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Was will Erdoğan von den Golfstaaten?

Seine Reise durch die Golfstaaten führt Erdoğan auch nach Abu Dhabi
Seine Reise durch die Golfstaaten führt Erdoğan auch nach Abu Dhabi (© Imago Images / APAimages)

Am Donnerstag beendete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine Reise in die Golfstaaten, auf der er eine Reihe wichtiger Wirtschafts-, Investitions- und Handelsabkommen abschloss. Die Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate umfassende Reise wirft Fragen nach den Gründen für den Wandel der türkischen Politik gegenüber den Golfstaaten auf. 

Erdoğan konzentrierte sich bei seiner Reise auf Investitionen und Finanzgeschäfte in der Hoffnung, die türkische Wirtschaft wieder anzukurbeln, die unter der Abwertung der Lira, einem hohen Defizit und einem starken Anstieg der Inflation ächzt. Zum Abschluss seiner Reise traf der türkische Präsident in Abu Dhabi mit dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, zusammen, wo die beiden Länder Absichtserklärungen und Vereinbarungen im Wert von 45,6 Milliarden Euro unterzeichneten.

Zuvor vereinbarten Erdoğan und der Emir von Katar, Tamim bin Hamad, stärker zusammenzuarbeiten, um ihre Position in der globalen Wirtschaft zu verbessern und die Kooperation ihrer gemeinsamen technischen Teams zu intensivieren, um für beide Seiten vorteilhafte Investitionsmöglichkeiten zu ermitteln, insbesondere in den Bereichen Finanzen, Tourismus, saubere Energie und anderen Bereichen von gemeinsamem Interesse. 

In Saudi-Arabien unterzeichneten Riad und Ankara drei Memoranden über die Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Direktinvestitionen und Medienkooperation sowie einen Plan für die Zusammenarbeit bei der Forschung und Entwicklung in der Verteidigungsindustrie sowie einen Vertrag über den Kauf türkischer Drohnen.

In den vergangenen zehn Jahren waren die Beziehungen zwischen der Türkei und den Golfstaaten alles andere als harmonisch, sondern eher durch Rivalitäten und Konflikte in vielen Bereichen – etwa in Bezug auf den Bürgerkrieg in Syrien oder die Entmachtung der Muslimbruderschaft in Ägypten – gekennzeichnet, bevor die Türkei vor kurzem eine große Kehrtwende in ihrer Außenpolitik vollzog. 

Einige Beobachter führen diese Wende auf die schwierige Lage der türkischen Wirtschaft zurück. Diesen Einschätzungen zufolge sah Erdoğan seinen Besuch am Golf nach seiner Wiederwahl im Mai als Notwendigkeit an, um die türkische Wirtschaft zu stützen, nachdem die ölreichen Golfstaaten ihm geholfen hatten, die Devisenkrise zumindest kurzfristig zu lösen, indem sie Swap-Vereinbarungen für Währung schlossen und Gelder direkt auf die Konten des türkischen Staates einzahlten.

Nach Angaben der Deutschen Welle haben Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate der Türkei in den vergangenen Monaten rund achtzehn Milliarden Euro in Form von Swap-Vereinbarungen zur Verfügung gestellt, und Saudi-Arabien hat der Türkei im vergangenen März 4,5 Milliarden Dollar zur Unterstützung der türkischen Wirtschaft gegeben. 

Kurz- und langfristige Ziele

Allerdings sind die Beziehungen zwischen der Türkei und den Golfstaaten nicht nur wirtschaftlicher Natur, denn es gibt auch eine Vielzahl offener politischer Fragen zwischen Ankara und den Golfmetropolen, wie die Besetzung bestimmter Regionen Syriens durch die Türkei, der Kampf gegen den Einfluss der Muslimbruderschaft im Nahen Osten und die türkische Präsenz in Libyen.

Diese komplizierten regionalen Angelegenheiten waren es auch, die eine entscheidende Rolle bei der Veränderung der türkischen Politik spielten Der Professor für internationale Beziehungen an der Universität Istanbul, Samir Salha, sagt diesbezüglich, Ankara habe angesichts der »festgefahrenen Situation« in den wichtigsten regionalen Angelegenheiten erkannt, dass es seine Beziehungen zu vielen Hauptstädten in der Region überprüfen müsse. »Aber auch die wirtschaftliche Situation spielte eine wichtige Rolle dabei, Ankara zu veranlassen, seine Politik gegenüber der Golfregion zu ändern, um nach ausländischen Investitionen zu suchen.«

Der auf türkische Angelegenheiten spezialisierter Autor und Wissenschaftler, Mahmoud Alloush, erläuterte die politischen Beweggründe für das wachsende Interesse der Türkei am Golf und erklärte, die Türkei habe in den vergangenen zwei Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um ihre Beziehungen zu den wichtigsten Mächten in der Region zu verbessern. »Die neuen regionalen Umstände scheinen diesen Trend zu verstärken: so ist der regionale Machtkampf im Nahen Osten nicht mehr attraktiv.« Laut Alloush wolle Ankara ein wichtiger Akteur in der neuen, mehr auf Kooperation basierenden Ordnung sein, die sich im Nahen Osten herausbildet und seine Sicherheitsinteressen in der Region sowie seine geopolitische Position im östlichen Mittelmeerraum fördern. »Daher reformiert es seine Beziehungen zu den aktiven Mächten im Nahen Osten.«

Der Türkeiexperte fügte hinzu, dass sich die Türkei bei der Formulierung ihrer neuen Politik die regionalen Entwicklungen zunutze gemacht habe. So habe das nachlassende amerikanische Engagement für die Sicherheit am Golf die Golfstaaten gezwungen, ihre ausländischen Partnerschaften zu diversifizieren. In diesem Rahmen präsentiere sich die Türkei den Golfstaaten als neuer Partner, auf den man sich verlassen kann.

Die Türkei hate ihre Außenpolitik gegenüber den arabischen Golfstaaten also aus mehreren Gründen geändert: kurzfristig aus wirtschaftlichen Gründen, die vor allem auf die Wiederbelebung ihrer Wirtschaft und den Verfall ihrer Währung abzielen. Hinter der neuen Politik stehen jedoch auch weiterreichende Ziele, nämlich die Neupositionierung der Türkei innerhalb der sich verändernden regionalen Ordnung des Nahen Osten sowie die Förderung der Sicherheitsinteressen des Landes.

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