Erweiterte Suche

Hisbollah ist einer der Hauptschuldigen an der Wirtschaftskrise im Libanon

Demonstration anlässlich der Heimkehr Hariris in den Libanon im Jahr 2017
Demonstration anlässlich der Heimkehr Hariris in den Libanon im Jahr 2017 (© Imago Images / Le Pictorium)

Die libanesische Notenbank gibt zu, dass die derzeitige Wirtschaftskrise im Libanon die Folge der politischen Spannungen im Verhältnis zu Saudi-Arabien ist.

Das meldet die auf den Nahen Osten spezialisierte amerikanische Nachrichtenwebsite Middle East Monitor. Sie schreibt:

„Der Gouverneur der libanesischen Zentralbank, Riad Salameh, sagte gestern [11. November], dass der auf Druck der saudischen Behörden erfolgte Rücktritt von Premierminister Saad Hariri im Jahr 2017 die Wirtschaft des Landes negativ beeinflusst hat“

Leider nennt der Beitrag nicht den Anlass der Äußerung und enthält auch nicht den Zusammenhang, in dem Salameh diese Aussage machte. Sie kommt allerdings nicht überraschend. Die Abhängigkeit der libanesischen Wirtschaft von den Golfstaaten und insbesondere von Saudi-Arabien war seit Jahren bekannt.

2008 veröffentlichte der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Studie über die Wahrscheinlichkeit eines libanesischen Staatsbankrotts. Zwei Gründe nannte der Verfasser, die dagegen sprächen: Zum einen seien libanesische Staatsanleihen zum großen Teil in inländischem Besitz, was einen Bankrott „sehr teuer“ mache – gemeint war: ein Staatsbankrott wäre politisch und gesellschaftlich kostspielig, weil er zum Bankrott der libanesischen Geschäftsbanken und zu großem Zorn der inländischen Gläubiger führen könnte.

Als den zweiten Grund, warum ein Staatsbankrott unwahrscheinlich sei, nannte der Verfasser die „implizite Garantie“ der libanesischen Staatsschuld: Gläubiger nähmen an, dass reiche Geldgeber aus dem Ausland den libanesischen Staat stützen und einen Bankrott verhindern würden, sollte dies nötig sein. Das hatten diese nämlich in der Vergangenheit auch getan.

Saudische Hilfe in der Vergangenheit

Als die libanesische Wirtschaft etwa 2006 unter den Folgen des Kriegs der Hisbollah gegen Israel litt, waren Saudi-Arabien und Kuwait schnell zur Stelle gewesen und hatten elf Tage nach Ausbruch des Konflikts bei der libanesischen Notenbank 1,5 Milliarden Dollar an Einlagen gemacht. In der Folge waren die Preise für die Absicherung libanesischer Staatsanleihen an den Terminmärkten (Credit Default Swaps, CDS), die nach Beginn des Krieges deutlich gestiegen waren, wieder zurückgegangen, was das zurückkehrende Vertrauen der Gläubiger zeigte.

2008 überwies Saudi-Arabien eine weitere Milliarde. Im selben Jahr warnte der IWF aber in dem genannten Bericht: „Diese implizite Garantie spiegelt geopolitische Betrachtungen wider, die sich in der Zukunft ändern könnten.“ Das sollte heißen: Haben Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten kein politisches Interesse mehr daran, den Libanon zu stützen, dann wird auch ihr Portemonnaie nicht mehr locker sitzen.

Abgekühltes Verhältnis

So ist es gekommen. Weil der Libanon seit Jahren immer mehr zum Spielplatz der Hisbollah und des iranischen Regimes wird, ist das Verhältnis zwischen Beirut und Riad abgekühlt, erst politisch, dann wirtschaftlich.

Die enge Anbindung des Landes an die wohlhabenden Golfstaaten reicht bis in die 1970er Jahre zurück. Damals begann dort der Ölboom, von dem viele libanesische Staatsbürger profitierten, unter ihnen der Bauunternehmer und spätere libanesische Ministerpräsident Rafiq Hariri (der Vater des kürzlich zurückgetretenen Ministerpräsidenten Saad Hariri), der auch die Staatsbürgerschaft Saudi-Arabiens annahm und sogar Botschafter des Königreichs in London wurde (er wurde 2005 in Beirut ermordet).

Zwischen 2003 und 2015 waren drei Golfstaaten – Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait – für 77 Prozent der ausländischen Direktinvestition im Libanon verantwortlich. Rücküberweisungen libanesischer Gastarbeiter, die in den Golfstaaten arbeiten, und das Geld von Touristen aus den Golfstaaten vergrößern die Abhängigkeit.

