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USA beschließen Strategie zur Bekämpfung des syrischen Captagon-Imperiums

Auf Syrien entfallen etwa 80% der weltweiten Captagon-Produktion
Auf Syrien entfallen etwa 80% der weltweiten Captagon-Produktion (© Imago Images / Independent Photo Agency Int)

Aufgrund eines Gesetzesentwurfs könnten die USA zum Teil einer regionalen Strategie gegen die syrische Drogenproduktion und den Schmuggel von Captagon werden.

In einer auf die diplomatische Annäherung zwischen Damaskus und den arabischen Staaten folgenden Reaktion wird Regierung von US-Präsident Joe Biden dem Kongress in Kürze eine ressortübergreifende Strategie zur Bekämpfung des illegalen Captagon-Drogenhandels in Syrien vorlegen. Ende Juni hatte der stellvertretende US-Außenminister für Syrien und die Levante, Ethan Goldrich erklärt, seine Regierung werde die Strategie in den kommenden Wochen vorstellen.

Im Mai nahm der syrische Präsident Bashar al-Assad an einem Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Saudi-Arabien teil, kurz nachdem Damaskus nach einer zwölfjährigen Suspendierung wegen des syrischen Bürgerkriegs wieder in die Organisation aufgenommen worden war. 

Als Gegenleistung für die Beendigung seines Pariastatus wollen die arabischen Staaten unter anderem, dass Assad den Captagon-Handel eindämmt, von dem viele ihrer Länder betroffen sind. Im selben Monat, in dem es Assad auf dem Gipfel, beschlagnahmte Riad bei einer großen Drogenrazzia im Königreich acht Millionen dieser Pillen.

Während Damaskus darauf beharrt, dass die Lockerung der US-Sanktionen gegen das Land entscheidend für Fortschritte in dieser Angelegenheit ist, lehnt Washington die diplomatische Annäherung zwischen Syrien und den arabischen Staaten generell ab.

Syrien hat sich zur globalen Drehscheibe für die süchtig machende und seit den 1970er Jahren verbotene Droge, die auch das »Kokain des armen Mannes« bezeichnet wird, entwickelt. So produziert Damaskus schätzungsweise achtzig Prozent des weltweiten Angebots und der milliardenschwere illegale Handel ist zur mit Abstand größten Einnahmequelle des Regimes geworden.

Das Centre for Operational Analysis and Research, ein Beratungsunternehmen für politische Risiken und Entwicklung, schätzt, dass der Marktwert der Captagon-Exporte aus Syrien im Jahr 2020 bei 3,1 Milliarden Euro liegen wird, was dem Vierfachen der legalen Exporte des Landes entspricht. Anderen Schätzungen zufolge könnte der Handel sogar einen jährlichen Wert von mehr als 27 Mrd. Euro erreichen.

Regionale Strategie 

Im Juli vergangenen Jahres schlug der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses ein Captagon-Gesetz vor, in dem eine »Regierungsstrategie zur Verhinderung und Zerschlagung des Captagon-Handels und der Drogennetze von Bashar al-Assad in Syrien« gefordert wird, und legte damit den Grundstein für die Strategie, die Biden dem Kongress demnächst vorlegen wird. 

»Die USA werden die Sanktionen gegen führende Funktionäre in Syrien und im Libanon fortsetzen, die in die illegale Herstellung und den Schmuggel von Captagon verwickelt sind«, erklärte die leitende Analystin für den Nahen Osten und Nordafrika bei der Risikoaufklärungsfirma RANE, Emily Hawthorne, gegenüber The New Arab. Allerdings sei »es unwahrscheinlich, dass dies den Markt für Syrien wesentlich einschränken wird, es sei denn, die US-Bemühungen werden durch Vollzugsbemühungen in regionalen Ländern wie Saudi-Arabien ergänzt«, fügte sie hinzu.

Da regionale Regierungen wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate das Problem sähen, das Captagon für ihre eigenen Regierungen und Gesellschaften darstellt, sei die aktuelle Konzentration der USA auf den syrischen Captagon-Handel ein Politikwechsel, der sich angesichts der arabischen Annäherung an Assad als nützlich für Washington erweisen könne, sagte Hawthorne. »Die USA können sich auf die Bekämpfung des Captagon-Handels konzentrieren, anstatt die syrische Regierung selbst zu bekämpfen.«

Anfang Mai führte Jordanien Luftangriffe gegen einen bekannten Drogenhändler im Süden Syriens durch. Die Angriffe erfolgten einen Tag nach der Warnung Ammans, mit Gewalt gegen den Drogenhandel vorzugehen, der das jordanische Hoheitsgebiet als Transitland für die arabischen Golfstaaten – aber auch für Israel – nutzt. 

Amerika könnte in Zukunft ähnliche Aktionen als Teil einer umfassenderen regionalen Anstrengung zur aktiven Bekämpfung des Drogenhandels mit Gewaltmaßnahmen unterstützen. »Ich denke, dass die USA auf jeden Fall an einer solchen regionalen Strategie beteiligt sein werden, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie diese anführen werden«, meint Hawthorne. »Sie werden in enger Abstimmung mit oder an der Seite von starken regionalen Partnern arbeiten wollen, die die Initiative ergreifen.«

Caroline Rose, Direktorin des Strategic Blind Spots Portfolio am New Lines Institute, wo sie das Projekt zum Captagon-Handel leitet, erklärte, die USA hätten damit begonnen hätten, »schrittweise eine ressortübergreifende Strategie aufzubauen«. Diese Strategie stehe im Einklang mit dem Captagon-Gesetz, »das darauf abzielt, Schlüsselfiguren und -netzwerke ins Visier zu nehmen, die mit der industriellen Produktion und dem Handel mit dem Rauschgift in Verbindung stehen«.

Bisher seien die US-Sanktionen in erster Linie auf Schlüsselfiguren und -einrichtungen des illegalen Handels ausgerichtet, die mit dem syrischen Regime und Hisbollah-Gruppierungen in Verbindung stehen, sagte Rose gegenüber The New Arab. Die Frage sei nun, ob die USA ihre Strategie ausweiten »und sich mit der wachsenden regionalen Reichweite des Handels befassen werden, indem sie ihre Aktivitäten entlang der Transitrouten im Irak, in Jordanien und auch an den Umschlagplätzen in Europa verstärken«.

Rose führt weiter aus, die Strategie diene dem »Konzept der Verantwortlichkeit«, da sie Damaskus signalisiere, »dass die USA es ernst meinen mit der Verhängung zusätzlicher Sanktionen gegen regimetreue Akteure« und mit der Überwachung ihrer Beteiligung am Drogenhandel.

Sie glaube jedoch nicht, »dass die Strategie in ihrer jetzigen Form die Menge die Region überflutenden Pillen ernsthaft reduzieren wird. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Produktion drastisch zurückgegangen ist«, sagte sie. Darüber hinaus bestehe angesichts der Beziehungsnormalisierung zwischen Syrien und den arabischen Staat die Gefahr, dass das Regime seine Beteiligung am Drogenhandel fortsetzen kann, ohne dass es in der der Region zur Rechenschaft gezogen wird – obwohl die Eindämmung des Captagonschmuggels ganz oben auf die Normalisierungsagenda gesetzt wurde.

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