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Zionismus, Normalisierung und Integration

Mit der Unterzeichnung der Abraham-Abkommen ist ein Ziel des Zionismus in greifbare Nähe gerückt
Mit der Unterzeichnung der Abraham-Abkommen ist ein Ziel des Zionismus in greifbare Nähe gerückt (© Imago Images / ZUMA Wire)

Ein Ziel des Zionismus, in der arabischen Welt Akzeptanz für den jüdischen Staat zu gewinnen, scheint nun möglich zu sein.

Uri Pilichowski

Als Israel das Abraham-Abkommen im Jahr 2020 unterzeichnete, schrieb der Reporter der israelischen Tageszeitung Haaretz, Anshel Pfeffer, Zionismus sei »in unserer Zeit ein archaischer und irreführender Begriff«. Pfeffer war nicht der Erste, der behauptete, dass der Zionismus zwar eine Bewegung gewesen sei, welche die jüdische Geschichte für immer verändert hat, seine Ziele aber am 14. Mai 1948 mit der Gründung des Staates Israel erfüllt worden seien. Seiner Meinung nach war der Zionismus eine Bewegung mit einem einzigen Ziel: der Gründung eines jüdischen Staates. Sobald dies geschehen war, sei er irrelevant geworden.

Pfeffer irrt sich gewaltig und seine Position spiegelt ein Missverständnis über das Wesen des Zionismus wider. Beim Zionismus geht es nicht nur um die Gründung eines jüdischen Staates, sondern auch um die Entwicklung und das Wachstum des jüdischen Volkes in seinem Heimatland.

Dies wirft jedoch die Frage auf: Welche ist die nächste Grenze für den Zionismus, die er zu überschreiten hat? In der israelischen Unabhängigkeitserklärung heißt es, eines der Ziele des jüdischen Staates sei der Frieden mit seinen arabischen Nachbarn:

»Wir reichen allen Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand in einem Angebot des Friedens und der guten Nachbarschaft und appellieren an sie, mit dem souveränen jüdischen Volk, das in seinem eigenen Land siedelt, Bande der Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe zu knüpfen. Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag zu einer gemeinsamen Anstrengung für den Fortschritt des gesamten Nahen Ostens zu leisten.«

Ganz eindeutig war Israel nicht daran interessiert, ein Pariastaat zu sein, Israel wollte eine integrale Rolle in der Region spielen.

Die drei Neins …

Israels Träume von Frieden und Integration in die arabische Welt wurden durch das arabische Ziel der Zerstörung des jüdischen Staats infrage gestellt. In der Resolution von Khartum, die 1967 zum Abschluss eines Gipfeltreffens der Arabischen Liga nach dem Sechstagekrieg verabschiedet wurde, heißt es:

»Die arabischen Staatschefs sind übereingekommen, ihre politischen Bemühungen auf internationaler und diplomatischer Ebene zu vereinen, um die Auswirkungen der Aggression zu beseitigen und den Rückzug der aggressiven israelischen Streitkräfte aus den arabischen Gebieten sicherzustellen, die seit der Aggression vom 5. Juni besetzt sind. Dies wird im Rahmen der wichtigsten Grundsätze geschehen, an denen die arabischen Staaten festhalten, nämlich: Kein Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels, keine Verhandlungen mit Israel, sondern Beharren auf den Rechten des palästinensischen Volkes in seinem eigenen Land.«

Der letzte Satz wurde als die »drei Neins von Khartum« bekannt, die nicht nur berühmt-berüchtigt werden, sondern auch fast ein halbes Jahrhundert andauern sollten.

… und ihre Auflösung

Die erste Abkehr von den »drei Neins« war die Entscheidung Ägyptens, mit Israel zu verhandeln und 1979 ein Friedensabkommen zu unterzeichnen. Damals wandte sich der israelische Premierminister Menachem Begin an das ägyptische Volk und sagte:

»Wir wollen keine Kämpfe mit euch. Lasst uns zueinander sagen, und lasst es einen stillen Schwur beider Völker, Ägyptens und Israels, sein: Keine Kriege mehr, kein Blutvergießen und keine Drohungen mehr. Lassen Sie uns nicht nur Frieden schließen, lassen Sie uns auch den Weg der Freundschaft, der aufrichtigen und produktiven Zusammenarbeit einschlagen. Wir können uns gegenseitig helfen. Wir können das Leben unserer Nationen besser, einfacher und glücklicher machen.«

Die wahre Auflösung der »drei Neins« war das Abraham-Abkommen von 2020. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte damals:

»Trotz der vielen Herausforderungen und Schwierigkeiten, mit denen wir alle konfrontiert sind, sollten wir einen Moment innehalten und diesen bemerkenswerten Tag würdigen. Lasst uns über alle politischen Gräben hinwegsehen. Lassen wir allen Zynismus beiseite. Lasst uns an diesem Tag den Puls der Geschichte spüren. Denn der Frieden, den wir heute schließen, wird noch lange nach dem Ende der [COVID-]Pandemie Bestand haben.«

Diese Errungenschaft war insofern kontraintuitiv, als man jahrzehntelang ein Friedensabkommen mit den Palästinensern als die nächste Grenze des Zionismus angesehen hatte. Man ging davon aus, dass im Falle eines solchen Abkommens der Frieden mit der gesamten arabischen Welt schnell folgen würde. Das ursprüngliche Ziel des Zionismus, eine normale Nation im Nahen Osten zu werden, würde dann endlich verwirklicht werden.

Doch die zweite Intifada und die anhaltende palästinensische Unnachgiebigkeit haben die meisten Israelis davon überzeugt, dass die Palästinenser Frieden ohne Israel und nicht mit Israel wollen. Solange der Judenhass in der palästinensischen Gesellschaft und insbesondere im palästinensischen Bildungssystem vorherrscht, scheint es tatsächlich so zu sein, dass der Hass über den Frieden siegen wird.

Nichtsdestotrotz sind die Abraham-Abkommen ein hoffnungsvolles Zeichen. Sie haben gezeigt, dass Friede mit einem großen Teil der arabischen Welt möglich ist, obwohl die Palästinenser traditionell ein Veto gegen solche Abkommen einlegen. Das nächste Ziel des Zionismus sollte die vollständige Integration in den Nahen Osten sein. Während dies vor einigen Jahren noch wie ein Hirngespinst erschienen sein mag, scheint es heute eine sehr reale Möglichkeit zu sein.

Rabbi Uri Pilichowski ist leitender Pädagoge an zahlreichen Bildungseinrichtungen, Autor von drei Büchern und unterrichtet in der ganzen Welt Tora, Zionismus und Israel-Studien. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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