Der Iran kann den Golfstaaten nicht jene Vorteile bieten, die Israel in petto hat.
Salem el-Ketbi
In letzter Zeit hat der Iran sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene aktiv diplomatische Manöver unternommen und dabei bemerkenswerte Fortschritte in seinen Beziehungen zu verschiedenen regionalen Akteuren erzielt. Dies veranlasst die Frage zu stellen, inwieweit sich diese iranischen Manöver auf Israel und seine strategischen Interessen auswirken.
Der iranische Außenminister Hussein Amir Abdollahian begab sich auf eine Vier-Nationen-Reise in den Oman, nach Katar, Kuwait und in die Vereinigten Arabischen Emirate und empfing den saudischen Außenminister in Teheran. Der Iran ist bestrebt, die Gespräche über sein Atomprogramm wieder aufzunehmen. Medienberichten zufolge besteht die Möglichkeit eines vom Oman vermittelten informellen Abkommens zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten.
Anfang dieses Monats unternahm der iranische Präsident Ebrahim Raisi eine bemerkenswerte Reise durch Lateinamerika, der Besuche in China, ausgewählten zentralasiatischen Staaten, Syrien und anderen Ländern vorausgegangen waren. Die Gemeinsamkeit all dieser Unternehmungen liegt darin, Ausdruck der intensiven iranischen diplomatischen Initiativen zu sein, die darauf abzielen, ihre Machtbasis im Kontext des andauernden Konkurrenzkampfes mit den USA und Israel zu stärken.
Zentrale Frage
Eine zentrale Frage, die sich stellt, ist jene nach den Folgen dieser Manöver für Israel. Wird es Teheran gelingen, die Pläne zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen bzw. den Golfstaaten zu behindern oder aufzuhalten? Untersucht man die verfügbaren Beweise und Indikatoren, um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, werden mehrere einflussreiche Faktoren deutlich:
Zu allererst kann die laufende Verbesserung der iranischen Beziehungen zu den Nachbarstaaten im Golf-Kooperationsrat die bestehenden und potenziellen zwischen diesen Ländern der Region und Israel nicht angemessen ersetzen. Das ist in erster Linie auf die außenpolitischen Orientierungen dieser Länder zurückzuführen, die ihre Außenpolitik auf der Grundlage neuer, von Vielfalt und Inklusivität geprägter Prinzipien umgestalten wollen, um ihren Ambitionen und Wettbewerbszielen gerecht zu werden. Diese Ziele erfordern den Aufbau eines breiten Netzes von Kooperationen, das alle bestehenden und potenziellen regionalen und internationalen Partner umfasst.
Der zweite Aspekt betrifft den strategischen Kooperationsrahmen, der zwischen den arabischen bzw. Golfstaaten besteht, darunter jene Länder, die bereits Friedensabkommen mit Israel ratifiziert haben, sowie der potenziellen künftigen Teilnehmer an den Abraham-Abkommen. Dieses Rahmenwerk umfasst wichtige Sektoren und Bereiche, die für deren Wirtschaft eine entscheidende Rolle spielen.
Diese Überlegungen können nicht durch einen alternativen iranischen Rahmen ersetzt werden, vor allem nicht in den Schlüsselbereichen wie Informationstechnologie, Cybersicherheit, Landwirtschaft, Raumfahrt und anderen.
Drittens bleibt offen, ob die Absichten des Irans ehrliche sind. So sind die aktuellen nicht die ersten Versuche einer Annäherung oder Wiederaufnahme der Beziehungen zu den Golfstaaten, wobei zahlreiche frühere Bemühungen daran gescheitert sind, dass es der Iran versäumt hat, sein Engagement für die Grundsätze freundschaftlicher nachbarschaftlicher Beziehungen unter Beweis zu stellen. Dies offenbart eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Taten und der Rhetorik Teherans bezüglich der regionalen Zusammenarbeit.
Globale und regionale Veränderungen
Auf einer vierten Ebene sind sich die Länder des Golf-Kooperationsrats ebenso wie andere einflussreiche regionale und internationale Mächte des radikalen Wandels bewusst, der sich im globalen System vollzieht. Die Regeln, die dieses System bis dato aufrechterhalten haben, werden durch die laufenden strategischen Interaktionen umgestaltet. Eine Politik, welche die Fähigkeit dieser Nationen einschränkt, ihre Position und ihren Einfluss in den internationalen Beziehungen zu sichern, würde ein großes Problem für sie darstellen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Förderung von Zusammenarbeit mit allen Ländern und einflussreichen Akteuren auf regionaler und globaler Ebene, und zwar ohne Ausnahme.
