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Syriens bedingte Rückkehr in die Arabische Liga

Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga in Kairo beschließt Wiederaufnahme Syriens
Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga in Kairo beschließt Wiederaufnahme Syriens (© Imago Images / Xinhua)

Eine langfristige Integration könne allerdings nur dann erfolgen, wenn Syrien den Krieg beendet, alle Geflüchteten ohne Vergeltungsmaßnahmen wieder aufnimmt und die Beziehungen zu seinen Nachbarländern verbessert.

Die Arabische Liga hat am Sonntag beschlossen, die bedingte Rückkehr Syriens nach mehr als einem Jahrzehnt der Isolation zuzulassen. Die mit sofortiger Wirkung in Kraft tretende Entscheidung wurde von den Außenministern aller dreizehn an der Dringlichkeitssitzung in Kairo teilnehmenden Länder getroffen, wo die Arabische Liga ihren Sitz hat. Acht der insgesamt 21 Länder nahmen hingegen nicht an der Sitzung teil, darunter Katar, das weiterhin Oppositionsgruppen gegen die Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad unterstützt und sich einer Normalisierung mit Damaskus widersetzt.

In der Erklärung, in der die Entscheidung bekannt gegeben wurde, hieß es, sie solle dazu beitragen, das Leiden des syrischen Volkes zu beenden und »seine legitimen Zukunftswünsche zu verwirklichen«.

Darüber hinaus wurde eine führende Rolle der arabischen Länder bei der Lösung aller Aspekte – von sicherheitspolitischen über politische bis hin zu humanitären Fragen – der Syrienkrise gefordert. Die Auswirkungen des Bürgerkriegs auf die Nachbarstaaten, die Region und die Welt insgesamt müssten angegangen werden, hieß es in dem Statement, wobei im Besonderen die Belastung durch syrische Flüchtlinge, die Bedrohung durch den Terrorismus und der Drogenschmuggel angeführt wurden.

Der Libanon und Jordanien beherbergen – wie die nicht in der Arabischen Liga vertretene Türkei – seit mehr als einem Jahrzehnt Hunderttausende syrischer Flüchtlinge, welche die Ressourcen und die Infrastruktur der beiden Staaten erheblich belasten. Aber auch in weiter entfernten Ländern wie Ägypten, Sudan und Jemen haben viele Zuflucht gefunden. Jordanien wiederum hat das syrische Militär und die vom Iran unterstützten Milizen in der Vergangenheit für die Verbreitung von Drogen in der Region verantwortlich gemacht.

Der Wortlaut der nun von der Arabischen Liga veröffentlichten Erklärung deutet darauf hin, dass die Wiedereingliederung Syriens von den Fortschritten abhängt, die das Land auf dem Weg zu einer Lösung macht: »Wir betonen die Notwendigkeit, wirksame und praktische Schritte für eine langfristige Lösung der Krise nach dem Prinzip ›Ein Schritt für einen Schritt‹ zu unternehmen.« Diese Schritte müssten mit der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats von 2015 übereinstimmen, die darauf abzielt, eine international anerkannte Friedenslösung in Syrien zu schaffen.

Ein Ausschuss, der sich aus dem Vorsitzenden der Arabischen Liga und Vertretern von Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien, dem Irak und Libanon zusammensetzt, soll die direkte Kommunikation mit der syrischen Regierung aufrechterhalten, um an einer umfassenden Beilegung des Konflikts zu arbeiten und die Entwicklung der Lage zu verfolgen.

Auch gegen den Iran gerichtet

Die Wiederaufnahme Syriens in den Schoß der Arabischen Liga ist zum Teil durch den Wunsch der arabischen Großmächte der Region motiviert, ein Gegengewicht zum Einfluss nichtarabischer Akteure wie dem Iran, der Türkei und der vom Iran unterstützten Hisbollah im Libanon zu schaffen. Die Aussöhnung mit dem Assad-Regime und die jüngsten Schritte zur Normalisierung der Beziehungen zum Iran könnten auch dazu beitragen, die Spannungen in Ländern wie dem Jemen und dem Libanon zu entschärfen, in denen die von Teheran unterstützten Milizen über erheblichen politischen Einfluss und Feuerkraft verfügen.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul Gheit, sagte auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen am Sonntag, der syrische Präsident könne nun an dem Gipfeltreffen der Organisation teilnehmen, der am 19. Mai in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad stattfinden soll: »Wenn die Einladungen für den arabischen Gipfel von der gastgebenden Nation, Saudi-Arabien, an die Mitgliedstaaten verschickt werden, kann der syrische Präsident Baschar al-Assad daran teilnehmen, wenn er dies wünscht.«

Das syrische Außenministerium wiederum erklärte, die Entscheidung werde der Sicherheit in der Region zugutekommen. »Syrien verfolgt die positiven Trends und Interaktionen, die derzeit in der arabischen Region stattfinden, und glaubt, dass diese allen arabischen Ländern zugutekommen und die Stabilität, die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Völker fördern«, hieß es in einer Erklärung von Minister Faisal Mekdad.

