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Frankreich: Antisemitismus vor Gericht

Antisemitische Demonstration in Frankreich
Antisemitische Demonstration in Frankreich (Imago Images / Sipa USA)

In Frankreich kommt es Tag für Tag landesweit zu antisemitischen Vorfällen aller Art, doch es kommt auch immer häufiger zu Anzeigen und Strafverfahren.

Aggressiv judenfeindliche Äußerungen werden in Frankreich immer öfter ein Fall für Gerichte. Der derzeit bekannteste Fall ist Youcef Atal. Der algerische Fußballnationalspieler, der beim französischen Erstligisten OGC Nizza unter Vertrag steht, wurde wegen »Aufstachelung zum Hass aufgrund der Religion« am 3. Januar zu einer achtmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Zudem muss er 45.000 Euro Strafe zahlen. Der Strafrahmen entspricht in etwa der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte eine zehnmonatige Haftstrafe auf Bewährung und ebenfalls eine Geldstrafe von 45.000 Euro gefordert.

Atals Vergehen bestand darin, fünf Tage nach den Massakern und Entführungen vom 7. Oktober das Video des Predigers Mahmoud Al Hasanat mit seinen 3,2 Millionen Followern auf Instagram geteilt zu haben. In dem Video sprach der Prediger zunächst mit Tränen in den Augen über das Schicksal der Kinder in Gaza, die unter den Bomben litten. Dann forderte er Gott auf, »einen schwarzen Tag für die Juden« zu schicken und den Menschen in Gaza »die Hand zu reichen«, wenn sie »den Stein werfen«.

Dazu argumentierte Staatsanwältin Meggie Choutia in ihrem Plädoyer: »Es handelt sich um ernste Vorfälle, die nicht banalisiert werden dürfen. Das Teilen eines Videos bedeutet, dass man sich die Äußerungen zu eigen macht und sie sichtbar macht.«

Zu dem Zeitpunkt, als er das Video verbreitete, war Atal bei seiner Nationalmannschaft in Algerien. Als sein Verein ihn auf den hasserfüllten Charakter des Videos aufmerksam machte, löschte er den Eintrag und entschuldigte sich, er habe eine »Botschaft des Friedens« senden wollen. Dies wiederholte er gegenüber dem Gericht und beteuerte, er habe das Video gar nicht bis zum Schluss angesehen und die inkriminierten Äußerungen daher nicht zur Kenntnis genommen.

Wie das Magazin Le Point berichtet, überzeugte diese Argumentation vor Gericht nicht. Staatsanwältin Choutia wies daraufhin, dass das Video nur fünfunddreißig Sekunden lang sei und sagte: »Zu keinem Zeitpunkt in diesen fünfunddreißig Sekunden ist von Frieden die Rede.« Atals Anwalt Antoine Vey erwiderte: »Er hat eine Botschaft der Unterstützung für die Palästinenser in Gaza gesendet. Für ihn ist das Frieden, und da ist er nicht der Einzige.«

Das verbreitete antisemitische Denkmuster, das dieser Aussage zugrunde liegt, lautet: Wer Israel hasst, tut etwas für den »Frieden«. Atals Argumentation, weshalb er kein Antisemit sei, war ebenso merkwürdig: Er habe im Sommer 2023 mit seinem Club im Europacup gegen Tel Aviv gespielt und »nicht gezögert«, zu der Partie anzutreten. Damit bezog er sich offenbar auf die Sportboykotte einiger Verbände in islamistisch regierten Ländern wie dem Iran, die ihren Sportlern verbieten, bei Wettbewerben gegen Israelis anzutreten. »Ich bin nicht antisemitisch. Ich bin weder gegen Juden noch gegen Christen, ich habe gegen niemanden Hass«, beteuerte er bei der Anhörung.

Antisemitischer Anruf aus dem Krankenhaus

Im Dezember verurteilte das Verwaltungsgericht Toulon das Krankenhaus Fréjus wegen einer antisemitischen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Als Bernard Ben Hamou am 11. Juni 2019 seinen Anrufbeantworter abgehört hatte, hörte er eine Anruferin aus dem Krankenhaus, in dem sein fast hundertjähriger Vater nach einem Schlaganfall stationär behandelt wurde, sagen: »Ein dreckiger Jude mehr.« Der 50-jährige Rettungssanitäter entschied sich zu einer Strafanzeige. Das Gericht erkannte die verschuldensunabhängige Haftung des Krankenhauses an. Wer genau den Anruf getätigt hatte, ließ sich nicht ermitteln.

