Von Stefan Frank

Immer wenn die UNO sich mit Israel beschäftigt, wähnen sich nicht wenige Beobachter im falschen Film – manchmal gar nicht nur bildlich gesprochen. Ein Spendenaufruf für die Kinder im Gazastreifen, den die UNRWA, das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen, aus Anlass des beginnenden muslimischen Fastenmonats Ramadan verbreitet hat, warb bis vor wenigen Tagen mit dem Foto eines kleinen Mädchens, das vor den Trümmern eines ausgebombten Hauses steht.
Der Text dazu lautete:
„Stellen Sie sich vor, vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein – Ihr ganzes Leben lang. Das ist die Wirklichkeit für Kinder wie Aya. Die Blockade des Gazastreifens begann, als sie ein Baby war, die Besatzung der West Bank, bevor ihre Eltern geboren wurden. Jetzt ist sie elf, und die Blockade geht weiter. Ayas Kindheitserinnerungen sind Konflikt und Elend, Mauern, vor denen sie nicht fliehen kann und die Angst, dass das einzige Haus, das sie kennt, wie winzig es auch sein mag, verschwunden sein könnte, wenn sie von der Schule nach Hause kommt. Bitte helfen Sie an diesem Ramadan, Kinder wie Aya zu unterstützen, die nichts anderes kennen als Konflikt und Elend.“
Das Mädchen auf dem Foto ist gewiss unglücklich und elend. Ob es aber Aya heißt, wissen wir nicht, und ganz bestimmt hat es nichts mit dem Gazastreifen zu tun – die fragliche Aufnahme stammt nämlich aus Syrien, zeigt ein syrisches Mädchen und wurde von der syrischen Sektion der UNRWA auch schon verschiedentlich zur Illustration von Dokumentationen über Syrien benutzt, etwa hier und hier. Darauf wies die in Genf ansässige Menschenrechtsorganisation UN Watch vergangene Woche hin und forderte eine Entschuldigung von UNRWA-Chef Pierre Krähenbuhl. Nachdem die offensichtliche Falschdarstellung bekannt geworden war, entfernte die UNRWA Bild und Text. Mena Watch bat daraufhin UNRWA-Sprecher Chris Gunness um eine Stellungnahme. Gunness verweist auf eine Presseerklärung vom 3. Juni, in der es heißt:
„Sobald wir von Problemen [im Original: issues], die mit einem Foto zu tun haben, welches wir für unsere Ramadan-Kampagne benutzt haben, erfahren hatten, sind wir der Sache nachgegangen. Wir haben versehentlich ein Foto aus unserem Archiv gepostet, das ein Kind aus Syrien zeigt, und haben gesagt, dass das Kind aus Gaza sei. Das Foto wurde ersetzt.“
Umstrittene UN-Agentur
Hat die Fälschung Methode?
Es drängt sich mithin die Frage auf, ob es sich im vorliegenden Fall wirklich um ein „Versehen“ handelt. Mena Watch fragte Adam Levick, Chefredakteur der britischen Medienbeobachtungsgruppe UK Media Watch. Für ihn ist das „falsche Gaza-Mädchen“ der UNRWA kein Einzelfall. „Manche erinnern sich vielleicht noch daran, dass der BBC-Nahostkorrespondent Jon Donnison während des Gazakriegs von 2012 das Foto eines Mädchens mit dem Titel ‚Schmerz in Gaza‚ twitterte, wozu er seinen eigenen Kommentar fügte: ‚Herzzerreißend’. Es stellte sich heraus, dass das – tatsächlich herzzerreißende – Foto in Wahrheit aus Syrien und nicht aus Gaza stammte; Donnison war gezwungen, sich zu entschuldigen.“ Mit etwas Ähnlichem sei 2014 Guardian-Journalist Chris McGreal, der ehemalige Jerusalem-Korrespondent des Londoner Blattes, aufgefallen: „Seinen Tausenden Followern auf Twitter schickte er das Foto eines beinamputierten Kindes, eines Kriegsopfers aus Syrien, und behauptete fälschlich, der kleine Junge sei ein Palästinenser aus dem Gazastreifen. McGreal löschte schließlich den Tweet, nachdem wir ihn darauf hingewiesen hatten.“ Das Problem, so Levick, sei nicht der Fehler selbst oder der „Fake-News-Aspekt“ des Ganzen, sondern was dies über das „disproportionale Interesse“ aussage, das Journalisten an dem Leid von Palästinensern hätten. „Es ist eine Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit, dass diese Journalisten Fotos von palästinensischem Leid über Twitter weiterverbreiten, viel größer ist als bei Fotos von Leid aus anderen Konfliktgebieten. Oft scheint es, als wäre das Leiden Unschuldiger für viele Journalisten bei weitem nicht so wichtig wie die Dämonisierung und Delegitimierung von Israelis.“
„Moralische Schadenfreude“
Der Fall des von der UNRWA in einen Gaza-Zusammenhang gesetzten syrischen Mädchens und auch der Fall Jon Donnison zeigten, „dass das Foto eines verletzten oder unglücklichen arabischen Kindes viel mehr wert ist, wenn der Schuldige ein souveräner Jude (Israeli) ist, als wenn er ein Mit-Araber ist“. Das, so Landes, sage einiges über denjenigen aus, der eine solche Wiederverwertung von Fotos betreibe: An erster Stelle sei der „humanitäre Rassismus“ zu nennen: „An Araber werden keinerlei moralische Erwartungen gerichtet; wenn sie also ihre eigenen Kinder töten oder verstümmeln, provoziert das wenig bis gar keine Empörung bzw. Interesse.“ Das Zweite sei der „Antijudaismus“: „An Juden werden äußerst hohe moralische Erwartungen gerichtet; wenn sie also arabische Kinder töten oder verstümmeln, dann provoziert das eine gewaltige Empörung.“ „Moralische Schadenfreude“ nennt Landes das. Und schließlich zeige dies auch die „völlige Abwesenheit wirklicher Sorge um das betreffende arabische Kind“ – obwohl dies, so Landes, oft ja die vordergründige Hauptbotschaft sei, wie bei Donnisons „herzzerreißend“. „Aber solange man es nicht Israel in die Schuhe schieben kann, ist das Leiden des Kindes von wenig Interesse“, sagt Landes.
Sein Urteil über das von der UNRWA angeblich verwechselte Foto: „Was an dem Fall so abscheulich ist, ist, dass das Foto von der UNRWA bereits in seinem richtigen Zusammenhang benutzt worden war und dann als Requisit für eine Spendensammlung wiederverwertet wurde, die sich an ein Zielpublikum richtet, das sich angeblich um das Wohl des Kindes sorgt, die aber vor allem darauf ausgerichtet ist, Feindseligkeit gegen den Staat Israel zu schüren, weil dieser das Leben des Mädchens so elend mache. Dass die UNRWA Hand in Hand arbeitet mit den wirklichen Schikaneuren von Gazas Bevölkerung, macht dies nur umso ekliger.“