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Wie der arabische IDF-Sprecher Herz und Verstand seines Publikums gewinnt

Der arabischsprachige IDF-Sprecher arabische Israeli Avichay Adraee
Der arabischsprachige IDF-Sprecher arabische Israeli Avichay Adraee (Quelle JNS)

Seit achtzehn Jahren steht der arabische Israeli Avichay Adraee an vorderster Front der Öffentlichkeitsarbeit der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte.

Eyal Levi

Als am 17. Oktober 2023 um 18.59 Uhr eine Rakete im Al-Ahli-Krankenhaus im Zeitoun-Viertel in Gaza-Stadt explodierte, schien es, als würde sich der Verlauf des Gazakriegs ändern – und zwar nicht zu Israels Gunsten. Reporter des katarischen TV-Senders Al Jazeera gehörten zu den ersten, die am Ort des Geschehens eintrafen und der Welt mitteilten, die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) hätten den Tod von hunderten unschuldigen Menschen im Gazastreifen verursacht.

Es dauerte mehrere Stunden, bis Israel eine offizielle Antwort gab, die jedoch keinen Raum für Spekulationen ließ. IDF-Sprecher Daniel Hagari präsentierte Bilder, die Schwarz auf Weiß bewiesen, dass die Explosion das Ergebnis eines fehlgeschlagenen Raketenabschusses durch den Palästinensischen Islamischen Dschihad gewesen war und nicht, wie zuvor von der Hamas und Al Jazeera dargestellt, ein bösartiger, israelischer Angriff.

Unmittelbar danach folgte ihm der Leiter der arabischen Medienabteilung der IDF-Sprechereinheit, Oberstleutnant Avichay Adraee, der allen arabischen Medien die Beweise in fließendem Arabisch präsentierte. Die IDF kämpfen nicht nur in den engen Gassen von Khan Yunis, sondern auch auf dem Terrain der Öffentlichkeitsarbeit, und zwar in der Regel gegen ein äußerst feindseliges und ungeduldiges Publikum.

»Alle Sender in der arabischen Welt, vom katarischen Al Jazeera bis zum in den Emiraten ansässigen Al Mashhad TV, haben die Worte des IDF-Sprechers live ausgestrahlt, die durch Fakten und Tonaufnahmen untermauert wurden und genau belegen, dass die IDF absolut nichts mit diesem Vorfall zu tun hatten«, berichtete Adraee. »Ist es uns gelungen, die Weltöffentlichkeit vollständig zu überzeugen? Nein. Ist es uns gelungen, das Verständnis dafür zu wecken, dass die Hamas lügt? Ja. Wie konnten bei so einem kleinen Einschlagskrater auf dem Krankenhausparkplatz Hunderte Menschen getötet worden sein?«

Der 41-jährige Adraee, der seit 2005 in der arabischen Abteilung der IDF-Sprechereinheit arbeitet, erlebte in diesen achtzehn Jahren große Veränderungen in seinem Tätigkeitsbereich. Heute beschränkt sich der via Öffentlichkeitsarbeit geführte Krieg nicht mehr auf die traditionellen Medienkanäle von Fernsehsendern und der Presse. Vielmehr hat er sich wie ein Lauffeuer auf die Facebook-Seiten und das X-Netzwerk ausgebreitet, ganz zu schweigen von der Welt der YouTube-Clips. Auf jeden einzelnen Vorfall muss schnell reagiert werden, damit das Narrativ nicht dem Feind überlassen wird.

Wolle man auf diesem Feld mitspielen, »dann muss man eine Kultur kreieren, Nachrichten verbreiten und eine Agenda schaffen – und wenn es eine Agenda gibt, die man nicht selbst geschaffen hat, sich zumindest bemühen, rechtzeitig an ihr teilzunehmen«, erklärte ein ehemaliger IDF-Sprecher die Herausforderungen.

Änderungen im arabischen Raum

Der Leiter der arabischen Medienabteilung ist nicht der einzige Spieler auf diesem harten Rasen, sondern wird von einer sehr aktiven und tatkräftigen Abteilung unterstützt. Seit einigen Jahren ist die in der arabischen Stadt Qalansawe östlich von Netanya geborene Muslimin Ella Waweya seine Stellvertreterin, die aufgrund ihrer häufigen Medienauftritte in der arabischen Welt besser bekannt ist als »Captain Ella«, ein Spitzname, der ihr auch nach ihrer Beförderung zur ersten arabischen IDF-Majorin erhalten blieb.

»Sie wissen, dass ich Araberin bin, aber viele behaupten, ich würde auch bezüglich meines Namens lügen und erklären, dass ich keinen echten arabischen Akzent hätte«, lacht sie. »Keine Sorge, ich erinnere diese Leute immer wieder an die Wahrheit. Manche sind von meiner Uniform abgeschreckt, aber auf jeden Fall hören sie mir zu, und manche betrachten mich auch mit einem gewissen Stolz.«

In diesem Propagandakrieg, den Israel zu schlagen hat, ist Al Jazeera omnipräsent. Es ist die größte TV-Anstalt im Nahen Osten und in Nordafrika und sendet seit siebenundzwanzig Jahren ohne jeglichen Versuch, Israel gegenüber objektiv zu sein. Auch die arabischen IDF-Sprecher werden Al Jazeera wohl nicht ändern können, in der arabischen Tagespresse hat sich jedoch, möglicherweise im Rahmen von politischen Prozessen wie dem Abschluss der Abraham-Abkommen, in den vergangenen Jahren ein Wandel in Bezug auf den militärischen Konflikt im Gazastreifen als auch jenen mit den Palästinensern im Allgemeinen vollzogen.