Das Krankenhaus, das gegen diese Entscheidung keine Berufung einlegte, musste dem Kläger 1.500 Euro Schmerzensgeld und 360 Euro für seine Auslagen bezahlen. Dazu sagte Generaldirektor Frédéric Limouzy gegenüber der Touloner Lokalzeitung Var-matin, er respektiere das Urteil des Gerichts, »umso mehr, als die fraglichen Äußerungen inakzeptabel sind. Antisemitismus hat, wie alle Formen von Rassismus, nichts mit den Werten zu tun, die wir vertreten und die wir allen unseren Pflegekräften regelmäßig vor Augen führen. Leider ist es uns nicht gelungen, den Urheber dieser Nachricht ausfindig zu machen, aber wir zögern nicht, die Urheber solcher Verstöße zu bestrafen, wenn wir sie identifizieren.«

Wir sind Nazis und stolz darauf

Bereits im November war ein 16-Jähriger vom Jugendgericht in Nanterre verurteilt worden, weil er Ende Oktober in der Pariser Metro gemeinsam mit anderen an antisemitischen Sprechgesängen teilgenommen hatte, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Er wurde wegen öffentlicher Beleidigung aufgrund der Religion für schuldig befunden, aber von dem Anklagepunkt freigesprochen, ein »Verbrechen gegen die Menschlichkeit verherrlicht« zu haben. Eine vorläufige gerichtliche Erziehungsmaßnahme, die kurz nach den Taten eingerichtet worden war, wurde vom Gericht »mit einem Modul zur Eingliederung und einem Modul zur Wiedergutmachung« beibehalten, so die Staatsanwaltschaft. Die Anhörung zum Strafmaß findet am 20. Juni statt.

Auf einem Video vom 31. Oktober, das in den sozialen Medien geteilt und millionenfach aufgerufen wurde, ist zu hören, wie der Angeklagte als Teil einer Gruppe in der Linie 3 der Pariser Metro unter anderem brüllte: »Fickt die Juden und die Großmütter«, »Es lebe Palästina« und »Wir sind Nazis und stolz darauf«. Als die Jugendlichen von anderen Fahrgästen angesprochen wurde, riefen sie laut der Urheberin des Videos »Fickt Frankreich«. Auf die Frage, weshalb sie Frankreich nicht einfach verlassen würden, antworteten sie: »Es lebe die Caf« [Familienkasse; S. F.] und »leert die RSA« [Sozialhilfe; S. F.].

Die Vorfälle waren der Staatsanwaltschaft von der Polizeipräfektur, dem Pariser Verkehrsverbund RATP und der Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (Licra) gemeldet worden. Die RATP hatte »mit größter Entschiedenheit die abscheulichen Äußerungen in diesem Video« verurteilt. Die junge Frau, die das Video aufgenommen hatte, erklärte, die Gruppe hätte zunächst Parolen wie »gegen die Polizei, gegen die LGBT-Gemeinschaft, gegen Frankreich« skandiert, ehe sie die antisemitischen Texte anstimmte.

Die Anwältin des Angeklagten, Lola Dubois, behauptete, dass sich ihr Mandant zum Tatzeitpunkt der Schwere seiner Äußerungen nicht bewusst gewesen sei: »Ich denke, dass es sich um ein Kind handelt, das durch diesen Konflikt sensibilisiert wurde und nicht unbedingt darüber gesprochen hat; das schlecht damit umgegangen ist und sich einfach von einer Art Eifer mitreißen ließ, gemeinsam mit einer Gruppierung junger Männer und Frauen, die sich zum Zeitpunkt der Taten überhaupt nicht bewusst waren, was sie taten und sagten.«

Ilanit Chiche, Anwältin einer der Nebenkläger, zeigte sich zufrieden mit dem Urteil und erwartet von der Justiz eine gewisse Härte, wenn in fünf Monaten das Strafmaß verkündet wird. Die anderen Mitglieder der Gruppe werden erst im Mai vor Gericht erscheinen, da wegen ihres Wohnorts andere Gerichte für sie zuständig sind. Nach Ilanit Chiche werden jedoch nur wenige solcher Taten zur Anzeige gebracht: »Wenn diese Taten nicht gefilmt und in den sozialen Netzwerken verbreitet worden wären, hätte sie wahrscheinlich niemand angezeigt, da niemand sie in dem Moment, in dem man sie hört, festhält.«

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