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Vereinte Nationen: Sind jüdische und palästinensische Flüchtlinge gleichberechtigt? 

Lager für jüdische Flüchtlinge bei Tel Aviv

Trotz fast einer Million jüdischer Flüchtlinge aus arabischen Ländern sind die Vereinten Nationen nach wie vor nur auf die Nachkommen der arabischen Flüchtlinge fixiert. 

Lyn Julius

Nach den jüngsten Enthüllungen über die Verbindungen des palästinensischen Flüchtlingshilfswerks UNRWA mit der Hamas im Gazastreifen haben bislang zwölf Staaten ihre Mittel für das Hilfswerk gestrichen oder vorübergehend eingestellt; weitere werden wahrscheinlich folgen. Es wird jedoch kaum darüber diskutiert, warum ein Hilfswerk, das als vorübergehende Maßnahme zur Unterstützung von Flüchtlingen aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 eingerichtet wurde, fünfundsiebzig Jahre später immer noch den Nachkommen arabischer Flüchtlinge helfen sollte.

Interessanterweise ist nicht allgemein bekannt, dass die UNRWA eigentlich gegründet wurde, um Flüchtlingen auf beiden Seiten des Konflikts zu helfen – also sowohl arabischen als auch jüdischen. Ursprünglich definierte die UNRWA diejenigen, für die sie zuständig war, als »bedürftige Personen, die infolge des Kriegs in Palästina ihre Heimat und ihre Lebensgrundlage verloren haben«.

Diese Definition umfasste etwa 17.000 Juden, die in jenen Gebieten des damaligen Mandatsgebiets Palästina gelebt hatten, die während des Kriegs 1948 von arabischen Truppen erobert worden waren; sowie etwa 50.000 Araber, die innerhalb der Waffenstillstandsgrenzen Israels lebten. Doch Israel übernahm die Verantwortung für diese Personen und ließ sie 1950 aus den Listen der UNRWA streichen. Damit verblieben nach einer Schätzung der New York Timesvom Dezember 1948 rund 550.000 palästinensische Araber unter der Zuständigkeit der UNRWA.

Nachdem es damals noch keine international anerkannte Definition des Begriffs »Flüchtling« gab, einigte sich die UN-Flüchtlingskonvention im Jahr 1951 auf folgende Definition:

Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck »Flüchtling« auf jede Person Anwendung …  die infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, und aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.«

Diese Definition trifft ohne jede Frage auf die 850.000 jüdischen Flüchtlinge zu, die nach 1948 vor der Verfolgung in den arabischen Ländern flohen und sich größtenteils nach Israel durchgeschlagen haben. Eine Rückkehr in diese Länder hätte ihr Leben in Gefahr gebracht und tut es immer noch.

Die Last der Rehabilitation, Integration und Ansiedlung der 650.000 dieser Flüchtlinge, die in Israel ankamen, wurde von der Jewish Agency und amerikanisch-jüdischen Hilfsorganisationen wie dem American Jewish Joint Distribution Committee übernommen. Zusammen mit den Überlebenden des Holocaust aus Osteuropa wurden sie unter entsetzlichen Bedingungen in das Durchgangslager Ma’abarot gesteckt.

Ungleiche Verteilung

Damals sollte die amerikanische Hilfe für die Flüchtlinge im Nahen Osten zu gleichen Teilen zwischen Israel und den arabischen Staaten aufgeteilt werden, wobei jede Seite fünfzig Millionen Dollar erhalten sollte. Das Geld für die Aufnahme der arabischen Flüchtlinge wurde der UNRWA übergeben, während die Vereinigten Staaten weitere dreiundfünfzig Millionen Dollar für die »technische Zusammenarbeit« mit den arabischen Ländern bereitstellten. Somit erhielten die arabischen Staaten doppelt so viel Geld wie Israel, obwohl Israel mehr Flüchtlinge aufnahm, von denen viele aus den arabischen Ländern vertrieben worden waren.

1951 wurde dem US-Kongress ein Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem zum ersten und letzten Mal ein Mechanismus für die Versorgung dieser jüdischen Flüchtlinge geschaffen wurde. Der Gesamtbetrag, den der Kongress für jüdische und arabische Flüchtlinge im Nahen Osten bereitstellte, entspricht heute eineinhalb Milliarden Dollar.

