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Taliban in Afghanistan: Für Al-Qaida wird ein Traum wahr

Das "Modell Taliban" könnte zum Vorbild jihadistischer Gruppen werden
Das "Modell Taliban" könnte zum Vorbild jihadistischer Gruppen werden (© Imago Images / Bihlmayerfotografie)

Die Übernahme Kabuls durch die Taliban ist zweifellos der wichtigste Tag für Al-Qaida seit dem 11. September 2001.

Charles Lister

Nach zwei Jahrzehnten Terrorismusbekämpfung durch die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten befand sich die zentrale Führung von Al-Qaida noch vor wenigen Wochen in einer schwierigen Lage. Der globale Anführer Ayman al-Zawahiri ist seit vielen Monaten nicht mehr aufgetaucht, und ein Großteil der Al-Qaida-Führungsriege wurde bei einer Welle von US-Angriffen in Afghanistan, Syrien und im Jemen seit 2017 getötet.

Aller Wahrscheinlichkeit nach waren diese Verluste das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit der Geheimdienste, die langsam und methodisch in die Netzwerke von Al-Qaida eingedrungen sind und sie Stück für Stück auseinandergenommen haben.

Zu sehen, wie die Taliban über Afghanistan und nun auch Kabul hinwegfegen, ist für Al-Qaida ein wahrgewordener Traum, und er könnte für sie zu keinem besseren Zeitpunkt kommen. Zum ersten Mal seit Jahren hat die Organistaion nicht nur etwas Luft zum Atmen, sondern erhält auch einen enorm wichtigen sicheren Hafen, in dem sie sich wieder aufbauen kann. Für Al-Qaida gilt eine Entwicklung von dieser Bedeutung nicht als Zufall, sondern kann nur gottgegeben sein.

Die zentrale Führung der Al-Qaida wird nun versuchen, sich neu zu formieren. Zawahiris Stellvertreter Sayf al-Adel befindet sich derzeit im Iran und wird zweifellos zusammen mit anderen Mitgliedern des Schura-Rates der Gruppe Möglichkeiten für eine Rückkehr nach Afghanistan prüfen. In operativer Hinsicht wird Al-Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) wahrscheinlich die Initiative übernehmen, indem sie die alten Verbindungen zu den in Afghanistan ansässigen jihadistischen Verbündeten mit regionaler Reichweite nach Usbekistan, China, Pakistan, Indien und darüber hinaus verstärkt.

Die Beziehungen zwischen Taliban und Al-Qaida sind so fest wie eh und je – die Vorstellung, dass die Verhandlungen in Doha eine jahrzehntealte Verbindung, die mit einem religiösen Treueschwur besiegelt wurde, auflösen würde, war absurd und Politiker, die daran glaubten, ließen sich für dumm verkaufen. (…)

Über Al-Qaida hinaus dürfte der – bemerkenswert rasche – Sieg der Taliban tiefgreifende Auswirkungen auf die weltweite jihadistische Bewegung haben. In den letzten Jahren und insbesondere seit dem „Arabischen Frühling“ haben sich die mit Al-Qaida verbundenen Jihadisten zunehmend zu lokal orientierten Aufständischen entwickelt.

Indem sie sich vor Ort engagierten und Ziele verfolgten, die von lokalen Gemeinschaften geteilt werden, haben sich diese Gruppen tiefer als je zuvor in ihr Umfeld eingebettet. Einige von ihnen waren politisch aktiv, setzten sich strategisch für friedlichen Aktivismus ein, arbeiteten mit den Regierungen der Nationalstaaten zusammen und bauten echte Glaubwürdigkeit auf lokaler Ebene auf. Für viele von ihnen wurde das Modell der Taliban zunehmend zum Vorbild – und die jüngsten Entwicklungen in Afghanistan zeigen, warum.

Nachdem die Taliban nun an die Macht gekommen sind, gibt es bereits Anzeichen dafür, dass Institutionen der Vereinten Nationen in Afghanistan versuchen, die Erlaubnis der Taliban für die Fortführung ihrer Tätigkeit zu erhalten. Regionale und internationale Regierungen werden auf den bereits stattgefunden habenden Sondierungsgesprächen mit Taliban-Abgesandten aufbauen und versuchen, eine Art diplomatischer Beziehungen herzustellen. So scheint die türkische Regierung bereits offen nach einer konstruktiven Beziehung zu einer Taliban-Regierung zu suchen.

Wenn es jemals ein Beispiel für das erfolgreiche „Mainstream-Werden“ der jihadistischen Ideologie gegeben hat, dann ist es Afghanistan. Und wenn man den jüngsten Trends in anderen Ländern Glauben schenken darf, werden die Taliban nicht die letzten sein, die dies anstreben.

(Aus dem Artikel An Al-Qaeda Dream Come True“, der bei Charles Lister erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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