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Vier Kandidaten und eine Führungskrise: Wer wird neuer IS-Chef?

Ruine des Hauses, in dem IS-Chef sich und seine Familie in die Luft sprengte. (© imago images/UPI Photos)
Ruine des Hauses, in dem IS-Chef sich und seine Familie in die Luft sprengte. (© imago images/UPI Photos)

Nach dem Tod seines »Kalifen« muss der IS einen neuen Anführer finden. Das könnte die Organisation vor eine Zerreißprobe stellen.

Mit einem Einsatz, der zur Tötung ihres Anführers, Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraischi, in der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens führte, hat die US-Regierung der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) einen schweren Schlag versetzt. Am 3. Februar erklärte US-Präsident Joe Biden, mit der Militäroperation sei »eine bedeutende terroristische Bedrohung beseitigt worden«.

Biden fügte hinzu, al-Quraischi habe sich »selbst in die Luft gesprengt«, was zu seinem Tod und dem Tod seiner Familie geführt habe, nachdem US-Truppen sein Haus im Nordwesten Syriens umstellt hatten. Al-Quraischi, der die Terrororganisation drei Jahre lang geleitet hatte, starb in derselben Gegend, in der 2019 auch sein Vorgänger Abu Bakr al-Baghdadi getötet worden war. Auch er hatte sich selbst in die Luft gesprengt.

Die Tötung von al-Quraischi hat zu einer Führungskrise im Islamischen Staat geführt, da eine große Zahl der Anführer, welche die Organisation gegründet hatten und als »Kameraden von Abu Musab al-Zarqawi« bekannt sind, nicht mehr am Leben ist. Rund sechsundvierzig dieser Anführer sind in den vergangenen Jahren bei Kämpfen oder Luftangriffen getötet worden.

Es ist durchaus üblich, dass terroristische Organisationen wie der IS jemanden in der Hinterhand haben, der im Falle des Todes des Anführers die Spitze übernimmt. Das Fehlen einflussreicher alter Führungspersönlichkeiten in der Struktur der Organisation dürfte es jedoch schwierig machen, einen Nachfolger für al-Quraischi zu finden.

Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert irakische Sicherheitsbeamte und unabhängige Analysten, die davon ausgehen, dass der nächste Anführer des IS »wahrscheinlich aus dem engen Kreis irakischer Extremisten stammen wird, der nach dem Einmarsch der US-Streitkräfte in den Irak im Jahr 2003 entstanden ist«. Die Ernennung eines neuen Chefs der Gruppierung werde in den kommenden Wochen erfolgen.

Die irakischen Beamten sagten gegenüber Reuters, dass sich in der Gruppe der potenziellen Nachfolger al-Quraischis auch ein Mann befindet, der nach einem Luftangriff im vergangenen Jahr von Washington und Bagdad für tot erklärt worden war.

Fadel Abu Ragheef, ein irakischer Experte, der die irakischen Sicherheitsdienste berät, sagte, es gebe mindestens vier potenzielle Kandidaten für die Nachfolge al-Quraischis. »Unter ihnen ist Abu Khadija, der als Anführer des IS im Irak gilt, Abu Muslim, ein Anführer in der irakischen Provinz Anbar, und ein weiterer Mann namens Abu Salih. Über ihn gibt es nur wenige Informationen, aber er soll al-Baghdadi und al-Quraischi nahegestanden haben.«

Der irakische Sicherheitsexperte fügte hinzu: »Und dann ist da noch Abu Yasser al-Issawi, von dem mittlerweile vermutet wird, dass er noch am Leben ist. Al-Issawi ist ein überragender Anführer bei ISIS, weil er über große militärische Erfahrung verfügt.«

Der Militär- und Sicherheitsexperte Ihsan al-Qaisoun erklärte gegenüber dem Fernsehsender Al-Arabiya, dass al-Issawi der prominenteste Kandidat für die Führung des IS sei. Sein vollständiger Name laute Jabbar Salman al-Issawi, er sei 1982 geboren worden und einer der führenden Köpfe der Organisation. »Obwohl es Berichte über seinen Tod gab, deuten die uns vorliegenden Informationen darauf hin, dass dies nicht stimmt. Demnach ist er bis heute in den Reihen des IS aktiv und auch als Abu Yasser al-Issawi bekannt.«

Al-Qaisoun nimmt an, dass es zu einem Streit zwischen den Anführern der ersten Reihe des IS kommen werde, wenn einige nicht damit einverstanden wären, al-Issawi zum neuen Anführer zu ernennen. Dann werde es zu Spaltungen in der Organisation kommen.

Der Experte für terroristische Organisationen Qutaiba al-Saleh schrieb in einem Artikel: »Nach der Tötung von al-Quraischi lässt das künftige Schicksal des IS und seiner Führung viele Fragen offen.« Infolge der strengen Geheimhaltung innerhalb der Organisation gebe es einander widersprechende Annahmen über den Namen des nächsten »Kalifen«.

Nach den Transformationen, die der IS im Laufe der Jahre durchgemacht hat, könnte er al-Saleh zufolge aber auch alle überraschen und jemanden aus der zweiten oder dritten Reihe zum neuen Anführer machen, mit dem niemand gerechnet hätte.

Er fügte hinzu, dass der Prozess der Auswahl des neuen Führers die Zukunft des IS erheblich beeinflussen werde. Wenn ein interner Streit über die Identität des ­»Kalifen« ausbrechen oder die Organisation eine schwache Person auswählen sollte, die intern nicht über genügend Unterstützung verfügt, werde dies einige Mitglieder zu anderen Organisationen überlaufen lassen und zur Schwächung des IS führen.

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