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Israelboykott-Kampagne BDS: Der Kampf gegen Juden, die sich nicht unterwerfen

BDS in Aktion: Amy Winehouses Davidstern von Antisemiten mit Palästina-Flagge überklebt
BDS in Aktion: Amy Winehouses Davidstern von Antisemiten mit Palästina-Flagge überklebt (© Imago Images / Pond5 Images)

Der Sänger Matisyahu ist wieder einmal unter Beschuss der antisemitischen BDS-Bewegung geraten. Und auch Amy Winehouse wurde posthum zum Opfer der Palästina-Solidarität.

Der bekannte, jüdisch-amerikanische Musiker Matisyahu ist wieder einmal unter Beschuss der antisemitischen Israelboykott-Kampagne BDS geraten: Gleich zwei Veranstalter, der eine in Tucson, Arizona, der andere in Santa Fe, New Mexico, sagten nur Stunden vor den geplanten Konzerten des Künstlers ab und begründeten die plötzlichen Stornierungen damit, dass die Sicherheit angeblich nicht zu gewährleisten sei – eine Erklärung, die ihnen der Sänger nicht glaubte.

Matisyahu kombiniert in seiner Musik Elemente des Reggae und des Hip-Hop. Zu seinen bekanntesten Songs gehört One Day, eine optimistische Hymne für Frieden und gegenseitige Wertschätzung, die den Glauben ausdrückt, dass Gewalt und Hass »eines Tages« der Vergangenheit angehören werden. 

In seinen frühen Zwanzigern war der 1979 in West Chester, Pennsylvania, geborene Matisyahu eine Zeitlang streng religiös und erregte als weltweit einziger »chassidischer Rapper« Aufsehen. Anfang des letzten Jahrzehnts änderte er seine Weltsicht, entfernte seinen Bart, färbte sich die Haare und trat ohne Kippa in der Öffentlichkeit auf. Er war moderat religiös, beinahe säkular geworden. Religiöse Gesetze seien für ihn »Werkzeuge«, erklärte er 2013 in einem Interview mit Times of Israel; er nehme sich, was ihm hilfreich sei.

Derzeit ist Matisyahu auf einer Tournee durch die USA und gibt fast jeden Abend ein Konzert. Am 15. Februar hätte er im Rialto Theatre in Tucson auftreten sollen. Stattdessen lasen die Fans an jenem Tag auf der Website des Veranstaltungsortes folgenden Hinweis: »Aufgrund von Sicherheitsbedenken und Mitarbeitermangel ist das Rialto Theatre nicht in der Lage, den für heute Abend, den 15. Februar, geplanten Auftritt Matisyahus durchzuführen. Wir werden stets der Sicherheit unserer Angestellten und Gäste Priorität geben.« Das Unternehmen entschuldigte sich bei allen, die Tickets erstanden hatten und versprach, dass sie ihr Geld zurückbekämen.

Am Abend zuvor hatte der Konzertveranstalter Meow Wolf in Santa Fe das dort geplante Konzert nur eine halbe Stunde vor dem geplanten Beginn abgesagt, berichtete die New York Post unter Berufung auf die Berichterstattung des lokalen Fernsehsenders KOAT-TV in Albuquerque. Mehr als 150 Mitarbeiter des Veranstaltungsorts hätten sich »besorgt über ihre Sicherheit« geäußert, »nachdem sowohl pro-palästinensische als auch pro-israelische Demonstranten zu dem ausverkauften Konzert des Reggae-Künstlers erwartet wurden«, so die Zeitung.

Matisyahu widerspricht Veranstaltern

Matisyahu deutete in den sozialen Medien an, dass seine Konzerte Ziel eines Boykotts geworden waren. Am 15. Februar teilte er seinen Fans über X und Instagram mit, dass sich von den Veranstaltern engagierte Mitarbeiter geweigert hätten, zur Arbeit zu erscheinen, was zu den Konzertabsagen geführt habe. »Ohne unsere Genehmigung oder Billigung hat der Veranstalter in Santa Fe unsere Fans falsch informiert, dass das Konzert wegen ›Sicherheitsbedenken‹ abgesagt worden sei, obwohl die einzige Sorge war, dass eine Gruppe von Mitarbeitern nicht willens war, zu meiner Show zu erscheinen.«

Was das für den Abend des 15. Februar eigentlich geplante Konzert in Tucson betreffe, so habe er angeboten, das Problem eines etwaigen Mitarbeitermangels zu lösen, indem er aus eigener Tasche anderes Personal anheure, doch der Veranstalter habe abgelehnt. Warum? Matisyahu schrieb: »Sie tun dies entweder, weil sie antisemitisch sind oder weil sie ihre Empathie mit dem palästinensischen Volk mit Hass auf jemanden verwechseln, der wie ich Empathie für Palästinenser und Israelis gleichermaßen hat.«

