, Gewaltverbrecher und Mörder«, schrieb Münch. So, als sei das eine Frage des Blickwinkels.

Was ist die Lehre? Manche Journalisten schreiben lieber einfühlsam und voll Bewunderung über inhaftierte palästinensische Massenmörder, als über unschuldige Israelis zu berichten, die von der Hamas seit sieben bzw. acht Jahren als Geiseln gehalten werden. Denn das ist nicht der »Nahostkonflikt«, der sie interessiert.

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