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Arabische Stimmen zur Normalisierung zwischen Iran und Saudi-Arabien

Wie schätzen arabische Experten die von China vermittelte Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran ein?
Wie schätzen arabische Experten die von China vermittelte Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran ein? (© Imago Images / Xinhua)

Saudi-Arabien und der Iran haben sich darauf geeinigt, die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen und ihre Botschaften wieder zu öffnen.

In einem überraschenden Schritt gaben der Iran, Saudi-Arabien und China am Freitag eine dreiseitige Erklärung ab, in der es heißt, die Beziehungen zwischen Riad und Teheran würden wieder aufgenommen, und »die beiden Botschaften werden innerhalb eines Zeitraums von höchstens zwei Monaten wiedereröffnet«. Weiter bekräftigten die unterzeichnenden Parteien, die Souveränität der jeweils anderen zu respektieren und sich nicht in deren innere Angelegenheiten einzumischen. »Die beiden Länder«, Iran und Saudi-Arabien, »werden auch daran arbeiten, das 2001 unterzeichnete Abkommen über Sicherheitskooperation zu aktivieren und Gespräche über die Stärkung der bilateralen Beziehungen zu führen«, heißt es zudem.

Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern wurden 2016 abgebrochen, nachdem die saudische diplomatische Vertretung im Iran von iranischen Demonstranten angegriffen worden war, weil die saudischen Behörden den saudischen schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr hingerichtet hatten.

Die Islamische Republik und Saudi-Arabien sind die wichtigsten Regionalmächte am Golf, die in den meisten regionalen Angelegenheiten auf entgegengesetzten Seiten stehen, vor allem im Konflikt im Jemen, wo Riad ein Militärbündnis zur Unterstützung der international anerkannten Regierung anführt, während Teheran die Huthi-Milizen unterstützt, die große Gebiete im Norden, vor allem um die Hauptstadt Sana kontrollieren.

Ebenso besorgt ist Saudi-Arabien über das iranische Atomprogramm und den Ausbau des Raketenprogramms sowie die regionalen Hegemoniebestrebungen Teherans, dem Riad vorwirft, sich in arabischen Ländern wie Syrien, dem Irak und Libanon einzumischen. 

Keine allzu großen Hoffnungen

Obwohl die beiden Länder bereits seit April 2021 unter irakischer Vermittlung Gespräche führen, an denen auch Sicherheitsbeamte teilnehmen, kam der Zeitpunkt der Vereinbarung über die Wiederherstellung der Beziehungen auch für viele Experten überraschend, die auch die Auswirkungen der Vereinbarung unterschiedlich einschätzen.

Der irakische Politologe Najm Al-Qassab etwa meint, die verkündete Annäherung werde »angesichts des Kampfes um Einfluss zwischen den beiden Ländern politisch und wirtschaftlich im Interesse der Region im Allgemeinen und des Irak im Besonderen sein«. Und auch der Professor für internationale Beziehungen an der Universität Paris, Khattar Abu Diab, sagte, er erwarte, »dass diese Verständigung zu einer gewissen Beruhigung im Nahen Osten führen wird«.

In Bezug auf den Libanon sprach Abu Diab von der Möglichkeit, dass sich das saudisch-iranische Abkommen positiv auf die Lösung des lähmenden Stillstands bei den libanesischen Präsidentschaftswahlen auswirken könnte,der die Krise im Land vertieft hat, weil es in den vergangenen fünf Monaten nicht gelungen ist, einen neuen Präsidenten zu wählen. Er dämpfte jedoch zugleich auch die Erwartungen, als er sagte, der Iran werde seine regionalen Ambitionen ebenso wenig aufgeben wie Saudi-Arabien seine Optionen über Nacht ad acta legen werde, weswegen es – bestenfalls – einige Zeit dauern werde, bis die Auswirkungen des Abkommens zwischen den beiden Ländern in der Region sichtbar würden.

Als einen der Gründe für die Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien nannte der Experte der britischen Carnegie-Stiftung, Karim Sadjadpour, die Tatsache, dass »der Iran zutiefst isoliert ist, unter dem Druck der Proteste leidet und strategisch wie wirtschaftlich stark von China abhängig ist«, das die Übereinkunft vermittelt hat. Das Abkommen mit Saudi-Arabien verringere die iranische Isolation und stärke Chinas regionalen Einfluss auf Kosten der Vereinigten Staaten.

Dennoch, so fuhr er fort, lehrt »uns die jüngste Geschichte, insbesondere die Osloer Abkommen und der Gemeinsame Umfassende Aktionsplan [das Atomabkommen mit dem Iran im Jahr 2015; Anm. Mena-Watch], vorsichtig zu sein, was die Auswirkungen von Abkommen im Nahen Osten angeht«. Schließlich bestehe »immer noch ein tiefes Misstrauen zwischen Teheran und Riad, das sich nicht so bald legen wird«.

Der Experte für politische und strategische Studien am ägyptischen Al-Ahram-Zentrum, Bashir Abdel-Fattah, stufte die Vereinbarung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran als positiven Fortschritt ein, der aber keine historische Wende darstelle. Die geplante Annäherung beider Länder werde zwar dazu beitragen, »Kanäle für den Dialog zwischen dem Iran und Saudi-Arabien in allen kontroversen Fragen zu öffnen, aber die Existenz solcher Kanäle bedeutet nicht, dass auch zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden«. 

Der erste Test für die verkündete Beziehungsnormalisierung, fuhr er fort, sei »die Libanon-Krise, denn die Beseitigung des politischen Vakuums um den Präsidentensessel würde einer Geste des guten Willens durch den Iran bedürfen«, dessen Verbündeter Hisbollah sich bislang jedem Kompromiss verweigert. Seit dem Ende der Amtszeit des ehemaligen libanesischen Präsidenten Michel Aoun am 31. Oktober ist es dem Land aufgrund der Polarisierung zwischen der pro-iranischen Hisbollah und den Oppositionsblöcken und -parteien, die gute Beziehungen zu Saudi-Arabien unterhalten, noch nicht gelungen, einen neuen Präsidenten zu wählen.

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