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»Unausgewogene Berichte«: Abbas’ Autonomiebehörde droht Al Jazeera

Abbas‘ Autonomiebehörde droht den katarischen Sender Al Jazeera, weil dieser kritische Interviews ausstrahlen ließ
Abbas‘ Autonomiebehörde droht den katarischen Sender Al Jazeera, weil dieser kritische Interviews ausstrahlen ließ (© Imago Images / NurPhoto)

Die Ankündigung erfolgte, nachdem Al Jazeera mehrere Palästinenser interviewt hatte, welche die Palästinensische Autonomiebehörde und ihre Sicherheitskräfte scharf kritisierten. 

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat Berichten zufolge damit gedroht, Maßnahmen gegen den katarischen Fernsehsender Al Jazeera wegen dessen »unausgewogener« Berichterstattung über palästinensische Angelegenheiten, insbesondere über die israelische Militäroperation im Flüchtlingslager Dschenin, zu ergreifen. Die Drohung erfolgte, nachdem Al Jazeera mehrere Interviews mit Palästinensern veröffentlicht hatte, in denen diese die PA und ihre Sicherheitskräfte scharf kritisierten

Das infrage stehende Schreiben wurde im Namen des palästinensischen Informationsministers Nabil Abu Rudaineh, der auch als Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas fungiert, an den Hauptsitz von Al Jazeera in der katarischen Hauptstadt Doha übermittelt. Die in mehreren arabischen Medien veröffentlichte und auf den 6. Juni 2023 datierte Ankündigung wurde von der Palästinensischen Autonomiebehörde weder bestätigt noch dementiert, während einige Palästinenser erklärten, das Datum sei falsch, es müsste »6. Juli 2023« lauten. 

Eine Reihe von Organisationen, die palästinensische Journalisten im Gazastreifen vertreten, äußerten sich besorgt über die Drohung und warfen der Palästinensischen Autonomiebehörde Aufwiegelung gegen Al Jazeera vor.

Bereits am vergangenen Freitag hatte ein maskierter Kämpfer, der behauptete, im Namen der Aqsa-Märtyrer-Brigaden, dem bewaffneten Flügel der regierenden Fatah-Partei von Mahmoud Abbas, zu sprechen, den Sender beschuldigt, Aufruhr unter den Palästinensern zu stiften und drohte mit der Schließung der Al-Jazeera-Büros im Westjordanland. Schon in der Vergangenheit hatten PA-Beamte dem Sender vorgeworfen, als Plattform für die Hamas zu dienen. 

Im Jahr 2001 schloss die Palästinensische Autonomiebehörde die Büros des Senders in Ramallah, weil sie ihm vorwarf, den ehemaligen PLO-Führer Jassir Arafat lächerlich gemacht zu haben; im Jahr 2009 weitere, nachdem der Sender ein Interview mit dem altgedienten PLO-Führer Farouk Qaddoumi ausgestrahlt hatte, in dem dieser andeutete, dass hochrangige palästinensische Beamte in den als Ermordung geschilderten Tod des 2004 verstorbenen Arafat verwickelt waren. 

Im aktuellen Schreiben von Abu Rudaineh wird Al Jazeera vorgeworfen, »sich über professionelle Arbeitsregeln im Umgang mit der palästinensischen Sache und bei der Berichterstattung über Palästina hinwegzusetzen, insbesondere, was die jüngste Aggression der Besatzer gegen Dschenin und sein Flüchtlingslager anbelangt«. Konkrete Beispiele für die angekreidete problematische Berichterstattung wurden zwar keine genannt, aber es hieß, die Vorwürfe seien durch Al Jazeeras »Mangel an Ausgewogenheit und das Versäumnis, sich der Objektivität zu verpflichten«, deutlich belegt worden. 

Al Jazeera weist Vorwürfe zurück 

Al Jazeeras Berichterstattung »über die palästinensische Frage« könne »dem zivilen Frieden und dem Gefüge der Gesellschaft schaden«, hieß es in dem PA-Schreiben weiter. »Wir machen Sie daher verantwortlich und teilen Ihnen mit, dass wir gezwungen sein werden, die notwendigen Maßnahmen in Übereinstimmung mit dem Gesetz des Staates Palästina zu ergreifen, sollte Ihr Sender mit seiner Vorgehensweise fortfahren«, warnte Abu Rudaineh Berichten zufolge. 

Der stellvertretende Generaldirektor des Al Jazeera Media Network, Mostefa Souag, wies die Anschuldigungen der Palästinensischen Autonomiebehörde in einem Schreiben zurück, das ebenfalls in den sozialen Medien veröffentlicht wurde. Darin wurde er mit den Worten zitiert, sein Fernsehsender begrüße zwar konstruktive Kritik, um die »Genauigkeit und Professionalität« zu wahren, sei aber »erstaunt über den Brief« der Palästinensischen Autonomiebehörde, »der sich nicht auf einen konkreten Vorfall bezieht, der überprüft und bewertet werden könnte«. Stattdessen enthalte die Beschwerde der PA »allgemeine Anschuldigungen gegen Al Jazeera, sich nicht an professionelle Standards zu halten, eine Anschuldigung, die wir nach unserer Überprüfung der gesamten Berichterstattung über die oben genannten Ereignisse für unwahr halten«.

Souag fügte hinzu, in diesem Zusammenhang bekräftigen zu wollen, »dass Al Jazeera an seiner redaktionellen Politik und den professionellen Standards von Genauigkeit, Objektivität und Ausgewogenheit in seiner gesamten Berichterstattung festhält, und dass es diese redaktionelle Linie nicht aufgrund von Druck oder Drohungen von irgendeiner Seite ändern wird«.

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