In einem Interview kritisierte der ehemalige Präsident Michel Aoun die Hisbollah für ihren aggressiven Kurs gegenüber Israel, der den Libanon in einen Krieg mit seinem südlichen Nachbarstaat zu stürzen droht.
In einem am 19. Februar geführten Interview mit dem libanesischen Nachrichtensender OTV hielt sich Michel Aoun mit seiner Kritik an der Hisbollah nicht zurück. Einer der Journalisten führte aus, »manche im Libanon meinen, wir sollten bis zum Ende kämpfen, um den Gazastreifen zu unterstützen, während andere sagen, dass unsere nationale Souveränität an der Südgrenze endet« und fragte den Ex-Präsidenten, inwieweit sich der Libanon in den Konflikt mit Israel einmischen solle.
Darauf antwortete Aoun unter Anspielung auf die Hisbollah: »Ein Teil des libanesischen Volkes hat eine Entscheidung getroffen, ganz allein, während die anderen Libanesen nicht daran beteiligt sind. Die Regierung schweigt. Sie nimmt keinen klaren Standpunkt ein. Das zeugt eher von Hilflosigkeit als von Entschlossenheit.«
Kein Abkommen, keine Verpflichtung
Ob Aoun dagegen sei, die libanesische Front mit der Gaza-Front zu verbinden, sagte der ehemalige Staatsmann:»Wir haben keinen Vertrag mit Gaza. Der Libanon ist nicht durch ein Abkommen mit Gaza verbunden, also …« Auf den Einwand, es gebe keine Abkommen zur gegenseitigen Verteidigung mit Gaza, merkte der Ex-Präsident an: »Vielleicht hätte die Arabische Liga etwas tun können.«
Anschließend verwies die Reporterin auf die Meinung mancher, die sagten, hätte der Libanon nicht in diesen Krieg eingegriffen, wäre er früher oder später selbst an der Reihe gewesen; also seien kriegerische Aktionen gegen Israel eher eine Präventivmaßnahme als ein Akt der Unterstützung für Gaza. »Das ist nur eine Meinung«, antwortete Aoun, »dafür gibt es keine Anzeichen. Anstatt die Gefahr von uns wegzuschieben, verschlimmert die Beteiligung an diesem Krieg sie vielleicht nur noch.«
Kriegstreiber Hisbollah
Gefragt, wer in diesem Zusammenhang zu entscheiden habe, spricht Aoun explizit die Hisbollah an: »Die Leute, die kämpfen, haben das Sagen. Der Mann, der in diesen Krieg eingetreten ist, [gemeint ist Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, Anm. Mena-Watch] ist derjenige, der die Entscheidungen im Namen des libanesischen Volkes trifft, solange die libanesische Regierung dies nicht tut.« Dass es die Hisbollah sei, die momentan den Gang der Ereignisse diktiere, könne man daran erkennen, dass die Vermittler »in Kontakt mit der Hisbollah stehen«.
Bei künftigen Gesprächen müsse dies alles also auf den Tisch kommen, resümierte die Interviewerin. »Zuallererst muss alles auf dem libanesischen Tisch liegen«, stimmte Aoun ihr zu. »Eine Partei kann nicht allein über einen Konflikt wie diesen entscheiden. Wir haben eine Regierung, die behauptet, der Herrscher zu sein, aber in Wirklichkeit ist sie es nicht.«
In jüngster Zeit mehren sich Anzeichen, dass sich die Hisbollah mit ihrer Involvierung in der israelischen Arena übernommen haben könnte und nun versuche, sich zurückzunehmen: So soll sie zunehmend Druck auf die Hamas ausüben, damit diese ihre weitreichenden Forderungen für einen Waffenstillstand mit Jerusalem herunterschraubt.