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Der Corona-Antisemitismus in Europa nimmt stark zu

Rodrigo Sousa e Castro auf der Gedenkveranstaltung des Ärzteordens für die Nelkenrevolution in Portugal
Sousa e Castro (re.) auf der Gedenkveranstaltung des Ärzteordens für die Nelkenrevolution in Portugal (© Imago Images / GlobalImagens)

Keine Woche vergeht, ohne dass eine Person des öffentlichen Lebens das Thema „Corona-Impfstoff“ benutzt, um Israel zu diffamieren. Die jüngsten schockierenden Beispiele kommen aus Norwegen und Portugal.

Rekapitulieren wir zuerst die Vorgeschichte: Am 26. Dezember 2020 begann Israel damit, die ersten Senioren, Ärzte, Krankenschwestern und chronisch Kranken zu impfen. Schon neun Tage vorher, am 17. Dezember, hatte eine vierköpfige Gruppe von Autoren der Nachrichtenagentur AP in einem von großen Zeitungen in aller Welt gedruckten Bericht Israel vorgeworfen, die Palästinenser beim Impfen sträflich zu vernachlässigen.

Und das, obwohl laut Osloer Abkommen die Palästinensische Autonomiebehörde für die Impfung ihrer Bürger verantwortlich ist. Und obwohl die PA schon am 12. Dezember – also vor dem AP-Artikel – verkündet hatte, dass sie keine Impfstoffe von Israel wolle und diese auch gar nicht benötige, weil sie selbst bereits vorgesorgt und alles Nötige in die Wege geleitet habe.

Wie bekannt geworden ist, schickt die Palästinensische Autonomiebehörde auch Impfstoff nach Jordanien. Wahrscheinlich, damit auch die in Jordanien lebenden PLO-Terroristen im Ruhestand geimpft werden können, etwa die zweifache Flugzeugentführerin Leila Khaled, die Supermarktbomberin Rasmea Odeh und Ahlam Tamimi, die Drahtzieherin des Pizzeria-Sbarro-Massakers vom 9. August 2001.

Um die Schuld auf Israel zu lenken, versuchen vermeintliche Menschenrechtsorganisationen nun auch noch, die ohnehin schleppend anlaufende Impfkampagne der PA dadurch zu sabotieren, dass sie den von dieser bestellten russischen Impfstoff Sputnik V für unzulässig erklären. Dass Menschen sterben könnten, weil sie einen Impfstoff dämonisieren, der offenbar sicher und wirksam ist, ist den Israelhassern egal.

„Juden, die die Finanzwelt dominieren“

Die Impfneidkampagne gegen Israel geht einher mit Verschwörungstheorien aus dem Repertoire des klassischen Antisemitismus. Da ist zum Beispiel Rodrigo Sousa e Castro, einer der Offiziere, die 1974 im Zuge der „Nelkenrevolution“ die Diktatur stürzten. Er ist in Portugal ein Nationalheld.

Wie u.a. die israelische Nachrichtenwebsite Times of Israel berichtet, verbreitete Sousa e Castro am 7. Februar in einem Tweet, den er später löschte, folgende Hypothese über die Ursachen der Knappheit der Impfstoffe gegen COVID-19:

„Die Juden, die die Finanzwelt dominieren, haben alle Impfstoffe gekauft, die sie wollten, und besitzen sie nun. Es ist eine Art historische Rache. Mehr werde ich nicht sagen, weil sich sonst die zionistischen Bulldoggen auf mich stürzen.“

Die wirre Anspielung ist offenbar so zu verstehen, dass Israel nicht nur Impfstoffe kauft, die es zum Impfen seiner Bevölkerung braucht, sondern obendrein Impfstoffe hortet, die es gar nicht benötigt, aus purer Bosheit, damit der Rest der Welt weniger davon hat und viele leer ausgehen.

Es ist manchmal erstaunlich, wie viele der klassischen antisemitischen Bilder auf engstem Raum miteinander kombiniert werden können. Hier haben wir:

  • Juden dominieren die Finanzwelt
  • Juden tun Böses um des Bösen willen
  • Juden verschärfen durch Handel in Krisenzeiten („Schieber“, „Spekulanten“, „Kriegsgewinnler“) Not und Mangel.
  • Juden sind auf („alttestamentarische“) Rache aus
  • Juden handeln kollektiv und generationsübergreifend, nehmen gemeinsam „historische Rache“

„Nicht die Juden, sondern die Zionisten gemeint“

Später rechtfertigte sich Sousa e Castro, er habe die „Zionisten“ in „Palästina“ gemeint, und schrieb: ein Beitrag, in dem er „über den Zionismus und seine Verbrechen in Palästina“ gesprochen habe, habe dazu geführt, dass „eine Legion von Nazi-Zionisten“ seine Twitter-Seite heimgesucht habe. „Inzwischen ist die Seite desinfiziert.“

Auf den ursprünglichen Tweet von Sousa e Castro antwortete der israelische Botschafter in Portugal ebenfalls auf Twitter:

„Als eine stolze zionistische Bulldogge kann ich versprechen, dass wenn Israel ein Heilmittel gegen COVID-19 entwickelt, Oberst Sousa e Castro Zugang dazu haben wird, wenn er es benötigen sollte.”

Sousa e Castro erwiderte:

„Vielen Dank. Einerseits habe ich schon, vergeblich, versucht, klarzustellen, dass es falsch war, allgemein über Juden zu sprechen und dafür entschuldige ich mich. Auf der anderen Seite biete ich das Heilmittel einem Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten an.“

Die vermeintlich großmütige Geste ist natürlich geheuchelt: Weder gibt es ein solches israelisches Heilmittel jetzt schon noch braucht Sousa e Castro es im Augenblick. Sollte es in einem Jahr existieren und Sousa e Castro es dann benötigen, müsste der Dialog noch einmal geführt werden, auf einer dann ganz anderen Grundlage.

