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Warum gerade Wien der richtige Ort war, um Israels Flagge zu hissen

Während des jüngsten Gaza-Krieges ließ Kanzler Kurz am Bundeskanzleramt in Wien die israelische Flagge aufziehen. (© imago images/SEPA.Media)
Während des jüngsten Gaza-Krieges ließ Kanzler Kurz am Bundeskanzleramt in Wien die israelische Flagge aufziehen. (© imago images/SEPA.Media)

Während Israel von der Hamas attackiert wurde, kam Solidarität ausgerechnet aus Wien, wo Hitler zum Antisemiten wurde – und Herzl den jüdischen Staat ersann.

Meir Y. Soloveichik, Commentary

Während die Hamas eine Rakete nach der anderen auf Israel abfeuerte, wurde das Internet mit prominenten Verurteilungen des jüdischen Staates und Fehlinformationen durch die Medien überschwemmt. Ein pro-israelisches Bild stach jedoch besonders hervor: ein Bild der israelischen Flagge, die stolz vom zentralen Regierungsgebäude in Wien weht. Dies geschah auf Anordnung von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der in einem Tweet erklärte, dass dies als „Zeichen der Solidarität mit Israel“ gedacht sei, während diese bedroht sei. „Die Terroranschläge auf Israel“, schrieb er weiter, „sind auf das Schärfste zu verurteilen! Gemeinsam stehen wir an der Seite Israels.“ (…)

Während Israel negativ reagierte, als Kurz’ ursprüngliche Koalition eine historisch antisemitische Partei enthielt, hat sich der 34-Jährige als Kanzler entpuppt, der nicht nur den Antisemitismus bekämpft, sondern auch den Zionismus begrüßt. Ein ehemaliger Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Wiens sagte der Jewish Telegraphic Agency, dass sich Kurz bei seinem ersten Besuch in Israel „in das Land verliebt“ habe. In Österreich, so die JTA weiter, „bringt Kurz‘ Pro-Israel-Politik ihm wenig politische Vorteile, aber er hält aufgrund seiner Überzeugungen und Werte trotzdem daran fest.“

Vor diesem Hintergrund hat Kurz‘ Feier der israelischen Flagge in der österreichischen Hauptstadt eine einzigartige und tiefgründige Poesie. Denn man kann sagen, dass die Wurzeln des Nationalsozialismus in Wien zu finden sind; darüber hinaus war es der einzigartige Antisemitismus in Wien, der den Zionismus überhaupt erst inspiriert hat. Nach allem, was man hört, ist es die Geschichte Österreichs, die Kurz’ israelfreundliche Haltung heute antreibt, und auch wir müssen die Vergangenheit seines Landes verstehen, wenn wir die Bedeutung dessen, was er in der Gegenwart getan hat, schätzen wollen. (…)

Oft wird angenommen, dass es die Dreyfus-Affäre war, die Herzl zu seiner Vision [der Gründung eines jüdischen Staates] inspirierte, doch wie Rick Richman feststellte, war Herzl ursprünglich von Dreyfus‘ Schuld ausgegangen, und er hatte den französischen Antisemitismus als bloßen „Salon für Ausgestoßene“ abgetan. Im Gegensatz dazu schreibt Richman: „Wien war Herzls Heimat, die Hauptstadt des Habsburgerreiches, das Herz der mitteleuropäischen Hochkultur, wo eine jüdische Bevölkerung lebte, die fast doppelt so groß war wie die von ganz Frankreich.“ Diese österreichischen Juden, die ihrem Land so viel gegeben hatten, „wurden beschuldigt, die Kultur zu verunreinigen, der anzugehören sie ein Jahrhundert lang gestrebt hatten, und das nicht nur von einem gottlosen Klerus, sondern von Politikern und der Bevölkerung insgesamt, in einer demokratischen Wahl“.

Man kann also sagen, dass der Wiener Bürgermeister [Karl Lueger] 1895 Hitler sein heimtückisches Handwerk lehrte und auch Herzls zionistischen Traum inspirierte. Andere hatten bereits von einer wiederhergestellten jüdischen Gesellschaft geschrieben, aber Herzl war überzeugt, dass der Zionismus nur als wirklich politische Bewegung Erfolg haben konnte. (…)

Wir sind nun in der Lage zu verstehen, was es bedeutet, die zionistische Flagge in der Stadt zu hissen, die Hitler die Macht des Hasses gelehrt hat, und in der Stadt, die Herzl die Bedeutung des jüdischen Nationalismus lehrte. In einer Rede vor amerikanischen Juden argumentierte Kurz, dass die Geschichte Österreichs „meine politische Arbeit heute leitet“ und ihn daran erinnert, dass „wir ein starker Partner Israels sein müssen“. Indem er die israelische Flagge hisste, vermittelte Kurz, dass Wien vor der Wahl steht: sich an die Seite des lebendigen Judentums zu stellen oder an die Seite der Hamas, der Erben des nationalsozialistischen Völkermords am jüdischen Volk.

Und schließlich erinnert Kurz seine Amtskollegen daran, dass dies eine Entscheidung ist, vor der ganz Europa steht. Michel Gurfinkel hat kürzlich in einem Artikel aus Paris darüber nachgedacht, wie überall auf dem Kontinent pompöse Holocaust-Denkmäler errichtet werden, während Europa um „seine verlorenen toten Juden von gestern“ trauert, „deren Ermordung es auf unterschiedliche Weise beging, unterstützte oder mit der es sich – von Ausnahmen abgesehen – abfinden konnte.“ Gurfinkel fasst die europäische Haltung in einem klaren Satz zusammen: „Den toten Juden von gestern alles, den lebenden Juden von heute wenig und immer weniger.“

Aber nicht, zumindest für einen Moment, in Wien, wo ein Kanzler in der Stadt Seite an Seite mit dem Staat stand, der im Kopf eines Wiener Juden geboren wurde, und Herzls Fahne an dem Gebäude hisste, in dem seine Regierung ihren Sitz hat.

(Aus dem Artikel „How Chancellor Kurz Redeemed Vienna“, der in Commentary erschienen ist. Übersetzung von Florian Markl.)

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