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Sturz Saddam Husseins: Zwanzig Jahre US-Invasion in den Irak

Poster in Bagdad zu zwanzig Jahren US-Invasion und Sturz Saddam Husseins
Poster in Bagdad zu zwanzig Jahren US-Invasion und Sturz Saddam Husseins (© Imago Images / Kyodo News)

Im Frühjahr 2003 marschierten die USA in den Irak ein, um Saddam Hussein zu entmachten – eine Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen.

Präsident George W. Bush war sich seiner Sache sicher, als er der US-Armee den Befehl zum Einmarsch in den Irak gab. In den Morgenstunden des 20. März 2003 fielen die ersten Bomben auf Bagdad. Vier Tage später standen US-Soldaten bereits hundert Kilometer vor der Hauptstadt. Die irakische Armee hatte der internationalen Allianz unter Führung der USA wenig entgegenzusetzen. Am 1. Mai, knapp sieben Wochen nach Beginn der Offensive, erklärte Präsident Bush den Krieg für beendet. 

Fatale Fehleinschätzungen

George Bush senior führte bereits 1990 Krieg gegen den Irak. Damals beschloss Saddam Hussein sein durch den Irak-Iran-Krieg hochverschuldetes Land zu sanieren, indem er den reichen Nachbarstaat Kuwait besetzte. Doch das Unternehmen endete für den Irak katastrophal. Eine US-geführte Koalition bombte die irakische Armee aus Kuwait. 

Militärisch war der Irak damals besiegt. Ein Vorstoß nach Bagdad schien machbar. Doch die Berater von Bush senior rieten dem Präsidenten dringend davon ab: Es bestehe die Gefahr, die US-Truppen könnten auf unbestimmte Zeit im Irak gebunden werden und das Land sich nach Saddams Sturz ethnisch und konfessionell spalten. 

Als George W. Bush 2001 zum Präsidenten gewählt wurde, war auch für ihn ein Regimewechsel im Irak zunächst kein Thema. Doch dann passierte 9/11, fast 3.000 Amerikaner starben bei den Anschlägen und danach war alles anders. Plötzlich galt Saddam als einer der großen Feinde, der nicht nur die Stabilität im Nahen Osten bedrohe, sondern auch eine Gefahr für die USA sei. 

Um den Krieg der eigenen Bevölkerung zu verkaufen, wurden die vom Irak ausgehenden Gefahren übertrieben: Verteidigungsminister Donald Rumsfeld betonte immer wieder, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen, obgleich Inspektoren der Internationalen Atomenergieorganisation zum gegenteiligen Ergebnis gekommen waren. Rumsfeld behauptete außerdem, der Irak habe Kontakte zu Al-Qaida. Zwischen den Zeilen stand damit die Beschuldigung, Saddam hätte etwas mit den Anschlägen von 9/11 zu tun. Und die Botschaft verfing: Über 70 Prozent der Amerikaner glaubten 2003, dass ein Krieg gegen den Irak gerechtfertigt sei.

Gleichzeitig wurden die Kosten heruntergespielt und mögliche Risiken eines Einmarsches verworfen. Der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz ging davon aus, dass die Zahl der US-Truppen binnen weniger Monate nach dem Einmarsch deutlich reduziert werden könnte. Außerdem verwarf er Befürchtungen, wonach der Sturz Saddams zu einem Erstarken des religiösen Extremismus führen könnte. Fatale Fehleinschätzungen. 

Ernüchterung

Mit dem Fall Bagdads endete die fast 25-jährige Herrschaft Saddams. In Washington feierte die Regierung Bush den Sieg. Wie vorhergesagt, war die Invasion schnell und ohne allzu große Verluste verlaufen: 138 US-Amerikaner wurden während der Offensive getötet. Die Neokonservativen in der Regierung und all jene, die den Einmarsch befürwortet hatten, sahen sich bestätigt. Noch konnten sie den Krieg gegen den Terror, den Präsident Bush als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 ausgerufen hatte, als Erfolg verkaufen. Doch bald schon drehte sich die Stimmung im Irak. 

In den Tagen nach dem Sturz des Regimes herrschte Chaos. Plünderer räumten tagelang Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser und Museen leer. Es zeigte sich, dass die 145.000 Soldaten, die die USA und ihre Alliierten in den Irak geschickt hatten, zu wenige waren. Die Truppen konnten das Land zwar erobern, aber nicht befrieden.

Als Washington aus seinem Siegestaumel erwachte, steckte die US-Armee bereits bis zum Hals im irakischen Nachkriegssumpf. Zwischen sunnitischen und schiitischen Milizen tobte ein Bürgerkrieg um die Macht im Staat. Gleichzeitig wuchs der Gewalt gegen die Besatzer. Die Zahl der toten US-Soldaten schnellte in die Höhe. Die von Washington als billiger Blitzkrieg verkaufte Invasion wurde nach Vietnam zum zweitlängsten Krieg in der US-Geschichte. 