Zuvor hatte der ägyptische Außenminister Sameh Shoukry auf einer Pressekonferenz verkündet, die Entscheidung markiere den Beginn eines wiederbelebten politischen Prozesses in dem konfliktgeplagten Land. »Die Entscheidung unterstreicht, wie wichtig es ist, dass die syrische Regierung und andere Gruppierungen ihre Verpflichtungen einhalten. Auch die arabischen Staaten haben die Pflicht, angesichts der derzeitigen internationalen Stagnation eine politische Lösung der Krise voranzutreiben, aber die Verantwortung liegt bei der syrischen Regierung und den Parteien.«

Die Resolution vom Sonntag folgt auf die seit dem Erdbeben vom Februar verstärkten Bemühungen verschiedener regionaler Mächte, die Isolation zu beenden, in der sich Damaskus seit dem Jahr 2011 befindet. Damals hatte die Arabische Liga die Mitgliedschaft Syriens wegen der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste gegen die Herrschaft von Assad ausgesetzt, die sich zu einem zehnjährigen Krieg auswuchs, dem Hunderttausende Syrer zum Opfer fielen und die Hälfte der 23 Millionen Einwohner zu (Binnen-)Flüchtlingen machte.

Unter Vorbehalt

In seiner Rede auf der Tagung der Arabischen Liga am Sonntag wies Shoukry nachdrücklich darauf hin, die vollständige Rückkehr Syriens in die arabische Gemeinschaft hänge von den Maßnahmen ab, welche die Regierung in Damaskus ergreift, um den Konflikt friedlich zu beenden und die rivalisierenden Fraktionen des Landes zu versöhnen. 

»Jede Phase der syrischen Krise hat gezeigt, dass sie nicht militärisch gelöst werden kann und es weder Sieger noch Besiegte gibt. Wir sind davon überzeugt, dass der einzige Weg zur Beilegung der Krise eine politische Lösung ist, die unter syrischer Verantwortung und ohne ausländisches Diktat erfolgt.« Unter arabischer Führung könne es gelingen, den anhaltenden Konflikt zu beenden, die Einheit und Stabilität Syriens wiederherzustellen und den Flüchtlingen und Binnenvertriebenen die Rückkehr in ihr Heimatland zu ermöglichen, ergänzte Shoukry.

Bereits am Freitag hatte der jordanische Außenminister Ayman Safadi erklärt, Syrien verfüge unter den 22 Mitgliedern der Liga über genügend Stimmen, um seinen Sitz wiederzuerlangen, räumte aber ein, auf die »symbolische Rückkehr« werde noch ein sehr »langer und schwieriger« Prozess folgen müssen. 

Das Treffen der Arabischen Liga fand eine Woche nach jenem des syrischen Außenministers Faisal Mekdad mit seinen Amtskollegen aus Ägypten, dem Irak und Saudi-Arabien in der jordanischen Hauptstadt Amman statt. Dabei einigten sie sich auf ein Rahmenwerk, die sogenannte jordanische Initiative, die darauf abziele, Damaskus langsam in den arabischen Schoß zurückzuführen und die »humanitäre, politische und sicherheitspolitische Krise« im Einklang mit dem Friedensfahrplan zu lösen, den die Resolution des UN-Sicherheitsrats aus dem Jahr 2015 vorsieht.

Der saudische Außenminister Prinz Faisal Bin Farhan und der iranische Präsident Ebrahim Raisi haben beide in den letzten Wochen Damaskus besucht, wobei Teheran den regionalen Vorstoß zur Wiedereingliederung seines arabischen Verbündeten lobte. Syrien und Saudi-Arabien haben im April die Wiederaufnahme von Flügen und konsularischen Diensten vereinbart, und auch Tunesien hat wieder einen Botschafter in Damaskus ernannt.

Damaskus hatte zugestanden, vor einer Rückkehr in die Liga die regionalen Beziehungen zu verbessern. »Die Arabische Liga existiert, aber die internen Differenzen bleiben bestehen«, sagte Mekdad, wobei eine Rückkehr Syriens die regionalen Standpunkte vereinheitlichen könnte, wie er hinzufügte.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden erklärte, sie sei durch das Treffen in Amman »ermutigt«, obwohl Washington das Assad-Regime nicht wieder in die internationale Gemeinschaft aufnehmen wolle. Ein Vertreter des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses sagte allerdings gegenüber der emiratischen Zeitung The National, seine Regierung sei »ermutigt davon, dass in dem gemeinsamen Kommuniqué viele Prioritäten genannt werden, die wir mit unseren Partnern teilen«. Das Weiße Haus zeigte sich besonders erfreut darüber, dass das Kommuniqué die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats hervorhebt.

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