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Ankaras Drohnen-Diplomatie

Türkische Rüstungsindustrie präsentiert Drohnen auf Waffenmesse in Istanbul
Türkische Rüstungsindustrie präsentiert Drohnen auf Waffenmesse in Istanbul (© Imago Images / NurPhoto)

Die boomende Drohnenindustrie in der Türkei trägt nicht nur zu einem Rekord bei Rüstungsexporten bei, sondern erhöht auch den Einfluss Ankaras im Ausland.

Im März legte der staatliche Konzern Turkish Aerospace Industries (TAI) erstmals ein Bild der in Entwicklung befindlichen Tarnkappen-Drohne ANKA-3 vor. Wie der türkische Vizepräsident Fuat Oktay bereits Ende 2022 verkündete, soll diese Kampfdrohne für Radarsysteme nahezu unsichtbar sein. 

Ankara investiert seit Jahren in die Entwicklung und Produktion neuer Drohnensysteme. Die Türkei konnte sich so nicht nur unabhängig von ausländischen Waffensystemen dieser Art machen, sondern durch den weltweiten Verkauf der Drohnen langfristige, lukrative Partnerschaften eingehen.

Drohnen dominieren den Luftkrieg

Es ist mehr als zwei Jahrzehnte her, als die ersten bewaffneten Drohnen zum Einsatz kamen; 2001 in Afghanistan und 2002 im Jemen. In der Entwicklung und Produktion besaßen die USA und Israel lange Zeit eine Art Monopol, ihre Systeme gaben sie nur an ausgesuchte Partner weiter. 

Die Vorteile des Drohneneinsatzes auf dem Schlachtfeld sind vielfältig. Einer der wichtigsten ist die Fähigkeit zur Überwachung und Aufklärung. Mit Kameras und Sensoren ausgestattet, liefern Drohnen Echtzeit-Informationen über feindliche Aktivitäten und ermöglichen dadurch eine genauere Situationsbewertung. Darüber hinaus können diese unbemannten Luftfahrzeuge für gezielte Angriffe eingesetzt werden, um feindliche Objekte aus der Luft zu bekämpfen, ohne dass die eigenen Bodentruppen in Gefahr sind. Dies reduziert die Anzahl der Verluste und erhöht die Effizienz von militärischen Operationen. 

Anders als Kampfflugzeuge können Drohnen, einmal in ein Einsatzgebiet geschickt, dort bis zu 24 Stunden lang kreisen. Zum Beispiel, um Personen oder einzelne Autos zu verfolgen. Ein deutlicher Vorteil gegenüber Kampfflugzeugen, die nur ein bis zwei Stunden in der Luft bleiben. 

Doch Drohnen werden nicht nur an Kriegsschauplätzen, sondern generell zur gezielten Tötung von Personen eingesetzt. Diese Tötungen durch bewaffnete Drohnen in Ländern wie Afghanistan, Jemen, Pakistan und Somalia, insbesondere durch die CIA, wurden international stark kritisiert. Nichtsdestotrotz setzen immer mehr Staaten und bewaffnete nichtstaatliche Akteure Drohnen ein, um inner- und außerhalb von bewaffneten Konflikten Angriffe zu verüben.  Bei der US-Luftwaffe sind die unbemannten Luftfahrzeuge das am schnellsten wachsende Segment. 2012 bildete die US-Air Force erstmals mehr Piloten für Drohnen als für Kampfflugzeuge und Bomber aus. 

Türkei fördert Drohnen-Entwicklung

Lange Zeit waren westliche Staaten mit dem Export ihrer Kampfsysteme zurückhaltend und wollten Ankara die Technologie nur unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung stellen. Um dieser Abhängigkeit zu entgehen, entschied sich Präsident Recep Tayyip Erdogan, eine eigene Drohnenproduktion zu starten. Seit den frühen 2000er Jahren setzt Ankara daher im Zuge seiner Strategie zum Aufbau eines autarken Verteidigungssektors auch auf die Herstellung von Kampfdrohnen. Heute werden sowohl militärische als auch zivile Drohnen in der Türkei produziert und finden in verschiedenen Branchen Anwendung, darunter Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Sicherheit, Landwirtschaft, Bauwesen und mehr. 

