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Libanon: Mit Haschisch und Marihuana aus der Wirtschaftskrise?

Am 21. April beschloss das libanesische Parlament die Legalisierung des Anbaus von medizinischem Cannabis
Am 21. April beschloss das libanesische Parlament die Legalisierung des Anbaus von medizinischem Cannabis (© Imago Images / ZUMA Wire)

Das libanesische Parlament hat letzte Woche Dienstag ein Gesetz beschlossen, das den Anbau von medizinischem Hanf (Cannabis) erlaubt. Damit wird der Libanon das erste arabische Land, das den Anbau der als Heilmittel, mehr noch aber als Lieferant der Freizeitdrogen Haschisch und Marihuana geschätzten Pflanze legalisiert.

Auch wenn der Anbau bislang illegal war, ist der Libanon laut dem Weltdrogenbericht 2019 der Vereinten Nationen das drittgrößte Anbauland von Cannabis nach Afghanistan und Marokko. Die Produktion konzentriert sich im Wesentlichen auf die agrarische Bekaa-Ebene im Osten des Libanon, unweit der syrischen Grenze.

Die Legalisierung soll kein Zugeständnis an Kiffer sein: wie im Nachbarland Israel bleibt auch im Libanon der Konsum ohne medizinische Indikation eine Straftat. Von der Herstellung und dem Export von Cannabisprodukten als Arznei verspricht sich die Regierung vor allem höhere Steuereinnahmen.

Der zeitliche Zusammenhang der neuen Gesetzgebung mit der schweren Wirtschafts- und Haushaltskrise ist offensichtlich. Allerdings handelt es sich bei dem Gesetz nicht um eine eilig beschlossene Notmaßnahme zur Staatsfinanzierung: Schon seit zwei Jahren war über das Vorhaben diskutiert worden.

Angeregt hatte es die amerikanische Unternehmensberatungsfirma McKinsey & Co. im Sommer 2018 in einem von der Regierung angeforderten tausendseitigen Dokument mit Reformvorschlägen zur Verringerung der Schuldenlast, des Haushalts- und Außenhandelsdefizits und der Arbeitslosigkeit. Andere Vorschläge waren: den Libanon zu einem internationalen Finanzzentrum zu machen, mehr Touristen ins Land zu holen und ein Gebiet für den Bau von Fertighäusern auszuweisen. Die Legalisierung von Cannabis ließ sich wahrscheinlich am einfachsten bewerkstelligen; alles, was es brauchte, war ein neues Gesetz.

Seit 1926 illegal

Wie die englischsprachige libanesische Zeitung The Daily Star schreibt, könnte eine ganz neue Industrie entstehen, die neben Cannabisöl und Arzneimitteln auch Textilien aus Hanf produziert.

Schon während der Zeit des Osmanischen Reichs wurde die Hanfpflanze in der Region in großem Stil angebaut. Während die begehrte Drogen- bzw. Arzneisubstanz Tetrahydrocannabinol (THC) in den Blüten und dem Harz der Pflanze steckt, eignen sich die Fasern des Stengels sehr gut zur Herstellung jener Seile und Segel, die das Osmanische Reich in großer Menge benötigte.

1926, während der Zeit des französischen Mandats über den Libanon und Syrien, machte die französische Verwaltung den Anbau der Hanfpflanze illegal. Doch die Franzosen gingen, und zwischen 1975 und 1990, während des libanesischen Bürgerkriegs, gedieh der Cannabisanbau besonders gut. Die Kriegsparteien finanzierten sich nicht zuletzt durch den Handel mit Haschisch und Marihuana. 1992 wurde der Anbau von Hanf von der Regierung erneut verboten, bis 2012 gab es immer wieder staatliche Kampagnen zur Vernichtung von Plantagen.

Dann entschied die Regierung, dass es angesichts des Bürgerkriegs in Syrien und des Eindringens bewaffneter Gruppen in den Libanon Dringenderes zu tun gebe und ließ die Hanfbauern von da an weitgehend in Ruhe, zumal diese nun Kalaschnikows und Panzerfäuste hatten, mit denen sie die Polizei von ihren Feldern fernhielten: „Wir verkaufen Haschisch, und wenn irgendwelche Leute von der Regierung versuchen, sich ihm zu nähern, werden wir sie töten“, sagte der Bauer und Drogenhändler Ali Nasri Shamas 2014 gegenüber der britischen Zeitung The Telegraph.

Hauptnutznießer Hisbollah

Laut Bel Trew, der Nahostkorrespondentin der britischen Tageszeitung Independent, wurde das neue Gesetz zur Legalisierung von Cannabis mit den Stimmen einiger Verbündeter der Terrororganisation Hisbollah verabschiedet, während die Hisbollah selbst – die weite Teile der Bekaa-Ebene kontrolliert – dagegen war, zumindest offiziell.

Trew zitiert Alain Aoun, einen Abgeordneten der christlichen Freien Patriotischen Bewegung – die mit der Hisbollah verbündet ist und derzeit den Regierungschef stellt – mit den Worten: „Wir haben moralische und gesellschaftliche Vorbehalte, doch es gibt die Notwendigkeit, der Wirtschaft mit allen Mitteln zu helfen.“

Der damalige Handelsminister Raed Khoury, der sich 2018 für den McKinsey-Plan einsetzte, versprach sich davon „schnelle Erfolge”. Auch vom Grundstoff zeigte er sich überzeugt: „Die Qualität, die wir haben, ist eine der besten der Welt.” Cannabis habe das Potenzial, „bis zu einer Milliarde Dollar“ einzubringen.

Doch nicht alle sind euphorisch: Nach der Verabschiedung des Gesetzes letzte Woche sagte Hilal Khashan, Professor für Politikwissenschaft und öffentliche Verwaltung an der American University of Beirut, gegenüber dem amerikanischen Nachrichtenmagazin Newsweek, die Legalisierung von Cannabis werde „bei weitem nicht ausreichen, um die wirtschaftlichen Probleme des Libanon zu lindern“.

Zur Haltung der Hisbollah sagte er: „Die Hisbollah ist ein Hauptnutznießer des Cannabishandels. Die einzige Möglichkeit für die Hisbollah, die Ratifizierung des Gesetzes zu akzeptieren, besteht darin, direkt an dessen Umsetzung beteiligt zu sein – also ihren Anteil zu erhalten.“

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