Es sei »traurig«, so der Sänger, »wenn an die Stelle eines Dialogs mit denjenigen, mit denen man nicht übereinstimmt, das Schüren von Hass und das Knebeln künstlerischen Ausdrucks treten«. Leider scheine es, dass es mehr und mehr Leute gebe, die auf Aktionen setzten, »die die Menschen entzweien«. Dadurch würden er und seine Band sich aber nicht davon abhalten lassen, Songs zu spielen, »die Einigkeit, Frieden und Beharrlichkeit feiern«. Er werde nicht »auf Hass mit noch mehr Hass« antworten, sondern verspreche lediglich, dass er bald zurück sein werde, um wieder auf die Bühne zu gehen. »Wir werden wieder gemeinsam One Day singen.«

»Israelfeindliche Cancel Culture«

Vonseiten der Veranstalter kamen nur vage Statements. Die Geschäftsführerin des Rialto, Cathy Rivers, erklärte gegenüber NBC News, dass es bei der Entscheidung, die Show abzusagen, »nicht um Politik oder Religion ging; diese Entscheidung wurde aus Sicherheitsgründen getroffen«.

Die »Tagestemperatur« – was immer diese Metapher bedeuten mag – habe sich geändert. »Der Ton wurde nicht von uns vorgegeben. Dies eskalierte zu einer Sorge um die Sicherheit unserer Gäste, unserer Mitarbeiter und unserer Gemeinde«, sagte sie. »Wir haben Matisyahu schon oft in unserem Theater zu Gast gehabt, aber heute war nicht der richtige Tag, um ihn spielen zu lassen. Er wurde vollständig bezahlt, und alle Karteninhaber können ihre Tickets zurückerhalten.«

Meow Wolf in Santa Fe teilte NBC News mit, der Auftritt wurde abgesagt, weil »wir zwei Stunden vor Beginn der Show feststellen mussten, dass wir nicht genügend Personal hatten, um die ausverkaufte Menge sicher zu verwalten.«

Ritchie Torres, Abgeordneter der Demokraten im Repräsentantenhaus, kritisierte die Absage auf X: »Matisyahu, ein jüdischer Musiker, musste seinen Auftritt absagen, nur weil israelfeindliche Mitarbeiter seinen Auftritt boykottierten, der nichts mit Israel zu tun hatte. Ein Lehrbuchbeispiel für Antizionismus, der in Antisemitismus umschlägt. Seit wann ist ein Auftritt als Jude in Amerika ein Grund für eine Absage? Amerikas israelfeindliche Cancel Culture bei der Arbeit.« »Konstruktive Kritik an Israel« sei legitime Meinungsäußerung, so Torres weiter. Doch »Juden und Israelis zu boykottieren, einfach nur, weil sie Juden und Israelis sind, ist pure Diskriminierung. Amerika sollte null Toleranz für Diskriminierung haben.«

Am 17. Februar meldete sich ein glücklicher Matisyahu in den sozialen Medien, dass Ausweichorte gefunden wurden, noch dazu bei kostenlosem Eintritt für die Fans. Auf X zeigte Matisyahu ein kurzes Video, das vor einem der beiden Konzerte aufgenommen wurde. Man sieht eine Warteschlange, einige Besucher schwenken fröhlich israelische Flaggen. 

Matisyahus Kommentar: »Der Matis-Stamm ist nicht zu stoppen. Ich bin in diesem Augenblick so stolz und verliebt in die Fans. Sie haben uns im Rialto Theatre abgesagt, und mein Kumpel Joe vom legendären Veranstaltungsort The Rock war froh, unser Gastgeber zu sein. Keine Sicherheitsprobleme. Keiner hat Angst. Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen oder aufhalten. Wenn ein Veranstaltungsort Personal hat, das Angst davor hat, sich gegen diese Narren zu stellen, werde ich einen Veranstaltungsort finden, der mich und meine wunderbaren Fans unterstützt. Las Vegas heute Abend im Brooklyn Bowl. Wir werden weiterspielen, singen und tanzen. Wir sehen uns bald wieder.«

Auf YouTube ist ein Video zu sehen, das zeigt, wie Matisyahu im Brooklyn Bowl in Las Vegas One Day singt.

Gewalt und Einschüchterung 

Seit Langem ist der jüdische US-Bürger Matisyahu im Visier von BDS-Gruppen. Im August 2015 hatte eine BDS-Gruppe in Valencia eine Erpressung gegen die Organisatoren des spanischen Rototom Sunsplash Reggae Festival verübt: Die Veranstalter sollten Matisyahu dazu zwingen, eine Erklärung gegen Israel zu unterschreiben. Sie hatten bereits andere Künstler dazu gebracht, ihre Auftritte abzusagen, sollte Matisyahu auftreten, ohne eine solche Deklaration unterzeichnet zu haben. Matisyahu sei »ein Repräsentant Israels«, erklärte BDS País Valencia. 

Der Sänger weigerte sich, dem Ultimatum Folge zu leisten, woraufhin er von den Veranstaltern ausgeladen wurde. Nach internationalem Protest wurde er dann wieder eingeladen und spielte auf dem Festival. Während seines Auftritts schwenkten Störer PLO-Fahnen und zeigten Matisyahu den Mittelfinger. Einen solchen Antisemitismus wie bei diesem Festival habe er noch nie erlebt, sagte der Künstler später.

