Historisches Ereignis: Erste Synagoge in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Die Moses-Ben-Maimon-Synagoge in den Vereinigten Arabischen Emiraten
Die Moses-Ben-Maimon-Synagoge in den Vereinigten Arabischen Emiraten (Quelle: JNS)

Die neue Synagoge in Abu Dhabi ist Teil eines interreligiösen Komplexes, zu dem auch eine Moschee und eine Kirche gehören.

Avi Kumar

An einem warmen Februartag mit 24 Grad hatte ich in Abu Dhabi die Gelegenheit, die Eröffnung des Abrahamic Family House auf der Insel Saadiyat zu besichtigen. Die dort befindlichen drei gleich großen Gotteshäuser – die Moses-Ben-Maimon-Synagoge, die römisch-katholisch Franziskus-Kirche und die Ahmed-El-Tayeb-Moschee – scheinen auf den ersten Blick identisch zu sein, doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass jedes von ihnen Merkmale aufweist, die für die jeweiligen religiösen Bräuche typisch sind.

Der Oberrabbiner des Jüdischen Rates der Vereinigten Arabischen Emirate, Elie Abadie, erzählte mir, für ein arabisches Land sei es sehr bemerkenswert, ein jüdisches Gotteshaus zu errichten. »In der Tat ist dies die erste Synagoge, die seit fast einem Jahrhundert in der Region gebaut wurde. Damit sendet die Regierung eine großartige Botschaft aus; eine Botschaft der Toleranz und Akzeptanz, da sie den verschiedenen abrahamitischen Religionen erlaubt, hier zusammenzukommen und zu beten. In Wirklichkeit beten wir denselben Gott an.«

Der internationale Direktor für interreligiöse Angelegenheiten beim American Jewish Committee und ehemaliger Oberrabbiner von Irland, David Rosen, bedankte sich bei seinem Gastgeber und erkläret, die Synagoge sei ein »ein großes Geschenk von Scheich Mohammed an das jüdische Volk. Myriaden von Menschen aus der ganzen Welt, die das Land bereisen, werden diesen Komplex allein wegen seiner Lage und Schönheit besuchen.«

Alle, die die Stätte besuchen, könnetn die drei abrahamitischen Religionen vertreten sehen, sagte Rosen: »Für unser Volk, das unter Vorurteilen und Bigotterie gelitten hat und immer noch leidet, die aus Unwissenheit und falschen Darstellungen entstanden sind, bietet dieser Ort eine großartige Gelegenheit, die Welt über die Schönheit und die wahren Werte der jüdischen Tradition aufzuklären.«

Modern und traditionell zugleich

Das vom ghanaisch-britischen Architekten David Adjaye entworfene Abrahamic Family House wurde am 16. Februar eingeweiht und für Gläubige geöffnet, seit 1. März hat auch die Öffentlichkeit Zugang. Ursprünglich sollte die Synagoge bereits im Jahr 2022 eröffnet werden, doch die Eröffnung musste verschoben werden.

Die interreligiöse Stätte entstand wenige Jahre nach der Unterzeichnung des Abraham-Abkommens im Herbst 2020, unter dessen Schirmherrschaft die VAE und Bahrain, gefolgt von Marokko und dem Sudan, Beziehungen zu Israel aufgenommen haben. Das Abkommen gilt weithin als Zeichen der Toleranz und wird von vielen als Vorbote positiver Beziehungen zwischen Juden im Nahen Osten und der islamischen Welt angesehen.

Die drei würfelförmigen Gebäude mit einer Seitenlänge von je 30 Metern unterscheiden sich in den spezifischen Elementen für die jeweilige Religion. So soll die Fassade der Synagoge an die rituellen Laubhütten erinnern, die mit Sukkot verbunden sind, sowie an Palmwedel, die ebenfalls mit dem einwöchigen jüdischen Feiertag verbunden sind. Das Gebäude umfasst ein Hauptheiligtum, zwei Mikwaot und ein Wohnhaus, in dem Ben de Toledo, der Rabbiner, und seine Frau wohnen werden. Der Tradition entsprechend ist die Moschee nach Mekka, die Synagoge nach Jerusalem und die Kirche nach Osten ausgerichtet.