So schafft es der aktuelle Krieg beispielsweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Bahrain nicht mehr ständig auf die Titelseiten, und wenn doch, wird er aus lokaler Sicht geschildert. Als etwa Berichte über die Vergewaltigung von Frauen durch Terroristen während des Hamas-Angriffs am 7. Oktober 2023 auftauchten, behauptete die Terrorgruppe sofort, es gäbe dafür keine Beweise. Doch das von den Terroristen selbst gefilmte Material über die Gräueltaten ist zu einem wichtigen Instrument der öffentlichen Diplomatie geworden.

Avichay Adraee etwa nahm in diesem Zusammenhang an einem Zoom-Meeting mit Social-Media-Influencern und Journalisten aus den Golfstaaten teil; ein Gespräch, das in Echtzeit von rund einer Million Zuschauern verfolgt wurde. Die IDF präsentierten eine Zusammenfassung des 47-minütigen Films über die Gräueltaten (offizieller Titel: »Bearing Witness to the October 7th Massacre«), der von der IDF-Sprechereinheit aus Rohmaterial zusammengestellt wurde, das am Tag des Überfalls auf Israel gefilmt worden war.

Diese Verbrechen vom 7. Oktober waren auch eine Gelegenheit, den Dialog mit den arabischen Israelis neu zu beleben. Vor Kurzem besuchten etwa hundertfünfzig muslimische Geistliche aus ganz Israel einen der IDF-Stützpunkte, um eine umfassende Darlegung der Fakten zu erhalten, die sie an ihre Gemeinden weitergeben konnten, und um zu betonen, dass nicht nur Juden abgeschlachtet wurden, sondern auch Araber, von denen auch einige in den Gazastreifen entführt wurden und dort immer noch als Geiseln gehalten werden.

Sowohl Waweya als auch Adraee sind in den sozialen Medien sehr präsent. Sie treten unter ihrem eigenen Namen auf und nicht unter dem des Militärs, für das sie arbeiten, um ein breiteres Echo zu erreichen und Botschaften persönlicher vermitteln zu können. Es werden sowohl zustimmende als auch ablehnende Antworten, die sie erhalten, gepostet, manchmal auch extreme Reaktionen, wobei die Hauptintention darin besteht, eine Interaktion mit der Öffentlichkeit zu erzeugen.

Duell mit dem Iran

Den Iranern, welche die Entwicklungen an der Süd- und Nordgrenze Israels genau beobachten, widmet die IDF-Sprecherabteilung besondere Aufmerksamkeit und unterhält eine eigene Abteilung zur Kommunikation auf Farsi. Im Rahmen der aktuellen Kriegsanstrengungen beschloss die Einheit, einen Spezialisten für diese wichtige Aufgabe zu rekrutieren und wandte sich an Kamal Penhasi, der bis zum Alter von fünfzehn Jahren in Teheran gelebt hatte, früher eine Zeitung auf Farsi herausgab und jetzt als Reservesoldat in der Iran-Abteilung dient.

Da es im Iran wegen des dortigen Regimes keine Zusammenarbeit mit den Medien geben kann und es nahezu unmöglich ist, den eisernen Vorhang zu durchdringen, ist die Sektion gezwungen, ausschließlich auf soziale Medien zurückzugreifen, um Nachrichten übermitteln zu können. Dies tut sie vor allem über die iranischen Oppositionsmedien, die von Europa aus in Farsi senden und deren Reporter zurzeit in Israel stationiert sind, um über den Krieg zu berichten.

Nach Angaben des IDF-Sprechers erreichen etwa neunzig Prozent ihres Materials die Menschen im Iran, davon großteils die städtische Bevölkerung, vor allem in der Hauptstadt Teheran. »Die Menschen neigen dazu zu denken, dass der Iran eine geschlossene Gesellschaft wie Nordkorea ist, aber das ist nicht der Fall. Die meisten Iraner haben ihre Angst [vor dem Regime] verloren, es kümmert sie nicht mehr«, so Kamal Penhasi.

Trotz oftmaligen Drängens seiner Mitarbeiter, jedes Problem, das aus Teheran kommt, medial aufzubereiten, muss Avichay Adraee immer wieder deren Enthusiasmus dämpfen, denn: »Gelegentlich sieht man etwas und hat das Gefühl, darauf reagieren zu müssen, aber zunächst gilt es einen Schritt zurückzutreten und zu prüfen, ob dies der richtige Zeitpunkt dafür ist, denn in vielen Fällen kann ein Tweet die Auswirkungen einer Bombe haben.«

(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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