Als ökonomisches Anhängsel der Golfstaaten leidet auch der Libanon unter den seit Jahren relativ niedrigen Ölpreisen. Erschwerend hinzu kommt das berüchtigt schlechte Elektrizitätsnetz, die Folgen des syrischen Bürgerkriegs – und eben auch die Abkühlung des politischen Verhältnisses zu den Golfstaaten. Wenn es die „implizite Garantie“ nicht mehr gibt, wird es für libanesische Banken auch immer schwieriger, anderweitig Kapital aufzutreiben. „Keine vernünftige oder normale Person wird unter den derzeitigen Umständen Geld in den Libanon transferieren“, sagte der britisch-libanesische Bankenberater Hani Salem gegenüber dem amerikanischen Fernsehsender CNBC.

Feste Bindung an den Dollar

Stetige Kapitalzuflüsse sind aber nötig, weil durch das hohe Außenhandelsdefizit ständig Geld ins Ausland abfließt. In einem System freier Wechselkurse hätte das längst zu einem Einbruch der Währung geführt. Dies hätte Importe teurer gemacht und Ausfuhren verbilligt. Das Außenhandelsdefizit hätte sich in der Folge automatisch verringert – freilich um den Preis erzwungener Austerität, sprich: Preisinflation, niedrigeres Warenangebot, gedrosselter Konsum.

Die Ende der 1990er Jahre von Ministerpräsident Rafiq Hariri ernannten Ökonomen in der Notenbank verordneten dem Libanon aber ein System starrer Wechselkurse. Das Libanesische Pfund (LBP) ist seither fest an den Dollar gekoppelt: 1,507 LBP sind ein US-Dollar. In der Praxis heißt das, dass die Notenbank jederzeit genug Dollar vorrätig halten muss, um das Libanesische Pfund zu genau diesem Kurs ankaufen zu können. Wie bei den Währungskrisen, die es in den 1990er Jahren in Mexiko, Südostasien und Argentinien gab, offenbart sich die Krise des Systems fester Wechselkurse zuallererst darin, dass die Notenbank nicht mehr in der Lage ist, dieses Versprechen einzuhalten. In der Folge gehen auch den Geschäftsbanken die Dollars aus.

Die Lage ist im Libanon besonders brisant, weil der Dollar die Parallelwährung des Landes ist. Die Preise auf den Speisekarten der Restaurants sind in Pfund und Dollar ausgezeichnet, viele Kredite und Verträge lauten aber nur auf Dollar. Weil der Libanon immer weniger davon hat, haben auch die einzelnen Banken weniger und verhängen immer niedrigere Höchstgrenzen für Abhebungen; derzeit sind es bei den großen Banken 300 bis 500 Dollar pro Woche – wenn die Filiale denn überhaupt Dollar hat. Die Washington Post berichtet:

„Seit Wochen spucken Geldautomaten Bankkarten wieder aus, weigern sich, Dollars an die auszuzahlen, die sie begehren. Mieter in Panik bitten ihre Vermieter, die Miete in Pfund bezahlen zu können, doch die weigern sich, die örtliche Währung anzunehmen, die immer weiter an Wert verliert. Einige Restaurants und Cafés akzeptieren keine Kreditkarten mehr und verlangen stattdessen Barzahlung. Andere haben ihre Speisekarte verkleinert, da sie nicht in der Lage sind, importierte Güter in Dollar zu bezahlen.“

Der Chef des Bankenverbands sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die Beschränkung der Abhebungen sei „ein Zaun, um das System zu schützen“, solange, „bis die Situation zur Normalität zurückgekehrt ist“. Das heißt: Solange, bis ein Geldgeber aus dem Ausland neue Dollars schickt.

Keine Kredite ohne Stabilität

Wer aber wird das sein? Der Bankenverband beruhigt: Die Ersparnisse seien sicher. Nur kommen die Bürger nicht an sie heran. Wie ist das möglich? Die Wahrheit ist, dass die Ersparnisse nur auf dem Papier existieren, weil die libanesischen Banken de facto zahlungsunfähig sind. Eine Wahrheit, die sie aber nur scheibchenweise eingestehen, in der Hoffnung, dass von irgendwoher Hilfe kommen wird, ehe der letzte Dollar verschwunden ist.

Um seine Wirtschafts- und Währungskrise zu beenden, wird der Libanon nicht ohne die Hilfe des IWF auskommen. Der aber wird einen berechenbaren Partner verlangen. Solange im Libanon eine Terrormiliz regiert, ist der Libanon kein vertrauenswürdiger Schuldner. Die Entwaffnung der Hisbollah ist die Voraussetzung für die Lösung aller anderen Probleme.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!