Der Krieg gegen Israel wird vom Hamas-Führer nicht als Kampf des palästinensischen Volkes angesehen, sondern als Kampf der islamischen Welt um Jerusalem.
Anfang Januar sprach der Hamas-Führer Ismail Haniyeh in der katarischen Hauptstadt Doha auf der Konferenz der International Union of Muslim Scholars (IUMS) über die Rolle der islamischen Gelehrten weltweit nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober. In seiner auch auf Al Jazeera ausgestrahlten Rede plädierte er dafür, am »Sieg vom 7. Oktober« festzuhalten und auf ihm aufzubauen.
Die islamische Nation und die Gelehrten dieser Umma bzw. Gemeinschaft hätten »eine zentrale Rolle, und zwar an zwei Fronten«, erläuterte der Hamas-Führer den anwesenden Geistlichen und Gelehrten: »Die erste Front ist die Unterstützung des Widerstands. Brüder und Schwestern, die ganze Welt überschüttet die Besatzer mit Waffen«, sagte er unter Bezug auf Israel. »Die ganze Welt scheut sich nicht, das zu tun. Es gibt Luftbrücken von mehreren Hauptstädten aus, welche die Besatzung beliefern.«
Ähnliches für die Palästinenser einzurichten sei zu einer islamischen Pflicht geworden, »die wir erfüllen müssen«, fuhr Haniyeh fort. Wie die Gelehrten erwähnt hätten, gebe es entsprechende Fatwas, also Rechtsgutachten, welche die Unterstützung der Palästinenser fordern. Zwar gebe es einige Erklärungen in diese Richtung, aber es dürfe nicht mehr nur bei Worten bleiben: »Es gibt den verbalen Dschihad, also den Dschihad mit der Zunge, aber in der Realität ist die Zeit für den Dschihad mit dem Schwert angebrochen. Dies ist der Kampf um Jerusalem und die Al-Aqsa-Moschee und nicht der Kampf des palästinensischen Volkes oder des Gazastreifens oder der Menschen in Gaza.«
Die Menschen in Gaza würden in diesem Kampf die Frontlinie bilden, »sowohl zur Verteidigung als auch zum Angriff. Sie sind nicht nur zur Verteidigung da, sondern auch zum Angriff.« Was sei der 7. Oktober anderes gewesen als »ein an der Front gelegener Schützengraben für die Offensive unserer Nation?« Die Zeit sei reif, erklärte Haniyeh weiter, weswegen die islamische Gemeinschaft diese Gelegenheit auch nicht vorübergehen lassen dürfe.
»Oh Söhne unserer islamischen Nation, oh freies Volk der Welt, es gibt nur sehr wenige historische Momente wie diesen. … Unsere Nation und unsere islamischen Gelehrten haben nur sehr wenige historische Momente wie diesen. Lasst diesen Moment nicht verstreichen, denn sollte er verstreichen, wissen wir nicht, wie viele Jahrzehnte vergehen werden, bevor ein solcher wiederkehrt«, rief der Hamas-Führer den in Doha versammelten Gelehrten zu.
Drei Arten von Dschihad
Dass die Zeit auf der Seite der Umma sei, können man auch daran ersehen, was sich seit »Beginn dieses Angriffs« verändert habe. So hätten die USA anfangs »mit einem großen Knüppel vor der Welt herumgewedelt«, und aus den palästinensischen, arabischen und muslimischen Gemeinden einiger europäischer Länder seien »prominente palästinensische oder arabische Persönlichkeiten vorgeladen und aufgefordert worden, die palästinensische Flagge nicht zu hissen« und auch sonst nichts zur Unterstützung der Palästinenser zu unternehmen, »aber die Sprache dieser Länder hat sich nun geändert«.
Grund für diesen Wandel sei laut Haniyeh die palästinensische Standhaftigkeit: »Wäre diese Standhaftigkeit nicht gewesen, wäre das Gewissen der Welt erdrückt worden. Brüder, wir sollten auf dieser Standhaftigkeit aufbauen. Wir sollten an dem Sieg, der am 7. Oktober errungen wurde, festhalten und auf ihm aufbauen.«
Um diese Aufgabe zu erfüllen, sollten die islamischen Gelehrten Gruppen und Delegationen auf verschiedenen Ebenen bilden, um sich mit Regierungsvertretern, Vertretern politischer Parteien, der Zivilgesellschaft und der Institutionen jener Länder zu treffen, in denen sie leben. Auch könnten sie bei den Protesten »die Massen anführen«.
Auch sollten spezielle Abordnungen zusammengestellt werden, »die sich mit den Staatsoberhäuptern der arabischen, muslimischen und sogar der westlichen Länder treffen. Sie sollten Länder besuchen und über Palästina, Jerusalem und Gaza sprechen und über die Notwendigkeit, die Aggression gegen den Gazastreifen zu stoppen.«
Neben diesem ersten, politischen, Schritt gebe es noch eine zweiten, finanziellen, der in dem Aufruf bestehe, Geld zur Verfügung zu stellen. »Liebe Brüder und Schwestern, lasst uns dies den ›finanziellen Dschihad‹ nennen. Die islamische Nation tätigt keine ›Spenden‹. Dies ist nicht nur eine humanitäre Angelegenheit, obwohl sie immens wichtig ist und der Gazastreifen jede Hilfe braucht, die er bekommen kann. Es geht um den finanziellen Dschihad.« Haniyeh rief die Zuhörerschaft auf, »diesen Grundsatz der islamischen Rechtsprechung in unserer islamischen Nation wiederzubeleben: Die Vorstellung, den Dschihad mit dem eigenen Leben und dem eigenen Geld zu führen.«