Erweiterte Suche

Israel: Al-Jazeera-Journalisten in Auto mit Terroristen getötet

Der Chef des al-Jazeera-Büros in Gaza, Wael Al-Dahdou, beim Begräbnis seines Sohnes Hamza
Der Chef des al-Jazeera-Büros in Gaza, Wael Al-Dahdou, beim Begräbnis seines Sohnes Hamza (Imago Images / UPI Photo)

Israel bestreitet al-Jazeera-Anschuldigungen bei seinem Krieg gegen die Hamas  gezielt Journalisten ins Visier zu nehmen.

In einer Reaktion auf Berichte über den Tod zweier palästinensischer Journalisten, die für Al Jazeera gearbeitet hatten und am Sonntag bei einem israelischen Luftangriff im südlichen Gazastreifen ums Leben gekommen waren, erklärten die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), die beiden Reporter seien in einem Fahrzeug mit einem Terroristen unterwegs gewesen, der eine Drohne gesteuert habe.

Bei dem Angriff in Rafah am Sonntag wurden Hamza Wael Dahdouh, der Sohn des Gaza-Chefkorrespondenten von Al Jazeera Wael Al-Dahdouh und Mustafa Thuria, ein ebenfalls für den in Katar ansässigen Fernsehsender arbeitenden AFP-Videoreporter, getötet. Ein dritter Journalist, Hazem Rajab, wurde nach Angaben von Al Jazeera schwer verwundet.

Auf Anfrage erklärte die IDF-Sprechereinheit gegenüber israelischen Medien, ein Militärflugzeug habe »einen Terroristen identifiziert und angegriffen, der ein Luftfahrzeug in einer Weise gesteuert hat, welche die IDF-Kräfte gefährdet hat«. Die IDF schrieben weiter, sie hätten Kenntnis von »der Behauptung, dass während des Angriffs zwei weitere Verdächtige, die mit dem Terroristen in demselben Fahrzeug waren, getroffen wurden«.

Zeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP, zwei Raketen wären auf das Auto abgefeuert worden, von denen eine den vorderen Teil des Fahrzeugs und die andere Wael Dahdouh traf, der neben dem Fahrer saß. AFP-Videobilder zeigten eine Menschenmenge beim Inspizieren der zerstörten Überreste des Autos, während Blutlachen auf der Straße zu sehen sind. Weitere Schäden in dem Gebiet waren auf den Aufnahmen nicht zu erkennen.

Auftrag der beiden Journalisten Thuria und Dahdouh war, die Folgen eines Angriffs auf ein Haus in Rafah zu filmen. Ihr Auto wurde, wie AFP-Korrespondenten meldeten, getroffen, als sie sich auf dem Rückweg befunden hätten.

Gesicht von Al Jazeera

Hamzas Vater Wael Dahdouh ist für Millionen arabischsprachiger Zuschauer in der Region das Gesicht der Al-Jazeera-Berichterstattung über Gaza im Allgemeinen wie über den aktuellen Krieg im Besonderen, in dem er seine Frau, zwei weitere Kinder und einen Enkel verlor.

In einem Gespräch mit Al Jazeera nach der Beerdigung seines Sohnes erklärte Dahdouh, weiterhin über den Krieg zu berichten. »Die ganze Welt muss sich ansehen, was hier im Gazastreifen geschieht«, sagte er dem katarischen TV-Sender. »Was hier geschieht, ist eine große Ungerechtigkeit gegenüber wehrlosen Menschen, Zivilisten. Es ist auch ungerecht für uns als Journalisten.« Al Jazeera strahlte später Aufnahmen des Begräbnisses aus, bei denen Dahdouh über der Leiche seines Sohnes weinte, während er noch seine blaue Presseweste trug.

US-Außenminister Antony Blinken, der in dieser Woche zwischen mehreren Ländern des Nahen Ostens pendelt, sagte, er bedauere Dahdouhs Verlust »zutiefst. Ich bin selbst Vater und kann mir den Horror, den er erlebt hat, nicht nur einmal, sondern gleich zweimal, nicht vorstellen. Dies ist eine unvorstellbare Tragödie, und das gilt auch für viel zu viele unschuldige palästinensische Männer, Frauen und Kinder«, erklärte Blinken bei einem Aufenthalt in Katar, bevor er am Montag in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Saudi-Arabien weiterreiste, um danach Israel zu besuchen.

In einer Aussendung beschuldigte Al Jazeera Israel, die Reporter absichtlich ins Visier genommen zu haben und versicherte, »alle rechtlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Urheber dieser Verbrechen zu verfolgen. Wir fordern den Internationalen Strafgerichtshof, die Regierungen und Menschenrechtsorganisationen sowie die Vereinten Nationen auf, Israel für seine abscheulichen Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen und ein Ende der gezielten Tötung von Journalisten zu fordern.«

Ende Oktober berichtete Dahdouh über Israels Offensive, als er die Nachricht erhielt, seine Frau, seine Tochter und ein weiterer Sohn seien bei einem Luftangriff getötet worden, so Al Jazeera. Sein Enkel, der bei dem Angriff verwundet wurde, starb Stunden später. Im Dezember wurden Dahdouh und der Al-Jazeera-Kameramann Samer Abu Daqqa bei einem israelischen Angriff auf eine Schule in Khan Younis verwundet. Dahdouh konnte Hilfe rufen, aber Abu Daqqa verblutete, da die Krankenwagen ihn wegen der blockierten Straßen nicht erreichen konnten, berichtete Al Jazeera.

Schuld bei Hamas

Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten wurden mindestens siebzig palästinensische Reporter sowie vier israelische und drei libanesische Reporter getötet, seit der Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober den Krieg im Gazastreifen und eine Eskalation der Kämpfe an der israelischen Grenze zum Libanon auslöste.

Israel bestreitet, auf Journalisten gezielt zu haben, ganz im Gegenteil bemühe es sich nach Kräften, damit keine Zivilisten zu Schaden kommen. Für die hohe Zahl der Todesopfer macht Jerusalem die Tatsache verantwortlich, dass die Hamas in dicht besiedelten städtischen Gebieten kämpft und sich bewusst unter Zivilisten einnistet, um sie als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. In einer Stellungnahme vom 16. Dezember erklärte die israelische Armee: »Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte haben nie und werden nie wissentlich Journalisten ins Visier nehmen.«

Update:

Laut einer NBC-Meldung ist eine IDF-Untersuchung zu dem Vorfall im Gange. Auf die Frage von NBC News, ob die IDF Beweise für ihre Behauptung habe, dass eine Person in dem Fahrzeug ein Terrorist gewesen sei, antwortet IDF-Sprecher Daniel Hagari, der Vorfall sei »bedauerlich« wie jeder Fall, in dem eine Journalist um Leben komme. Die Untersuchung zu den konkreten Umständen laufe noch. »Wir sehen, dass sie eine Drohne eingesetzt haben. Und eine Drohne in einem Kriegsgebiet einzusetzen, ist ein Problem. Es sieht nach Terroristen aus«, sagte Hagari und fügte hinzu, dass die Hamas Drohnen benutzt, um Informationen über israelische Streitkräfte zu sammeln. »Wir werden diesen Vorfall also untersuchen und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen«, sagte Hagari.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!