„Die heutigen Dschihadisten des IS kehren zur ursprünglichen Lehre des Ibn Abdalwahhab zurück. Der hatte im 18. Jahrhundert beklagt, dass sich die Bewohner der Arabischen Halbinsel von der ursprünglichen Reinheit ihrer Religion weit entfernt hätten, er forderte eine umfassende Reform des Islams. Er wollte einen bedingungslosen Monotheismus, den ‚tauhid‘, herstellen. Aus diesem Grund lehnte er die als übertrieben empfundene Verehrung Muhammads ebenso ab wie auf den Friedhöfen die Verehrung der Heiligen und deren Gräber. Das sei ‚Polytheismus‘ (schirk) und somit der größte Frevel gegen das Bekenntnis zur Einheit Allahs, urteilte Ibn Abdalwahhab. Eine ‚unerlaubte Neuerung‘ (bidaa) war ihm sogar, wenn bekannt war, wo ein Leichnam bestattet wurde. Saudische Könige werden daher bis heute an einem unbekannten Ort in der Wüste beigesetzt.
Bereits zu Lebzeiten von Ibn Abdalwahhab wurden Gräber zerstört. So hatte er selbst veranlasst, dass das Grab des Prophetengenossen Zaid Ibn al Chattab, der 633 in Zentralarabien starb, und die darüber gebaute Moschee zerstört werden. Er begründete seinen Vandalenakt damit, dass Grab und Moschee Pilger angezogen hätten. Ein Politikum wurde die Zerstörung von Gräbern aber erst, als das die vom wahhabitischen Islam beseelten Krieger des Hauses Al Saud das in den Jahren 1803 bis 1805 sowie 1924 und 1925 auch an heiligen Stätten wie Mekka und Medina sowie im südirakischen Karbala praktizierten, wo der dritte Imam der Schiiten begraben liegt, Ali. Innerhalb des sunnitischen Islams regte sich massiver Widerstand gegen den neuen wahhabitischen Islam, als Saudis und Wahhabiten kurz nach ihrer ersten Eroberung von Medina das Grab von Muhammad plünderten.“
(Rainer Hermann: „Terror in Saudi-Arabien. Nicht einmal das Grab des Propheten ist dem IS heilig“)