Vor einigen Tagen wurde dann das Aladdin Theatre in Portland, Oregon, wo Matisyahu nächsten Montag auftreten soll, zum Ziel eines Farbanschlags. Unbekannte warfen Beutel mit roter Farbe auf die Anzeigetafel auf dem Vordach, auf der Matisyahus Name stand. Zudem schmierten sie den Schriftzug »Free Gaza« auf den Eingang des Gebäudes.  

Auf einer Internetplattform der linksextremen Szene wurde ein Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht: »Gestern Abend haben Anarchisten im sogenannten Portland das Aladdin Theater angegriffen, weil dort Matisyahu, ein bekannter Zionist, auftritt. Matisyahu unterstützt seit Jahren lautstark den faschistischen Ethnostaat Israel, und wir finden es inakzeptabel, dass ihm eine Bühne gegeben wird, auf der er auftreten kann – also haben wir das ganze Vordach mit Farbe beworfen und einige Buchstaben heruntergerissen, und wir hatten eine Menge Spaß dabei.«

Sie hoffen, schrieben die antisemitischen Boykotteure, »dass diese Aktionen das Aladdin Theater dazu veranlassen werden, mehreren anderen Veranstaltungsorten im ganzen Land zu folgen und Matisyahus Show abzusagen, die derzeit für Montag, den 26. Februar um 19 Uhr angesetzt ist. Laut Aladdin’s Website ist diese Show ausverkauft! Wer hätte gedacht, dass es in dieser Stadt so viele Anhänger des Zionismus (und schrecklicher Musik) gibt? Portland – werden wir einen weiteren Faschisten hier auftreten lassen, oder haben wir genug? FREE GAZA. BEFREIT DIE WEST BANK. FREIES PALÄSTINA. BEFREIT SIE ALLE.«

Bislang hat das Aladdin Theatre das Konzert nicht abgesagt. 

London: Angriff auf Statue von Amy Winehouse

Zur gleichen Zeit im Londoner Stadtteil Camden, wo die 2011 im Alter von nur siebenundzwanzig Jahren verstorbene Sängerin Amy Winehouse zu Hause war. Im Beisein ihrer Eltern und Weggefährten wurde dort im September 2011 eine Bronzestatue für sie eingeweiht. Ihre Mutter Janis sagte damals einem Reporter des Guardian: »Es ist einfach ein Wow, ein echtes Wow. Ich bin sehr zufrieden damit, wie die Statue geworden ist, denn man kann sehen, dass es Amy ist.« Sie fügte hinzu: »Camden ist Amys Ort, hier gehört sie hin.«

Die Statue zeigte die jüdische Sängerin mit einer Kette mit Davidstern. Darum wurde sie nun zum Ziel von Vandalismus: Ein unbekannter Täter überklebte den Davidstern mit einer Palästinenserflagge. Heidi Bachram, eine jüdische Bürgerin aus Brighton, machte mit einem Kommentar auf X darauf aufmerksam. »Die Amy-Winehouse-Statue steht dort seit Jahren unbehelligt und respektiert. Sie trägt ihre Davidstern-Halskette offen und stolz. Bis heute, als ein Pro-Palästinenser ihr Jüdischsein mit einem Aufkleber verunstaltete. Das ist HÄSSLICHER Antisemitismus.«

Die beiden Fälle zeigen: Die überschäumende Wut von Israelhassern und den Israelboykotteuren von BDS richtet sich keineswegs nur gegen Israelis. Und auch nicht nur gegen Lebende. Kein Jude ist vor ihnen sicher, nicht einmal die Statue einer verstorbenen britischen Sängerin, wenn diese einen Davidstern trägt.

Stephen Daisley, Kolumnist des Spectatorsieht in dem Angriff eine weitere Erinnerung an die britischen Juden, »dass ihre heiligen Symbole nicht willkommen sind, dass sie ein Ziel für diejenigen sind, welche die Zeichen des Judentums aus der Öffentlichkeit entfernen wollen.« Die Person, die den Aufkleber dort angebracht habe, sende damit die Botschaft: »Dort drüben heißt es Israel gegen Palästina; hier heißt es wir gegen euch.«

Es sei nicht unbedeutend, so Daisley, dass eine Statue von Amy Winehouse ausgewählt wurde. Die verstorbene Sängerin sei weder religiös gewesen noch habe sie sich offen über Israel geäußert. Sie sei eine »durch und durch säkulare Londoner Jüdin« gewesen und genau das sei der Punkt: »Sie hassen dich, weil du Jude bist. Sie hassen dich, weil du nicht ihre Art von Jude bist: bereit, Israel zu denunzieren, dem Zionismus abzuschwören und dein Volk und dich selbst für ihre Zustimmung zu erniedrigen. Sie wollen, dass du dich unterwirfst.«

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