Ein großer Teil des Erfolgs der türkischen Drohnenproduktion ist auf die gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung durch die Regierung zurückzuführen. Investitionen in technische Expertise, Schulung von Fachkräften und die Schaffung von Produktionskapazitäten haben dazu beigetragen, dass die Türkei in kurzer Zeit zu einem globalen Akteur in der Drohnenindustrie aufgestiegen ist. Einige dieser privaten Firmen haben enge Kontakte zur Regierung wie der in Istanbul ansässige Rüstungskonzern Baykar Makina, dessen Technischer Leiter der Schwiegersohn Erdogans ist.

Unbemannte Luftfahrzeuge waren 2022 mit einem Wert von rund 870 Mio. Dollar der größte Einzel-Exportartikel der türkischen Verteidigungsindustrie – ein Anstieg um 80 Prozent gegenüber 2021.

Bayraktar TB2 – ein türkischer Exportschlager

Auch wenn die Türkei im Vergleich zu den großen Akteuren wie den USA, Russland und China nur über eine geringe militärische Produktionskapazität verfügt, kann sie durch die Leistungsfähigkeit ihrer Waffen punkten. Insbesondere die vom Konzern Baykar Makina hergestellte Bayraktar TB2-Drohne hat sich als effektives und kostengünstiges Mittel zur Überwachung und Bekämpfung von Zielen am Schlachtfeld erwiesen. 

Türkische Systeme werden mittlerweile in 28 Staaten exportiert und haben durch ihren Einsatz in zahlreichen Konflikten der jüngsten Zeit – von der Ukraine über den Südkaukasus bis hin zu Syrien und Nordafrika – Bekanntheit erlangt. Im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien im Jahr 2020 setzte Baku türkische Drohnen ein. Auch NATO-Partner Polen und Albanien haben türkische Drohnen in ihren Waffenarsenalen. Die Ukraine nutzt neben amerikanischen und chinesischen Drohnen auch die türkische Kampfdrohne Bayraktar TB2. Der Erfolg dieser Drohne wurde 2022 in einem auf YouTube viral gegangenen Lied besungen. 

Im Frühjahr 2020 betitelte Al-Jazeera einen Artikel über den Konflikt in Libyen als »größter Drohnenkrieg der Welt«. Tatsächlich kamen in den Kämpfen zwischen der Einheitsregierung (GNA) in Tripolis und der von General Khalifa Haftar geführten Libyschen Nationalarmee (LNA) massiv Drohnen zum Einsatz. Während Haftar chinesische Wing Loong II in die Schlacht schickte, unterstützte Ankara Tripolis mit Bayraktar TB2. Mithilfe dieser Kampfdrohne gelang es den Truppen der GNA, Bodenziele der LNA anzugreifen und ihre Nachschublinien zu stören. Nicht zuletzt der Einsatz dieser Drohnen trug dazu bei, den Vormarsch General Haftars auf Tripolis 2019 abzuwehren.

Türkische Rüstungsindustrie boomt

Die weltweiten Verkäufe von Drohnen sind nicht nur ein Boost für die türkische Wirtschaft. Durch die Bereitstellung von Schulungen, technischer Hilfe, Ersatzteilen und Munition ergeben sich auch langfristige Partnerschaften. In Libyen führte die erfolgreiche Unterstützung der GNA zur Unterzeichnung eines Abkommens, das türkischen Ölplattformen die Rechte für Bohrungen in libyschen Gewässern gewährt.

Auf der IDEX, der größten Waffenmesse des Nahen Ostens, die im Februar in Abu Dhabi stattfand, war die Präsenz der Türkei nicht zu übersehen. In riesigen Pavillons präsentierte das Land sein Angebot an Kriegsgerät: von gepanzerten Lastwagen und Drohnen bis hin zu Sturmgewehren, taktischer Ausrüstung und lasergesteuerten Raketen.

Die aktuelle internationale Nachfrage ist riesig. Käufer aus dem Nahen Osten, Asien und, nicht zuletzt wegen des Ukrainekriegs, aus Europa, stehen Schlange. Wie türkische Rüstungshersteller angeben, sind sie für die nächsten Jahre mit Aufträgen zur Auffüllung der NATO-Bestände ausgebucht.

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