Erweiterte Suche

Markus Stephan Bugnyar: Eine Ausnahme von den üblichen vorweihnachtlichen Rührstücken

Markus Stephan Bugnyar vor dem Österreichischen Hospiz in Jerusalem
Markus Stephan Bugnyar vor dem Österreichischen Hospiz in Jerusalem (Imago Images / IMAGO / epd)

Der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, Markus Stephan Bugnyar, berichtete vor Weihnachten gleich zwei Mal über die Lage in Israel und den Palästinensergebieten.

In der vergangenen Woche machte der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem gleich zweimal von sich reden. Einmal, als er in der ORF-Nachrichtensendung ZiB 2 vom 22. Dezember in ungewohnter Eindeutigkeit – und zur offensichtlichen Verwunderung der Moderatorin – aussprach, wer die Verantwortung für die aktuelle Lage in Gaza und den herrschenden Krieg trage.

Obwohl Israel diesen Krieg nicht gewollt habe, in den es von der Hamas hineingezwungen wurde, erläuterte Markus Stephan Bugnyar, bestehe im Land überhaupt kein Zweifel, dass dieser Krieg solange geführt werden muss, bis die Verantwortlichen für das Massaker vom 7. Oktober zur Verantwortung gezogen seien und es der Hamas unmöglich gemacht werde, solch einen Terrorangriff zu wiederholen.

Es sei, hielt Bugnyar fest, die Terrororganisation gewesen, die den noch am 6. Oktober bestehenden Waffenstillstand gebrochen habe, weswegen der Ball auch eindeutig bei der Hamas liege: »Es liegt an ihr, dieses Drama auch zu beenden, aber offensichtlich haben sie nur ein überschaubares Interesse am Schicksal ihrer eigenen Bevölkerung im Gazastreifen.«

Selbst auf Israels Angebote, die Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu verdreifachen, sei kein Zeichen des Entgegenkommens seitens der Hamas gesetzt worden. »Aber die Hamas hält offensichtlich nicht nur Israelis als Geiseln, sondern auch ihre eigene Zivilbevölkerung, hinter der sie sich versteckt und die sie als Schutzschild missbraucht für ihr Tun und ihre Aktionen.« Die kommenden Ereignisse hingen also, so Bugnyar zusammenfassend, vom Wohlwollen der Hamas ab, welche die Verantwortung für die Situation vor Ort trage.

Die Lage der Christen vor Ort

Am 24. Dezember nahm Bugnyar sich dann in ähnlicher Wiese kein Blatt vor den Mund, als er in einem Bericht für die Kleine Zeitung die Lage rund um das Weihnachtsfest in Israel und den Palästinensergebieten beschrieb. Offiziell seien die Weihnachtsfeierlichkeiten von den arabischen Behörden und christlichen Bischöfen aus »Solidarität mit den Opfern« abgesagt worden. Dabei stünden in erster Linie die palästinensischen Opfer im Gazastreifen im Blick, aber auch die toten und Verletzten Israelis – »je nachdem, wie ›mutig‹ der Unterzeichner eines solchen Bescheids ist«, gab der österreichische Theologe einen ersten Hinweis darauf, dass das Mitleid mit den Opfern vor Ort unterschiedlich verteilt ist. 

Insofern beschleiche ihn der Verdacht, so Bugnyar weiter, dass es für das anberaumte »Weihnachten auf Sparflamme« auch andere Gründe gibt als nur das Mitgefühl in Zeiten des Kriegs. Christen in der Region seien in einer Minderheitenposition, sodass allzu rauschende Weihnachtsfeiern mit »überbordendem Missfallen» seitens der muslimischen Nachbarn wahrgenommen werden könnten. Die Absagen der Weihnachtsfeiern seien also auch als Selbstschutzmaßnahme der christlichen Minderheit zu verstehen, was man als Eingeweihter zwischen den Zeilen der offiziellen Begründungen auch lesen könne.

Bereits in normalen Zeiten sei das Miteinander für Christen vor Ort fragil und erfordere einen rhetorischen Spagat: Erklärten sich daraus die üblichen »weichgespülten Texte, die niemandem wehtun«, so verhärteten sich im Krieg die Fronten: »Jedes Wort will wohlüberlegt sein. Es könnte den Tod bedeuten«, spricht Bugnyar schonungslos aus, unter welchem Druck die christliche Minderheit unter den Palästinenser zu leben hat.

Als Beispiel nennt der Rektor des Österreichischen Hospiz die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung, die – unabhängig von der Situation vor Ort und wider besseres Wissen – nicht nur im Westen wie ein Mantra wiederholt werde, sondern Bugnyar kenne auch »keinen Bischof im Heiligen Land, der dafür nicht auch auf die Barrikaden steigen würde – in der Theorie.« Dies geschehe allerdings nur, weil diesen Bischöfen bewusst ist, was ihre »muslimischen-palästinensischen Nachbarn« von ihnen erwarten. 

In der Praxis frage sich nicht nur der Klerus, sondern auch seine christliche Gefolgschaft, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, welchen Rechtsstatus die christliche Minderheit in dem hier geforderten künftigen Staat Palästina haben würde. Wird es ein gleichberechtigter sein oder einer als Bürger zweiter Klasse? »Niemand hier hat die Anschläge auf christliche Einrichtungen in Ägypten unter Präsident Morsi vergessen; mit der Hamas eint ihn der ideologische Boden der Muslimbruderschaft.«

Mit seinem Hinweis auf die Hauptquelle der Probleme von Christen in den Palästinensergebieten unterscheidet sich Markus Stephan Bugnyars Kommentar wohltuend von den üblichen weihnachtlichen Rührstücken, in denen zwar die schlechte Lage in Bethlehem und anderen Städten geschildert, der Hauptverantwortliche in aller Regel aber nicht genannt wird – wenn nicht gar Israel die Hauptschuld an der tristen Situation für die Christen zugeschanzt wird.

Dies ist ein Auszug aus unserem Newsletter vom 27. Dezember. Wenn Sie den nächsten Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich an!

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!