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Der Standard hat den journalistischen und moralischen Kompass verloren

Ben Segenreich geht hart mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard ins Gericht
Ben Segenreich geht hart mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard ins Gericht (Imago Images / Panthermedia)

Offener Brief von Ben Segenreich an die österreichische Tageszeitung Der Standard, deren Mitarbeiter er fast dreißig Jahre lang war.

Sehr geehrte Leitung des Standard,

ich war fast von der ersten Stunde an und danach fast dreißig Jahre lang Mitarbeiter des Standard. Ich sehe den Standard noch immer irgendwie als »meine« Zeitung. Ich fühle mich daher nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, Ihnen zu schreiben.

Es macht mich fassungslos, dass in einer Situation wie der jetzigen als »Kommentar der anderen« im Standard gleich an zwei Tagen hintereinander Texte ( von Jérôme Segal und Slavoj Žižek) erscheinen, die nichts anderes sind als Anklageschriften gegen Israel.

Ich gehe jetzt gar nicht darauf ein, dass diese Texte Unwahrheiten enthalten, wichtige Aspekte weglassen und einfach zeigen, dass die Autoren die Materie schlecht verstehen. Das Unerträgliche ist, dass die Texte, bei all der scheinheiligen Verurteilung des von der Hamas verübten Massenmords, diesen Massenmord letztlich relativieren und die Hamas-Barbaren und Israel auf die gleiche Stufe stellen. Zitat: »Hamas und israelische Hardliner sind zwei Seiten einer Medaille« – klarer geht es nicht.

Das reiht sich in eine eigentlich schon seit Monaten und Jahren beim Standard entwickelte Routine. Ich habe es natürlich nicht genau gemessen, aber gefühlt sind rund achtzig Prozent der im Standard erscheinenden Texte über Israel Anklageschriften gegen Israel. Zuletzt hat etwa der leitende Redakteur Eric Frey in einem Kommentar nach dem Hamas-Überfall Israel doch tatsächlich unterstellt, es plane im Gazastreifen eine »ethnische Säuberung«.

Angesichts solcher Kommentare und so einer Terminologie kann ich nur sagen: Der Standard hat den journalistischen und moralischen Kompass verloren und ist vom Weg abgekommen. Und bitte tun Sie das nicht als emotionalen Ausbruch ab. Ja, ich bin zornig, aber ich kann klar denken und bin es gewohnt, als Journalist meine Worte präzise zu wählen. Und ich weiß nicht, ob dieses Schreiben an Sie einen Sinn hat, aber vielleicht gibt es Ihnen doch ein wenig zu denken.

Mit besten Grüßen,
Ben Segenreich

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