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Stell dir vor, die PLO widerruft alle Abkommen mit Israel – und niemand bemerkt es

Mahmud Abbas kümmert sich nicht mehr um die Beschlüsse der PLO-Institutionen
Mahmud Abbas kümmert sich nicht mehr um die Beschlüsse der PLO-Institutionen (© Imago Images / ZUMA Wire)

So mächtig und bedeutsam die Palästinensische Befreiungsbewegung einst war, versinkt sie nun, da Mahmud Abbas sich mehr und mehr zum Diktator entwickelt, in die Bedeutungslosigkeit.

In einer Rede nach dem jüngsten Treffen des Palästinensischen Nationalrats (PNC) hob dessen Stellvertretender Vorsitzender Ali Faisal hervor, dass es eine bindende palästinensische Entscheidung gebe, »alle Abkommen mit Israel aufzulösen«. Vom Standpunkt der palästinensischen Führung aus hätten die Palästinenser »den Weg des Widerstands in all seinen Formen beschritten« – eine Formulierung, die die Anwendung von Gewalt und das Ausüben von Terror miteinschließt.

»Die Entscheidung des Palästinensischen Nationalrats beinhaltete eine Empfehlung an den Zentralrat [der Palästinensischen Befreiungsbewegung PLO], alle aus den Osloer Abkommen resultierenden Verpflichtungen aufzukündigen und die Sicherheitszusammenarbeit [mit Israel] zu beenden.

Nun gibt es eine bindende Entscheidung. Der Zentralrat beschloss, alle Verpflichtungen aus allen sowohl von der PLO als auch der [Palästinensischen Autonomiebehörde] PA mit dem Staat Israel geschlossenen Abkommen aufzukündigen.

Momentan befinden wir uns außerhalb des Rahmens von Oslo, der Sicherheitszusammenarbeit und des Pariser Wirtschaftsabkommens, und haben den Weg des Widerstands in all seinen Formen und den Weg der Realisierung unserer Souveränität beschritten.«

Verfassungsgemäß ist der Palästinensische Nationalrat die höchste Instanz der PLO und für die Formulierung von deren Programm und Politik verantwortlich.

Der PLO-Zentralrat wurde beim elften PNC-Treffen im Januar 1973 gegründet. Er fungiert als gesetzgebendes Organ, wenn der PNC nicht tagt, und bearbeitet dessen Resolutionen weiter und implementiert sie. Seine Mitglieder, zu denen das gesamte PLO-Exekutivkomitee gehört, werden aus dem PNC ernannt, seinen Vorsitz hat der PNC-Präsident inne.

Das PLO-Exekutivkomitee wiederum ist das höchste Exekutivorgan der PLO und damit sein »Kabinett«. Es ist der internationale Repräsentant der Organisation und politisch dem PNC gegenüber verantwortlich.

Mit anderen Worten: der Palästinensische Nationalrat ist das höchste und wichtigste Organ der PLO, dessen Entscheidungen für die gesamte Organisation bindend sind.

Gemäß der PLO ist die im Zuge der Osloer Abkommen gegründete Palästinensische Autonomiebehörde (PA) nur eine interimistisch regierende Körperschaft, die innerhalb und unter der Autorität der PLO agiert. Seit dem Abschluss der Osloer Verträge ist der Vorsitzende der PLO zugleich auch Vorsitzender der PA. Dementsprechend sind es auch die PLO-Institutionen, die bislang alle wichtigen politischen Entscheidungen der Palästinenser treffen.

Wenn also die höchste Quelle der Autorität innerhalb der PLO beschließt, alle Abkommen mit Israel auszusetzen, dann sollte diese Entscheidung bindende Kraft und damit auch Auswirkungen auf Israel haben, wie Maurice Hirsch im Algemeiner festhält. Und dennoch hat sich vor Ort seit der PNC-Entscheidung nicht das Geringste geändert.

Anders als im Mai 2020, als PA-Präsident Mahmud Abbas im Alleingang alle Abkommen mit Israel aussetzte, bis sie sechs Monate später wieder aufgenommen wurden, wurden diesmal weder die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel aufgekündigt noch die wirtschaftlichen Beziehungen gekappt oder gar die Annahme jener Steuereinnahmen gestoppt, die Israel gemäß den Osloer Verträgen monatlich für die PA einhebt und an sie transferiert.

Daran zeigt sich, dass die PLO-Institutionen zwar noch Beschlüsse fassen und verkünden, aber sie keinerlei Autorität besitzen, diese auch umzusetzen. Sowohl die PLO als auch die PA sind de facto Diktaturen, in denen eine einzige Person alle relevanten Beschlüsse fasst: Mahmud Abbas.

Die PLO existiert nur noch auf dem Papier, und das dank der Hunderten Millionen Euro, die jährlich aus dem PA-Budget an sie ausbezahlt werden. Tatsächlich kümmert sich niemand mehr um die von ihr getroffenen Entscheidungen, wobei sie selbst auch nicht mehr die Macht besitzt, um irgendeinen ihrer Beschlüsse umzusetzen.

Viele Jahre war die PLO laut Arabischer Liga die »einzige legitime Vertretung des palästinensischen Volkes«, weshalb Israel seine Abkommen mit den Palästinensern nur mit der PLO abschließen konnte. Doch diesen Status hat sie mittlerweile verloren.

Umfragen des Palestinian Center for Policy and Survey Research zeigen einen deutlichen Rückgang bei der Unterstützung für die PLO. Waren es im Jahr 2006 noch 69 Prozent der Befragten, hielten im März 2019 nur noch 54 Prozent die PLO als »einzige legitime Vertretung des palästinensischen Volkes«.

Die Tatsache, dass die PLO alle Abkommen mit Israel aufgekündigt und niemand es bemerkt hat, zeigt, wie Maurice Hirsch abschließend feststellt, dass die Palästinensische Befreiungsbewegung in der Realität irrelevant geworden ist.

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