Traurige Bilanz

Von einem schnellen und billigen Krieg, wie von der Regierung Bush in Aussicht gestellt, konnte keine Rede sein. Am Ende blieb die US-Armee neun Jahre im Irak. Laut Schätzungen des Ökonomen Joseph Stiglitz kosteten Einmarsch und darauffolgende Besatzung den amerikanischen Steuerzahlern drei Billiarden US-Dollar.

Über die Jahre verteilt waren insgesamt 1,5 Millionen US-Soldaten im Irak stationiert. Rund 4.500 starben, etwa 30.000 wurden verletzt und ein geschätztes Drittel kam mit posttraumatischen Belastungsstörungen aus dem Krieg nachhause. Bis zu 500.000 Iraker verloren ihr Leben, die meisten durch direkte Gewalteinwirkung wie Schüsse und Bombenangriffe. 

Der Terrorismus, den die USA durch den Sturz Saddams bekämpfen wollte, konnte eben dadurch im Irak erst Fuß fassen. Der Einmarsch brachte eine neue Welle dschihadistischer Gruppen hervor, die das Chaos nach der Invasion nicht nur ausnutzten, sondern es noch weiter vergrößerten. Aus Al-Qaida ging der sogenannte Islamische Staat hervor, der 2014 weite Teile des Landes unter seine Kontrolle brachte. Es dauerte drei Jahre und brauchte eine weitere US-geführte Koalition, um das Kalifat im Irak zu zerschlagen.

Der Irakkrieg hatte das Image der USA schwer beschädigt. Die von Außenminister Colin Powell bei seiner Rede vor der UNO 2002 vorgelegten »zweifelsfreien« Beweise, wonach Saddam über Massenvernichtungswaffen verfüge, hatten sich in Luft aufgelöst. Weder chemische noch nukleare Waffen wurden im Irak gefunden.

Nicht zuletzt öffnete der Einmarsch der US-Truppen dem Iran die Türen in den Irak. Bis heute ist der Einfluss Teherans auf die irakische Politik und bewaffnete Milizen hoch. Im Jahr 2013 hielt die Mehrheit der Amerikaner die Entsendung von Truppen in den Irak für einen Fehler.  

Nachwehen

Die Erfahrungen aus dem Irak wirkten sich langfristig auf die Außenpolitik der USA aus. Als 2011 eine Welle an Umbrüchen die arabische Welt erschütterte, hielt sich der damalige US-Präsident Barack Obama mit Interventionen zurück. Im Falle Libyens unterstützten die USA die Rebellen nur kurzzeitig mit Luftangriffen, überließen die Führung aber den Europäern.

Auch in Syrien war Obamas Hilfsprogramm für die Opposition auf leichte Waffen und Trainings beschränkt. Als das syrische Regime 2013 nachweislich Giftgas gegen Rebellen und Zivilisten einsetzte, war damit die von Obama definierte rote Linie überschritten worden. Doch anders als angedroht, kam es zu keiner militärischen Aktion der US-Armee gegen das Regime von Baschar al-Assad.

Unter Vermittlung der russischen Präsidenten Vladimir Putin löste Assad sein Arsenal an chemischen Waffen angeblich auf. Aus Sicht der USA konnte Obama auf diese Weise zwar einen weiteren US-geführten Krieg im Nahen Osten verhindern. Tempo und Richtung des syrischen Krieges bestimmte fortan aber Moskau, das ab 2015 aktiv auf Seiten des Regimes eingriff. Auf diese Weise konnte sich Russland erfolgreich im Nahen Osten positionieren. 

Als die Neokonservativen in der Bush-Regierung vor zwanzig Jahren den Krieg gegen den Irak starteten, waren sie getrieben von der Idee, mittels Regimewechsel die liberale Demokratie westlichen Vorbilds zu verbreiten und dadurch die Region für die Interessen die USA freundlicher zu gestalten. Doch anstatt die Demokratie im Nahen Osten aufkeimen zu lassen, schuf die Invasion ein Sicherheitsvakuum im Herzen der Region. Die Mission war gescheitert. 

Heute zeichnet sich längst eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Nahen Osten ab. Die Staaten haben erkennt, dass eine zweite Weltmacht den USA ihre Vorrangstellung streitig macht: China baut seine wirtschaftliche und zusehends auch seine diplomatische Präsenz in der Region aus. Vieles deutet darauf hin, dass die US-Vorherrschaft im 21. ihr Ablaufdatum erreicht.

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