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Atomabkommen: Von Bidens Versprechungen ist nichts übriggeblieben

Ort der Verhandlungen über die Erneuerung des Atomabkommens mit dem Iran: das Palais Coburg in Wien. (© imago images/Viennareport)
Ort der Verhandlungen über die Erneuerung des Atomabkommens mit dem Iran: das Palais Coburg in Wien. (© imago images/Viennareport)

Schon jetzt ist klar: Die einst vom US-Präsidenten zugesagte Stärkung und Erweiterung des Atomabkommens wird es nicht geben.

Fast täglich ändern sich die Prognosen darüber, wie es mit den Atomverhandlungen mit dem Iran in Wien weitergehen wird. An einem Tag wird über allgemeinen Pessimismus berichtet, die Gespräche zu einem erfolgreichen Abschluss und damit zum Wiedereinsetzen des Atomabkommens von 2015 (offiziell: Joint Comprehensive Plan of Action/JCPOA) bringen zu können, am nächsten Tag wird über einen möglicherweise kurz bevorstehenden Durchbruch spekuliert.

So war Ende Januar davon die Rede, die Gespräche seien ins Stocken gekommen. Die frisch gebackene deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnte davor, dass sich das Zeitfenster für einen Verhandlungserfolg schließe, zumal das iranische Regime sein Atomprogramm konsequent ausbaue.

Zumindest daran gibt es keine Zweifel: Das Regime lässt Uran mittlerweile auf sechzig Prozent anreichern – was für keinerlei zivilen Zweck erforderlich wäre und nur mehr relativ knapp unter dem für den Bau einer Bombe nötigen Anreicherungsgrad liegt. (Laut JCPOA dürfte es überhaupt nur über begrenzte Mengen von auf fünf Prozent angereichertem Uran verfügen.)

Darüber hinaus setzt das Regime fortgeschrittene Gaszentrifugen ein, die es dem Atomabkommen zufolge gar nicht verwenden dürfte. Die Break-out-Zeit, also die Zeit, die der Iran brauchen würde, um genügend hoch angereichertes Material für den Bau einer Bombe zu produzieren, hat sich auf wenige Wochen reduziert.

Ob angesichts dieser Fortschritte eine Rückkehr zum Abkommen aus dem Jahr 2015 überhaupt noch irgendeinen Sinn hat, ist eine Frage, auf die die Verhandlungspartner des Iran lieber keine ehrliche Antwort geben wollen. Zu offensichtlich wäre, dass der schon damals faule Deal mit dem Regime heute noch weniger glänzt, als er es vor sechseinhalb Jahren getan hat.

Nachdem die Gespräche Ende Januar also unterbrochen wurden und die Verhandlungsdelegationen zu Konsultationen in ihre jeweiligen Heimatländer reisten, wird jetzt in Wien wieder verhandelt. Und wie mehrere Medien berichten, dürfte sich die Stimmung deutlich verbessert haben.

US-Vertretern zufolge sei eine Lösung in Sicht. Die Biden-Regierung setzte kürzlich gewisse Sanktionen gegen das zivile iranische Atomprogramm aus – was der Iran als mögliche Geste des guten Willens zur Kenntnis nahm, die US-Regierung aber keineswegs als »Zugeständnis« an das iranische Regime verstanden wissen wollte. Laut einem russischen Delegationsmitglied soll bereits der Entwurf für eine Einigung vorliegen.

Leere Versprechungen

Noch immer ist von gewissen »Stolpersteinen« auf dem Weg zu einem erneuerten Abkommen die Rede, darunter die iranische Forderung nach Sicherheit dafür, dass die USA nicht wieder aus dem Abkommen aussteigen können, wie sie das unter Präsident Donald Trump gemacht haben. Dass die Verhandlungen wirklich daran scheitern könnten, scheint allerdings so gut wie ausgeschlossen: Das iranische Regime weiß ganz genau, dass die Forderung nach einer solche Sicherheit von US-Präsident Biden gar nicht erfüllt werden kann. Als Verhandlungsmasse ist sie aber höchst praktisch, bietet sie dem Iran doch die Möglichkeit, mit großer Geste und als »weitreichendes Zugeständnis« im Sinne eines Kompromisses von etwas Abstand zu nehmen, was ohnehin nie realistisch war – die bisherigen Atomverhandlungen sind voll solcher iranischer »Zugeständnisse«.

Sollte es in den kommenden Tagen oder Wochen zu einer Erneuerung des Atomabkommens kommen, so steht eines jedenfalls schon jetzt fest: Von den diesbezüglichen Versprechungen, die US-Präsident Biden einst gemacht hat, wird kein einziges umgesetzt. Im Präsidentschaftswahlkampf hat er mehrere Male gelobt, das Abkommen zu »verstärken und erweitern«. Um wirksam gegen destabilisierende Aktivitäten des iranischen Regimes in der Region vorzugehen, wollte er insbesondere auch das iranische Raketenprogramm »angehen«, wie er der New York Times gegenüber betonte.

Eine Erweiterung und Verstärkung des Abkommens, die Verlängerung seiner Laufzeit, eine Beschränkung des iranischen Raketenprogramms – buchstäblich nichts von alledem scheint in Wien noch zur Debatte zu stehen.

»Khaybar, Khayber, ya yahud«

Wie um das zu unterstreichen, präsentierte das Regime parallel zu den aktuellen Verhandlungen gerade stolz eine neue Rakete: Sie soll eine Reichweite von knapp 1.500 Kilometern haben und den iranischen Revolutionsgarden zufolge von keinem Raketenschild abgewehrt werden können. Nicht nur dieser Hinweis war ein deutlicher Fingerzeig, auf wen diese Rakete zielt: Das einzige Land der Region mit einer umfassenden eigenen Raketenabwehr ist Israel.

Und um auch noch den letzten möglichen Zweifel zu beseitigen, heißt die neue Rakete »Khaybar-Zerstörer«. Khaybar war der Name eines jüdischen Dorfes, das von der Armee des Propheten erobert wurde und dessen Bewohner ermordet oder versklavt wurden. Der Slogan »Khaybar, Khaybar, ya yahud, jaish Muhammad sayud« (»Juden, erinnert euch an Khaybar, die Armee Mohammeds kommt wieder!«) ist ein beliebter Slogan bei israelfeindlichen Demonstrationen in aller Welt.

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