Erweiterte Suche

Israelhass: Stimmungsmache fürs Pogrom

Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus auf einer Demonstration in London am 4. November 2023. (© imago images/Sipa USA)
Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus auf einer Demonstration in London am 4. November 2023. (© imago images/Sipa USA)

Die infame Gleichsetzung von Israelis mit Nationalsozialisten dient nur einem Zweck, nämlich auch bei uns Pogromen den Weg zu bereiten.

Alan Johnson

Die Menschen glauben einer großen Lüge, schrieb Adolf Hitler in Mein Kampf, weil »eine solche Unwahrheit [ihnen] gar nicht in den Kopf kommen« würde und sie »an die Möglichkeit einer so ungeheuren Frechheit der infamsten Verdrehung auch bei anderen nicht glauben können«.

Der palästinensische Immobilienmogul Mohamed Hadid, Vater der Supermodels Gigi und Bella Hadid, könnte dieselbe zynische Berechnung angestellt haben, als er auf Instagram eine (mittlerweile wieder gelöschte) Grafik postete, in der er den einzigen jüdischen Staat der Welt, der unter der Ermordung von mehr Juden als an jedem anderen Tag seit dem Holocaust leidet, mit den Nationalsozialisten gleichsetzte, den Architekten des Holocausts.

Die »neuen Nazis«

Hadid war nicht der einzige, der diesen Vergleich anstellte. Die »Nazi-Analogie« oder »Holocaust-Inversion«, wie sie von Antisemitismusforschern genannt wird, ist seit dem 7. Oktober allgegenwärtig. Sie findet sich auf den Plakaten oder in Handys, die auf Massendemonstrationen hochgehalten werden, und verbindet routinemäßig mit einem Gleichheitszeichen den Davidstern mit dem Hakenkreuz. Man findet den Vergleich ebenso in den kalkuliert verletzenden Reden des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der die Hamas als »Befreier« lobte und Israels Reaktion auf die Gräueltaten der Hamas mit den Gaskammern der Nationalsozialisten verglich.

Der antizionistische Schriftsteller Norman Finkelstein brachte es auf den Punkt: »Wenn Sie einen Nerv treffen wollen«, sagte er, »dann machen Sie die Analogie zu den Nazis«, weil das die Juden besonders treffe. Dave Rich vom Community Security Trust sagte: »Ein anderes Wort dafür ist Judenhetze.«

Der Rechtswissenschaftler Lesley Klaff bezeichnete den Vergleich als eine Umkehrung der Realität, da die Israelis als die »neuen« Nationalsozialisten dargestellt würden, und als eine Umkehrung der Moral, da der Holocaust zu einer Anklage gegen die Juden werde. Die International Holocaust Remembrance Alliance warnt, »Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten« seien Beispiele dafür, wie sich Antisemitismus heute unter dem Deckmantel der Ablehnung Israels manifestieren kann.

Den Weg zum Pogrom bereiten

Seinen Ursprung hatte der Vergleich Israels mit dem Dritten Reich, der israelischen Armee mit der SS, der israelischen Führung mit Hitler usw. in der antisemitisch-antizionistischen Propaganda der Sowjetunion im Kalten Krieg. Nach dem Sechstagekrieg von 1967 wurde er von der westlichen extremen Linken und einigen Kirchen übernommen und ist heute Bestandteil des Diskurses sozialer Bewegungen auf der ganzen Welt, die sich der Zerstörung eines einzigen Staates in der Welt verschrieben haben: des kleinen jüdischen Staates.

Die heutige Normalisierung der Nazi-Analogie bereitet, so bin ich überzeugt, den Weg für antisemitische Pogrome im Westen. Sie erneuert das Kernmotiv des Antisemitismus, Juden seien nicht nur »anders«, sondern auch bösartig. Der Inhalt der unterstellten Bösartigkeit hat sich im Laufe der Zeiten und je nach den Bedürfnissen der Antisemiten verändert: Der »Gottesmörder« der einen Epoche wurde in der nächsten zum »wurzellosen Kosmopoliten«, der jede Nation auflöse, gleichzeitig aber auch zum »sturen Partikularisten«, der dem Universalismus der Aufklärung im Weg stehe. Der »Jude« verwandelte sich im Laufe der Zeit in den »weltbeherrschenden kapitalistischen«, aber auch in den »bolschewistischen Verschwörer«, später verhängnisvoll in den »Untermenschen«, den biologischen Verschmutzer aller Rassen. Heute wird das Kernmotiv der jüdischen Bösartigkeit mit der Nazi-Analogie und durch den antisemitischen Antizionismus für die Ära des jüdischen Staates aktualisiert.

Hitlers große Lüge bestand in der Behauptung, dass »der Jude« dem Vaterland in den Rücken gefallen sei, dadurch Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg verursacht habe und als »internationales Judentum« eine Verschwörung gegen das Volk betreibe. »Der Jude ist unser Unglück«, verkündeten die Nationalsozialisten. Mit dieser großen Lüge ebneten sie den Weg zum Holocaust.

Die vergangenen drei Wochen der Massendemonstrationen gegen Israel, auf denen praktisch verkündet wurde, »der Zionist ist unser Unglück«, waren sehr aufschlussreich. Wir müssen erkennen, dass es unter uns sowohl Menschen gibt, die nur darauf warten, selbst zum Pogrom zu schreiten, als auch solche, die bereitstehen, die Pogrome zu rechtfertigen. Einige dieser Pogrom-Apologeten bekleiden Lehrstühle an unseren Universitäten.

Manche mögen sich nicht viel dabei denken, wenn sie Israelis mit Nationalsozialisten gleichsetzen, andere tun das aber ganz bewusst und mit strategischer Absicht: Diejenigen, die sie einem Pogrom unterwerfen wollen, müssen erst zu Monstern gemacht werden – und niemand ist monströser als die Nationalsozialisten.

Der Text ist auf Englisch in The Telegraph erschienen. Alan Johnson war Professor für demokratische Theorie und Praxis an der Edge Hill University, heute arbeitet er am Britain Israel Communications and Research Centre (BICOM), wo er das vierteljährliche Onlinemagazin Fathom Journal herausgibt.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!