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Juden haben den Holocaust provoziert, erklären palästinensische Funktionäre immer wieder

Fatah-Funktionär Jassir Abu Sido behauptet, Juden hätten Holocaust selbst provoziert
Fatah-Funktionär Jassir Abu Sido behauptet, Juden hätten Holocaust selbst provoziert (Quelle: Facebook)

Den Juden die Schuld für die Taten ihrer Verfolger zu geben ist nicht nur eine Beleidigung, sondern stachelt zu weiterer Gewalt auf, indem alles gerechtfertigt wird, was Terroristen ihren Opfern in Zukunft antun werden. 

Rafael Medoff

Die palästinensischen Führer scheinen sich nicht entscheiden zu können, was den Holocaust betrifft. Manchmal sagen sie, er habe nie stattgefunden. Manchmal sagen sie, er sei zwar geschehen, aber Israels Verhalten sei noch schlimmer. Und manchmal – wie etwa vergangene Woche – sagen sie, die Juden hätten den Holocaust selbst provoziert.

Jassir Abu Sido, ein hoher Beamter der Regierungspartei Fatah der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), sagte am 23. Februar in einer ägyptischen Fernsehsendung, dass »Hitler offensichtliche Gründe« gehabt hätte, den Holocaust zu begehen. Das eigene provokative Verhalten der Juden sei der Grund gewesen, so Abu Sido. »Sie planten, die Kontrolle über Deutschland zu übernehmen. Sie begannen, Deutschland wirtschaftlich und moralisch zu ruinieren.« Deshalb habe »Hitler reagiert, indem er die Juden auf die Straße gehen und die Bürgersteige ablecken ließ. Sie wissen das alles sehr gut.«

Mahmud Abbas’ fixe Idee

Abu Sidos Ansatz, den Juden selbst die Schuld am Holocaust zu geben, erinnert an Worte, die der Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas wiederholt geäußert hat. In einer Rede vor dem Palästinensischen Nationalrat am 30. April 2018 etwa erläuterte Abbas die »Gründe«, weshalb Juden im Laufe der Geschichte massakriert worden seien, von den Pogromen des Mittelalters bis zum Holocaust. 

Zunächst wies Abbas die Idee zurück, Antisemitismus habe etwas mit den Verfolgungen zu tun. »Warum ist das passiert? Sie sagen: Das war, weil wir Juden sind‹, aber das muss falsch sein«, denn »es gab auch Juden in arabischen Ländern. Warum gab es nicht einen einzigen Vorfall gegen Juden [dort], weil sie Juden sind? Kein einziges Mal« habe es solche antisemitischen Vorfälle in der arabischen Welt gegeben, meinte der PA-Präsident unter Behauptung einer offensichtlichen Unwahrheit. [Siehe dazu das Mena-Watch-Dossier Nr. 6: Vergessene Tragödie: Die jüdische »Nakba«.]

Der wahre Grund für den Holocaust, so Abbas weiter, sei das eigene »soziale Verhalten der Juden, die Einhebung von Zinsen und andere finanzielle Angelegenheiten« gewesen. Diese jüdischen Handlungen seien es, welche die Nazis provoziert hätten, behauptete er.

Erst im vergangenen Jahr wiederholte der Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde diese Sichtweise in einer Rede vor dem Revolutionsrat der Fatah. »Sie sagen, dass Hitler die Juden getötet hat, weil sie Juden waren und dass Europa die Juden hasste, weil sie Juden waren. Das stimmt nicht«, so Abbas am 24. August. Die Nazis hätten die Juden »wegen ihrer sozialen Rolle und nicht wegen ihrer Religion bekämpft. Die [Nazis] bekämpften diese Menschen wegen ihrer Rolle in der Gesellschaft, die mit Wucher, Geld und so weiter und so fort zu tun hatte.« 

Irgendwie koexistiert dieser Gedankengang in Abbas’ Kopf friedlich neben der Ansicht, die er in seiner berüchtigten Dissertation Die andere Seite: Die geheime Beziehung zwischen dem Nazismus und dem Zionismus, die 1984 als Buch veröffentlicht wurde, dargelegt hat. Darin behauptet er, dass weniger als eine Million Juden von den Nationalsozialisten umgebracht worden und sie Opfer einer geheimen Partnerschaft zwischen David Ben-Gurion und Adolf Hitler geworden seien. 

Als er 2013 von einem libanesischen Fernsehreporter auf sein Buch angesprochen wurde, beharrte Abbas darauf, zu dem zu stehen, was er geschrieben hatte und er sogar »siebzig weitere Bücher zu diesem Thema geschrieben habe, die ich noch nicht veröffentlicht habe«.

Geschichtsklitterung mit Zukunft

Es ist schon schlimm genug, dass führende Persönlichkeiten der Palästinensischen Autonomiebehörde wie Mahmud Abbas und Jassir Abu Sido so verrückte Dinge glauben. Aber es geht dabei um mehr als nur um eine groteske Verzerrung der Vergangenheit und der Geschichte: Diese Rhetorik kann dazu beitragen, den Boden für weitere Gräueltaten zu bereiten, denn die Logik, die hinter den Holocaust-Kommentaren von Abbas und Abu Sido steckt, ist der Position, die sie und ihre PA-Kollegen zum Hamas-Pogrom vom 7. Oktober eingenommen haben, bemerkenswert ähnlich.

Abbas und andere PA-Führer haben den 7. Oktober als »Antwort auf die Besatzung« bezeichnet. Sie sagten, der Angriff sei »nicht in einem Vakuum geschehen«. Sie haben den Gazastreifen als ein »Gefängnis« dargestellt, aus dem die Hamas »ausbrechen« wolle. Jede dieser Rechtfertigungen ist eine andere Art zu sagen, dass Israels eigenes Verhalten für die Provokation des Angriffs verantwortlich sei.

In gewissem Sinne ist Abbas konsequent: Die Juden haben die Pogrome des Mittelalters provoziert. Die Juden haben den Holocaust provoziert. Und die Juden haben die Morde, Gruppenvergewaltigungen und Enthauptungen vom 7. Oktober provoziert. Das ist der rote Faden, der sich durch sein gesamtes Denken zu diesen Themen zieht.

Die Juden für die Taten ihrer Verfolger verantwortlich zu machen ist nicht nur eine weitere Beleidigung für die Verletzungen, die der Pogrom-Mob den Opfern zugefügt hat. Diese Täter-Opfer-Umkehrung stachelt vielmehr zu weiterer Gewalt auf, indem sie alles rechtfertigt, was arabische Terroristen den Juden in Zukunft antun werden. Eine solch extreme und irrationale Sichtweise, die von den PA-Führern propagiert, von den PA-kontrollierten Medien verbreitet und in den PA-geführten Schulen gelehrt wird, dürfte die größte Bedrohung für die Hoffnungen auf einen palästinensisch-israelischen Frieden sein.

Rafael Medoff ist Gründungsdirektor des David S. Wyman Institute for Holocaust Studies(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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