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Orientalische Despotien: Das Comeback der Stammesherrschaft

Orientalische Despotien: Das Comeback der Stammesherrschaft„In den offiziellen Biografien von Clan-Tyrannen wie Saddam Hussein, Muammar al-Gaddafi und Ali Abdullah Salih lesen wir jeweils ein Loblied darauf, dass sie alle in ihrer Kindheit Schafe gehütet hätten, womit sie es dem Propheten Muhammad gleichtaten. (…) Im modernen Staat löst sich die traditionelle Stammesgesellschaft auf, aber auch in der Stadt bleiben tribale Strukturen selbst dann bestehen, wenn eine jahrhundertealte Gesellschaft durch den Zufall einer geologischen Entdeckung [dem Erdöl) durch den Westen zu einer städtischen wird. Nach der staatlichen Unabhängigkeit, insbesondere seit den sechziger Jahren, entstanden um die großen arabischen Städte ganze Gürtel von Land- und Steppenflüchtlingen, die das Rückgrat einer Klasse billiger Arbeitskräfte bildeten und die in die neu entstehenden Armeen eintraten. Die durch Putsche an die Macht gekommenen Staatsmänner fanden in diesem ärmlichen ländlich-beduinischen Milieu ein nie versiegendes Reservoir an falschem Bewusstsein. Und so wurde die Kultur von Hirte und Herde zur Basis einer putschistischen ‚revolutionären‘ Machtstrategie, die auf Parolen wie ‚Freiheit, Sozialismus und arabische Einheit‘ getragen wurde, welche nichts anderes waren, als Propagandabanner ohne jeglichen Bezug zur Wirklichkeit. (…)

Mit Ausnahme des Nasser-Militärputsches in Ägypten zur Begründung eines nationalen, panarabischen Projekts auf der Basis der arabischen Nahda (Renaissance), das mit der Niederlage im Junikrieg 1967 endete, mündeten alle anderen arabischen Putsche in eine Reproduktion autokratischer, familiärer, tribaler und konfessioneller Macht in unterschiedlichen Gewändern und im Zeichen unterschiedlicher Parolen und Ideologien. (…) Saddam [Hussein] erarbeitete sich einen Ruf, der seine Brüder im Geiste neidisch werden ließ, darunter Ali Abdullah Salih und Muammar al-Gaddafi, aber auch seinen Erzfeind Hafiz al-Assad, der Syrien ebenfalls mit der Baath-Partei regierte. Saddam war der Prototyp des modernen arabischen Despoten in der machiavellistischen Tradition des Kalifen Muawiya. Seinen Staat baute er auf scheinbar modernen nationalistischen Ideen auf und machte sich zum Inbegriff der Neuerstehung der Nation. Dabei kopierte er faschistische Ideologien aus Europa.

Weil Saddam Hussein krankhaft süchtig danach war, sich selbst zu rühmen, verstieg sich sein Pressesekretär Hussein Abduljabbar Muhsin zu dem Prädikat ‚unersetzbarer Führer‘ für den Präsidenten. Damit sollte ausgedrückt werden, dass Saddam Hussein ein von der Geschichte gesetzter, in prophetischem Rang stehender Anführer des Landes war. Und da Saddam mit der Zeit selbst daran glaubte, musste er auch alles daran setzen, bis zu seinem natürlichen Tod an der Macht zu bleiben, bevor er sie an einen Sohn weitergäbe. Dasselbe ließe sich von Muammar al-Gaddafi in Libyen oder Ali Abdullah Salih im Jemen sagen, die als orientalische Despoten das Militär, den Staatsapparat und ihre jeweils herrschende Partei ebenfalls nach tribaler Logik führten. Nach und nach führten Säuberungen dazu, dass diese zu Familienvereinen wurden, und aus der Loyalität zum Parteichef wurde eine Loyalität zum Familienchef beziehungsweise zum Oberhaupt des herrschenden Clans, beziehungsweise beides zusammen.“ (Faraj Alasha: „Die Wiedergeburt des Stammes im Staat“)

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