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Türkei: Ärger über Erdogans luxuriöse Sommerresidenz

Stehen wegen Hang zu Luxus in der Kritik: Emine und Recep Tayyip Erdogan
Stehen wegen Hang zu Luxus in der Kritik: Emine und Recep Tayyip Erdogan (© Imago Images / UPI Photo)

Während die wirtschaftlichen Probleme und die Armut zunehmen, wurden kürzliche Fotos von Erdogans luxuriöser Sommervilla an der Ägäis veröffentlicht, die viele Türken erzürnt haben.

Andrew Wilks / Murat Yildiz, The National

In einer Zeit, in der gewöhnliche Türken darum kämpfen, ihre Familien ernähren zu können, haben die ersten Bilder der luxuriösen neuen Sommerresidenz des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an der Ägäisküste haben für Empörung gesorgt. Der Architekt veröffentlichte diese Woche Details des weitläufigen Komplexes nördlich von Marmaris, der auf 74 Millionen Dollar geschätzt wird. Die Bilder zeigen die luftigen, mit hohen Decken versehenen Innenräume der Gebäude sowie einen Swimmingpool und einen Privatstrand.

Obwohl der verschwenderische Komplex bereits vor zwei Jahren fertiggestellt wurde, ist es das erste Mal, dass die Öffentlichkeit nun Bilder davon zu sehen bekommt, während die Corona-Pandemie zugleich die seit langem bestehenden wirtschaftlichen Probleme vergrößert und zu verstärkter Armut führt.

Die Inflation erreichte im vergangenen Monat mit 17,5 Prozent ein Zweijahreshoch. Die Inflation bei Lebensmitteln stieg im Vergleich zum letzten Jahr um ein Fünftel – eines der größten Probleme für die privaten Haushalte. Die Strompreise stiegen kürzlich um 15 Prozent, die Erdgaspreise um 12 Prozent.

Vielleicht noch peinlicher für Erdogan ist, dass die Bilder seiner Sommerresidenz veröffentlicht wurden, kurz nachdem seine Frau, Emine Erdogan, den Menschen geraten hatte, ihre Essensportionen zu reduzieren, um Verschwendung zu vermeiden. In den Kritiken zu ihren Kommentare, wiesen viele auf Emine Erdogans Vorliebe für Luxusmarken hin.

„Sie sagen uns, dass wir unser Essen reduzieren sollen, aber sie haben Geld, das sie für teure Handtaschen ausgeben und für den Bau von Luxuspalästen in Marmaris“, sagte Hasan Ozbilek, ein 71-jähriger Rentner, der Taschentücher auf den Straßen von Istanbul verkauft. „Der Präsident hat immer gesagt, dass er die einfachen Leute vertritt, und er kam selbst aus bescheidenen Verhältnissen, aber jetzt sehen wir, dass er wie ein Sultan lebt, während alle anderen sich abmühen.“

Erdogans Kernwählerschichten sind die konservativen Armen der Türkei, und zu Beginn seiner bislang 18-jährigen Herrschaft baute er Unterstützung auf, indem er diese Schichten mit Dienstleistungen und Arbeitsplätzen versorgte. Jüngste Umfragen zeigen jedoch, dass die Unterstützung schwindet, da die Pandemie die Wirtschaft beeinträchtigt.

Eine Umfrage des angesehenen Meinungsforschungsinstituts MetroPOLL im letzten Monat zeigte, dass 69 Prozent der Befragten die Hilfsmaßnahmen der Regierung für unzureichend halten. Unter den Wählern von Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) sagten immerhin noch 45 Prozent, dass die Hilfen nicht genug seien.

„Die Menschen haben die Nase voll“, erklärte Burak Erbay, ein oppositioneller Abgeordneter für Mugla, die Provinz, in der sich der neue Präsidentenpalast befindet. „Es geht nicht nur um den [Palast] hier, es gibt auch noch die Paläste in Ankara und in Van. Es geht um die Privatflugzeuge und die Jets. Während die Menschen darum kämpfen, Brot auf den Tisch zu bringen, sehen sie all diesen Luxus und diese Extravaganz und werden natürlich wütend.“

Erdogans Residenzen waren in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von Kontroversen, insbesondere der 1.000-Zimmer-Komplex, der auf der Atatürk-Waldfarm errichtet wurde, einem Gebiet in Ankara, das der türkische Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk dem Staat vermacht hatte. Da es sich um eines der am stärksten geschützten Grundstücke in der Türkei handelt, hätten auf dem Areal agr keine Gebäude errichtet werden dürfen. Doch der Komplex wurde 2014 fertiggestellt, obwohl die Arbeiten per Gerichtsbeschluss gestoppt werden sollten.

In typisch unverblümtem Stil reagierte Erdogan damals mit einer Provokation: „Lasst sie das Haus abreißen, wenn sie es können. Sie haben einen Baustopp angeordnet, aber sie können dieses Gebäude nicht stoppen.“ Seine Assoziation mit Bauprojekten wie diesen ist so stark, dass „der Palast“ zu einem Synonym für Erdogans Präsidentschaft geworden ist.

(Aus dem Artikel Erdogan’s luxurious summer palace pictures infuriate Turks left hungry“, der bei The National erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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