Dann würde er es sicherlich ebenso annehmen wie der Fatah-Funktionär Saeb Erekat, der Israel „Apartheid“ unterstellt hatte, sich aber nach seiner Erkrankung an COVID-19 doch gern in einem israelischen Krankenhaus behandeln ließ (aufgrund seiner Vorerkrankungen und des schweren Krankheitsverlaufs konnten leider auch die israelischen Ärzte nicht mehr helfen) – so, wie schon viele Fatah- und Hamas-Führer und deren Verwandte vor ihm.

Sousa e Castros Verweis auf den „Palästinenser“, der das Medikament bekommen solle, soll beim Leser das Gefühl wecken, dass Israel dafür verantwortlich wäre, dass die Impfung der Bevölkerung in den Palästinensischen Autonomiegebieten nur schleppend vorankommt.

„Ignoranz gegenüber Geschichte und Tatsachen“

„Als portugiesischer Bürger beschämt mich dieser hässliche Kommentar von Oberst a.D. Sousa e Castro“, sagt Fernando Soares Loja (62), Rechtsanwalt in Lissabon, Vorsitzender einer baptistischen Kirchengemeinde und seit 2005 Vizepräsident der Kommission für Religionsfreiheit, die die Regierung und das Parlament berät, gegenüber Mena-Watch.„Viele Leute waren von seinen Äußerungen überrascht.“

In welches ideologische Milieu würde er Sousa e Castro einordnen? „Er ist weder ein Kommunist noch ein Nazi. Im Gegenteil stand er sein ganzes Leben lang sozialdemokratischen und sozialistischen Politikern nahe“, sagt Loja. Man könne seine Ansichten nur mit „großer Ignoranz gegenüber der wirklichen Geschichte und politischen Tatsachen“ erklären.

„Es ist eine Schande, dass er ein altes antisemitisches Stereotyp benutzt hat, um zu erklären, warum Israel auf einem Gebiet erfolgreich ist, auf dem Portugal und andere Länder versagen.“ Mit seinen Äußerungen über Israel und den Zionismus stehe Sousa e Castro in Portugal allein da, glaubt Loja.

Allerdings sei das Bild, das die Bevölkerung von Israel habe, durch einseitige Presseberichterstattung geprägt: „Die portugiesischen Medien informieren ihr Publikum nicht darüber, was in Israel passiert. Über Israel sprechen sie nur, wenn es einen ‚arabischen Teenager’ gibt, der ‚gegen die Besatzung kämpft’. Aus diesem Grund sind selbst gebildete Leute wie dieser Oberst a.D. sehr unwissend, was die Geschichte Israels betrifft.“

Die meisten Leute in Portugal hätten etwa „noch nie etwas von der Balfour-Deklaration gehört“, gibt Loja zu bedenken, oder von den „vielen Versuchen Israels, mit seinen Nachbarn dauerhaft Frieden zu schließen“. „Portugal ist nicht der Iran, aber die Medien sind sehr voreingenommen. Die Information ist gefiltert.“

Zudem spreche die Mehrheit der Bevölkerung nicht fließend Englisch und rezipiere daher keine internationalen Nachrichtenquellen. Das, so Loja, „könnte die ignoranten und skandalösen Kommentare dieses ehemaligen Helden erklären, ohne sie zu rechtfertigen.“

„Wünschte, die Impfung würde nicht funktionieren“

Verleumdungen des Staates Israel im Zusammenhang mit dessen im internationalen Vergleich erfolgreichen Impfprogramm haben das Ziel, alle Nachrichten, in denen Israel gut dasteht, in ihr Gegenteil zu wenden. Es darf nie etwas Gutes über Israel gesagt werden. Ein Musterbeispiel dafür ist Shaun Henrik Matheson, Moderator einer Morgensendung auf NRK P13, einem Radiosender des staatlichen norwegischen Rundfunks NRK.

Wie die jüdisch-amerikanische Website Algemeiner berichtet, sagte Matheson seinen Hörern, die israelischen Erfolge beim Impfen seien nur dann eine gute Nachricht, „wenn wir nur an uns selbst denken und all die Misshandlungen und Morde vergessen, die Israelis gegen das palästinensische Volk verüben“. Er fuhr fort:

„Also offensichtlich zeigen die Zahlen aus Israel, dass von mehr als einer Million vollständig geimpfter Personen weniger als 1.000 sich angesteckt haben. Egal, wie man es dreht, das ist eine gute Nachricht. Ich wünschte nur, sie käme aus einem anderen Land, wenn ihr wisst, was ich meine. Es ist fast, als würde ich wünschen, dass die Impfung nicht funktioniert. Das darf man aber nicht sagen. Sorry, das verstehe ich. Verdammt.“

Dann brachte Matheson laut Algemeiner die widerlegten Gerüchte darüber, dass Israel der Palästinensischen Autonomiebehörde den Impfstoff verweigere, und fuhr fort: „Wir dürfen nie vergessen, was für ein beschissenes Land Israel ist, das ist wirklich extrem wichtig. Wir dürfen nie vergessen, was für ein beschissenes Land Israel ist!“

Laut Algemeiner hat NRK mitgeteilt, die Sendung aus dem Archiv zu nehmen. Konsequenzen für den Moderator werde es aber nicht geben.

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