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Syrischer Kleriker: Türkische Religionsbehörde folgt iranischem Modell

Syrischer Kleriker: Türkische Religionsbehörde folgt iranischem Modell
(By Bdrfrkn, CC BY-SA 4.0)

„Am 13. September hat die türkische Religionsbehörde Diyanet einen 104seitigen Bericht über die türkischen Operationen ‚Schutzschild Euphrat‘ und ‚Olivenzweig‘ in Syrien veröffentlicht. Der Bericht erregte wenig Aufmerksamkeit, obwohl sich einige wenige Schlagzeilen mit der Renovierung von Moscheen in dem vom Krieg verwüsteten Syrien befassten. Die türkische Religionsbehörde hat in Syrien selbst und im Umgang mit syrischen Flüchtlingen in der Türkei verschiedene Aufgaben übernommen. Insbesondere hat sie seit der ersten Militärintervention Ankaras in Syrien im August 2016 eine zentrale Rolle in den Plänen Erdogans für die Stabilisierung Syriens in der Nachkriegszeit übernommen. Überhaupt charakterisieren keine zwei Institution das Erdogan-Regime nach den Entwicklungen des letzten Jahrzehnts so deutlich wie der Nationale Geheimdienst (MIT) und die Religionsbehörde. Ihr Haushalt, Personal und Einflussbereich im In- und Ausland haben zugenommen. Ihre engen Verbindungen zum MIT sind wohlbekannt, so sehr, dass der deutsche Verfassungsschutz gegenwärtig erwägt, die Diyanet überwachen zu lassen.

Es heißt, dass die der Diyanet unterstehenden Imame in Deutschland sich zurzeit für einen türkischen Sieg über die syrischen Kurden einsetzen. Behauptungen, denen zufolge Diyanet-Moscheen in den Niederlanden und anderswo in Europa Gülen-Anhänger ausspioniert haben sollen, haben zu Spannungen mit Ankara geführt. Die herrschende AKP hat zudem die Rolle der Diyanet in Ländern wie Bulgarien, in denen ethische Türken und Muslime leben, auf eine Weise verändert, die deren Regierungen Sorgen bereitet und verärgert hat. Ein pensionierter Kleriker, der mehr als 20 Jahre lang für die Diyanet arbeitete und anonym bleiben wollte, berichtete Al-Monitor, dass ‚die Diyanet ein optimaler Echoraum für Erdogan ist, insbesondere seit 2010‘. Seitdem hat der Haushalt der Religionsbehörde sprunghaft zugenommen. ‚Ihre Aktivitäten können immer als humanitär legitimiert oder mit der Religionsfreiheit gerechtfertigt werden. So kann jede Aktivität vor aller Augen verborgen werden. Solange es irgendwo Muslime gibt, lässt sich das Engagement der Diyanet immer rechtfertigen. Außerdem koordiniert und kontrolliert die Diyanet eine lange Liste regierungstreuer NGOs. Dadurch können die Angaben über ihre Ausgaben für Personal und sonstige Posten verteilt werden und entziehen sich damit jeglicher umfassenden Überwachung.‘ (…)

Ein syrischer Imam, der mehrmals in die Türkei reiste und etwas Türkisch lernte, berichtete Al-Monitor, dass ‚wir von der türkischen Regierung bezahlt werden. Wir sind ihnen dankbar und sehen, dass die [vorwiegend turkmenische und arabische] Bevölkerung hier mit der türkischen Herrschaft zufrieden ist. Für die Türkei sind religiöse und nationale Zugehörigkeit ein und dasselbe. Den Islam interpretieren wir allerdings nicht immer auf die gleiche Weise. Die Türkei hält die Kurden in Schach und das ist gut für uns. Es könnte auch sein, dass Syrer aus der Türkei sich eines Tages hier ansiedeln.‘

Amed Dicle, ein erfahrener Journalist, der vor kurzem die betreffenden Gebiete bereiste, zeigte sich über die Bildungsarbeit der Diyanet besorgt. Sie deute darauf hin, dass die türkische Präsenz in der Region auf Dauer angelegt sei. Im Bericht der Diyanet heißt es, 11.250 Schüler würden in dem von der Türkei kontrollierten Gebiet Bildungsangebote der Diyanet in Anspruch nehmen. Dicle zufolge habe die Diyanet aus dem Kreis der syrischen Aufständischen 5686 Lehrer rekrutiert. Die Bildungsangebote beruhten auf einer sunnitisch-türkischen Synthese und einer massiven antikurdischen Orientierung. ‚Die Kurden werden als Atheisten dargestellt, und die PKK, die YPG und die übrigen kurdischen Kämpfer als Ungläubige.‘ Die Schüler würden nach Geschlecht und Alter aufgeteilt. (…) ‚Sie konzentrieren sich insbesondere auf Orte, an denen die Osmanen Moscheen oder Schulen unterhielten‘, so Dilce. ‚Die Türken haben dazu gelernt. Sie folgen jetzt dem iranischen Modell‘, meinte ein syrischer Kleriker.“ (Pinar Tremblay: „Diyanet flexes its muscles to back Erdogan’s soft power in Syria“)

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