
„Während die irakische Armee neun Monate brauchte, um Mosul einzunehmen, brauchte sie im Falle Kirkuks nur neun Stunden. Es wurden keine Barrikaden errichtet und die Menschen, die in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober auf die Straße gingen, nahmen den Kampf nicht auf. (…) Am 16. Oktober spazierten irakische Streitkräfte in die verlassene Dienststelle des Gouverneurs und das Stadtratsgebäude. Dies deutete darauf hin, dass es niemals die Absicht gab, die Stadt zu verteidigen und Pläne für die Verteidigung der Stadt vermutlich gar nicht existierten. (…) Die Stadt wurde einfach aufgegeben. Das stellt eine massive Fehlleistung der Führung dar. (…) Der Erfolg Bagdads bei der Spaltung der kurdischen Führung und der Einnahme einer so wichtigen Stadt stellt eine bedeutende Leistung dar. Bagdad hat sich seit 2003 nicht mehr in diesem Maße durchsetzen können. Die irakischen Behörden werden sich nun ermutigt fühlen, weiter vorzustoßen. (…)
Die von den USA im Laufe der Jahre durchgeführte Ausbildung der irakischen Armee und bereitgestellten schweren Waffen spielten bei der Übernahme Kirkuks eine gewisse Rolle. Es ist nicht ohne Ironie, dass die USA die irakische Armee ausgebildet und ausgerüstet hat, die nun im Verbund mit schiitischen Milizen, die vom Iran unterstützt werden, gegen die Kurden eingesetzt wird. In welchem Maße sich US-amerikanische Ausrüstungsgegenstände in den Händen der Milizen befinden bzw. wie eng diese mit der Armee verquickt sind, ist eine entscheidende Frage. (…) Trumps harscher Rhetorik in Sachen Iran zum Trotz hat die Administration die Ereignisse in Kirkuk nicht mit ihrer behaupteten Absicht, sich dem Iran entgegenzustellen, in Verbindung gebracht. Dies liegt daran, dass die USA wissen, dass sie die Präsenz der [schiitischen Milizen der] Volksmobilisierung (PMU) nicht einräumen können, ohne zuzugeben, dass die Koalition viel zu eng mit der PMU zusammengearbeitet hat – und dass die Besiegung des Islamischen Staats die PMU gestärkt hat, ohne dass die USA eine Strategie dafür hätten, wie der iranische Einfluss zurückgedrängt werden könnte. Die USA haben in Bagdad eine Art Golem geschaffen. Je mehr Bagdad vom Iran abhängt, desto mehr hängen die USA von Bagdad ab und können es nur anflehen, sich dem Iran nicht allzu sehr anzunähern. Womöglich steht auch die Preisgabe der Beziehungen zu den Kurden auf der Tagesordnung in der Hoffnung, so den Einfluss des Iran begrenzen zu können.“ (Seth J. Frantzman: „Many questions remain about Kirkuk debacle“)