Rosen, der bereits in der Synagoge gebetet hat, erzählte, sich in dem modernen, kubischen Raum sehr wohlzufühlen, dessen Inneneinrichtung zugleich sehr traditionell und schön sei. »Wenn es etwas gibt, das sich von einer herkömmlichen Synagoge unterscheidet, dann ist es der Netzvorhang, der zum Oberlicht hinaufführt und sehr schön ist«, sagte er.

Höhepunkt jüdischer Präsenz in der Golfregion

Die türkische Jüdin Stella Penso Lancaster, die von 2012 bis 2018 in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebte und jetzt in England zu Hause ist, wohnte der Eröffnungszeremonie ebenfalls bei. Während ihrer Zeit in den Emiraten, gab sie ihre jüdische Identität ohne Weiteres preis, erzählte sie. »Ich habe meine Religion eifrig versteckt. Zum allerersten Mal in meinem Leben war ich diesbezüglich nicht offen, und das war hart.«

Als sie die sich damals noch »im Geheimen haltende jüdische Gemeinschaft entdeckte, war ich sehr erleichtert. Endlich konnte ich mir und meinen Kindern in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein komplettes Leben aufbauen.« Der Chabad-Rabbiner, Levi Duchman, der jahrelang verdeckt in den VAE gearbeitet hatte, brachte Lancasters Söhnen Hebräisch bei.

Die Emirate sind ein ölreicher Staat mit fast zehn Millionen Einwohnern, von denen etwa zehn Prozent Staatsbürger und überwiegend arabische Muslime sind. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung stammt aus der ganzen Welt und praktiziert eine Vielzahl von Religionen; Juden aber zogen vor dem Abraham-Abkommen kaum hierher. 

Kamen amerikanische oder europäische Juden zu Besuch, hielten sie sich in der Regel bedeckt. Israelische Staatsangehörige waren gar nicht zugelassen. Das hat sich seit dem Abkommen geändert: Mittlerweile hat fast eine halbe Million Israelis Dubai und Abu Dhabi besucht; und in dem Golfstaat leben etwa 2.000 Juden, von denen laut Abadie etwa 500 »aktiv praktizierend« sind, wobei beide Zahlen seiner Ansicht nach weiter steigen werden.

Die Insel Saadiyat ist nur fünf Autominuten vom Stadtzentrum Abu Dhabis und eine Stunde von Dubai entfernt – jenen zwei Orte, an denen die meisten Juden der VAE leben. Danach befragt, wie die weit entfernt lebenden Juden zum Schabbat-Gottesdienst kommen werden, antwortete Abadie optimistisch: »Sie werden es schon schaffen, wir werden es herausfinden.«

Bahrain ist das einzige nahe gelegene Land, das schon vor dem Abraham-Abkommen eine nennenswerte jüdische Bevölkerung. besaß Die einzige nachgewiesene historische jüdische Präsenz in den VAE ist ein Grabstein mit hebräischen Inschriften, der auf das Jahr 1500 zurückgeht und heute Teil des Nationalmuseums von Ras Al Khaimah ist. Eine kleine Gruppe jemenitischer Juden, die vor Verfolgung floh, durfte 2020 in die VAE ziehen und erhielt die Staatsbürgerschaft.

Die jüdische Gemeinde betet und hält Gottesdienste zu den hohen Feiertagen in Hotels oder Residenzen ab, wie zum Beispiel in der Villa von Abadie in Dubai. Das Angebot an koscheren Lebensmitteln wird immer größer, und seit dem Abkommen wurden sieben Restaurants eröffnet, so Abadie. »Dieser Moment ist der Höhepunkt der jüdischen Präsenz in der Golfregion und ihres enormen Wachstums nach dem Abkommen. Dies ist ein historisches Ereignis, nicht nur für den Nahen Osten, sondern für die ganze Welt.«

(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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