Folglich können sich besagte Staaten nicht auf das Konzept von Blöcken oder Bündnissen einlassen; sei es, dass sie sich mit dem Iran auf Kosten Israels verbünden oder ein Bündnis mit Israel gegen den Iran eingehen. Diese Tatsache widerspricht der Vorstellung, dass die diplomatische Expansion des Irans den Status und die regionale Wirksamkeit Israels untergraben wird.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Logik der strategischen Interessen die Entwicklung der Beziehungen zwischen diesen Ländern, sei es mit Israel oder mit dem Iran, stark beeinflussen wird, vorausgesetzt, Letzterer hält sich an die etablierten Rahmenbedingungen und übergreifenden Prinzipien, die den jüngsten Fortschritten in den Beziehungen zwischen den Golfstaaten vorausgingen.
Iranische Ideologie
Der fünfte Aspekt betrifft die iranische politische Rhetorik, die dazu neigt, die neue Atmosphäre in den Beziehungen zwischen Teheran und seinen Partnern am Golf unter einem islamischen Deckmantel zu vermarkten und eine »islamische Koalition« gegen das »zionistische Gebilde« präsentieren will. Dies soll als Gegenstrategie zu den friedensorientierten Abraham-Abkommen fungieren und die iranische politische Propaganda bedienen, die der tatsächlichen Realität vor Ort widerspricht.
Die Verbesserung der Beziehungen zwischen Teheran und seinen Partnern in den Golfstaaten ist nicht auf eine »islamische Zusammenarbeit« zurückzuführen, und diese Partner streben auch nicht nach ideologischen oder politischen Bündnissen oder Ausrichtungen. Der springende Punkt ist das Bestreben des Irans, eine Idee zu vertreten, die sich aus seinem Anspruch auf die Führung der islamischen Welt ergibt. Dieser Diskurs schlägt sich in der Folge in Taktiken der Druckausübung und Interessensverfolgung im Umgang mit den internationalen Großmächten nieder.
Ein Hinweis auf diese »Islamisierung« der regionalen geopolitischen Landschaft findet sich in den Äußerungen des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi. So sagte er etwa, »die Gegner der Muslime, allen voran Israel«, seien »beunruhigt über die Fortschritte der bilateralen und regionalen Zusammenarbeit zwischen dem Iran und Saudi-Arabien«.
Diese Botschaft verkündete Raisi bei seinem Treffen mit dem saudischen Außenminister Faisal bin Farhan in Teheran, bei dem er weiters erklärte, »das zionistische Gebilde« sei »nicht nur ein Gegner der Palästinenser, sondern stellt eine Bedrohung für alle Muslime dar. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen bestimmten Nationen und diesem Gebilde gefährdet nicht nur die Sicherheit, sondern läuft auch dem kollektiven Gefühl der islamischen Ummah [Gemeinschaft] zuwider.«
Der sechste Aspekt bezieht sich auf die Entwicklungen in den Beziehungen des Irans zu seinen regionalen Nachbarn, wobei deutlich wird, dass sich das Verhalten, die Haltung und die regionale Politik des Irans, die zur Eskalation der Spannungen und regionalen Gefahren beigetragen haben, abgesehen von der bloßen Rhetorik nur minimal verändert haben. Vielleicht hat sich die Lage in bestimmten Bereichen wie dem Jemen etwas entspannt, ohne dass es jedoch zu konkreten Durchbrüchen oder wesentlichen Beiträgen zur Lösung der Probleme gekommen wäre.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Irans ständiger Vertreter bei der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Mohsen Naziri, auf einer kürzlich abgehaltenen Sitzung der Organisation seine Besorgnis über die vermeintliche »Fragilität« der Sicherheitsmaßnahmen in den von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) errichteten Kernkraftwerken äußerte. Er wies auf die möglichen Gefahren für die Umwelt und regionale Stabilität hin, die sich aus dieser Situation ergäben, obwohl Teheran die Sorgfalt und Vorsicht der VAE beim Bau des – friedlichen Zwecken dienenden – Kernkraftwerks in Barakah anerkennt.
Fazit
Die Dynamik, welche die Beziehungen zwischen dem Iran und seinen Partnern am Golf prägt, entwickelt sich, wie von den Ländern des Golf-Kooperationsrats gewünscht, in eine bestimmte Richtung. Diese Entwicklungen stehen aber nicht im Widerspruch zu den Beziehungen, die diese Staaten mit anderen regionalen Akteuren, darunter Israel, unterhalten.
Sie alle sind jedoch entschlossen, jene Spannungen, welche die regionale Stabilität gefährden, zu entschärfen, indem sie einerseits die Krise mit dem Iran deeskalieren möchten und andererseits Friedensvereinbarungen mit Israel anstreben. Folglich erscheint es unwahrscheinlich, dass die laufenden geopolitischen Veränderungen in der Region die Atmosphäre des Friedens und des Fortschritts, die sich zwischen Israel und den arabischen bzw. Golfstaaten entwickelt hat bzw. erreichbar geworden ist, beeinträchtigen werden.
(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)