In einem frühen Stadium des arabisch-israelischen Konflikts wurde die UNO von dem in ihr vertretenen mächtigen arabisch-islamischen Stimmenblock vereinnahmt. Dieser Block sorgte dafür, dass sich die zuerst allgemeine Sorge zu einer Art Besessenheit mit einer einzigen Flüchtlingsbevölkerung, den Palästinensern, wandelte. Während sich etwa mit der UNRWA eine eigene UN-Organisation allein um die palästinensischen Flüchtlinge kümmert, werden alle anderen Flüchtlinge in der Welt vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) betreut.

Tatsächlich gibt es zehn UN-Organisationen, die sich ausschließlich mit palästinensischen Flüchtlingen befassen, von denen die meisten keine Flüchtlinge, sondern deren Nachkommen sind. Diese Organisationen definieren den Flüchtlingsstatus als abhängig von einem »zweijährigen Aufenthalt« in »Palästina« der Vorfahren, wobei die Definition keinen Hinweis auf »Angst vor Verfolgung« oder Umsiedlung enthält.

Besonders bezeichnend ist, dass von den insgesamt fünfundsechzig Millionen anerkannten Flüchtlingen weltweit nur die palästinensischen Flüchtlinge ihren Flüchtlingsstatus völlig situationsungebunden an die nachfolgenden Generationen weitergeben dürfen. Infolgedessen wird die Zahl der palästinensischen »Flüchtlinge« derzeit auf über fünf Millionen geschätzt, von nach jeder vernünftigen Definition denen nur ein Bruchteil Flüchtlinge wären.

Darüber hinaus wird den palästinensischen Flüchtlingen als einzigen unter allen Flüchtlingen weltweit das Privileg eingeräumt, eine »Repatriierung« anstelle einer Neuansiedlung zu fordern. Für Israel ist dies aus offensichtlichen Gründen eine rote Linie, würde es doch seinen Charakter als jüdischer Staat zerstören.

Keine Anerkennung für Juden

Dennoch haben die arabischen Staaten diese Doppelmoral beibehalten, zum einen als Waffe gegen Israel, zum anderen, um die erheblichen Kosten für die Umsiedlung der Flüchtlinge selbst zu vermeiden. Im Jahr 1959 verabschiedete die Arabische Liga die Resolution 1457, in der festgelegt wurde, dass die arabischen Länder außer Jordanien Bewerbern palästinensischer Herkunft keine Staatsbürgerschaft gewähren. Diese Diskriminierung besteht auch heute noch.

Im Gegensatz zu den Milliarden von Dollar, welche die internationale Gemeinschaft für die palästinensischen Flüchtlinge bereitgestellt hat, gab es für die jüdischen Flüchtlinge keinerlei dieser Hilfen. Die Ausnahme war ein Zuschuss von 30.000 Dollar im Jahr 1957, den die UNO aus Furcht vor Protesten ihrer muslimischen Mitglieder nicht öffentlich machen wollte. Er wurde schließlich in ein Darlehen umgewandelt, welches das American Jewish Joint Distribution Committee letztlich zurückzahlte.

Nur in zwei Fällen erkannte die UNO an, dass Juden, die aus einem Land des Nahen Ostens oder Nordafrikas flohen, echte Flüchtlinge waren. Im Jahr 1957 erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, August Lindt, dass die Juden Ägyptens, die »nicht in der Lage oder nicht willens waren, den Schutz der Regierung ihrer Nationalität in Anspruch zu nehmen«, in seinen Zuständigkeitsbereich fielen. Im Juli 1967 erkannte das UNHCR Juden, die aus Libyen flohen, als Flüchtlinge im Rahmen des UNHCR-Mandats an.

Es ist unnötig zu erwähnen, dass sich keiner dieser Juden heute noch als Flüchtling bezeichnet. Trotz immenser Entbehrungen sind sie vollwertige Bürger Israels und anderer Staaten. Ist es zu viel verlangt, eine ähnliche humanitäre Lösung für die Notlage der palästinensischen Flüchtlinge zu fordern?

Lyn Julius ist Autorin des 2018 erschienenen Buchs Uprooted: How 3,000 Years of Jewish Civilization in the Arab World Vanished Overnight. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

Zum Thema der »Jüdischen Nakba« erschein kürzlich, ein Mena-Watch-Dossier, das Sie hier als PDF herunterladen oder als Broschüre kostenlos bestellen können.

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