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Saudi-Arabien verübt schwere Verbrechen gegen Flüchtlinge

Saudische Grenzpolizei an der Grenze zum Jemen
Saudische Grenzpolizei an der Grenze zum Jemen (© Imago Images / Kyodo News)

Laut einem aktuellen Bericht der Organisation Human Rights Watch geht Saudi-Arabien an seiner Grenze zum Jemen im wahrsten Sinne des Wortes mörderisch gegen Flüchtlinge vor, unter ihnen zahllose Frauen und Kinder.

Die überwältigende Mehrheit aller Menschen auf der Flucht sucht in Nachbarländern Schutz, nur ein kleiner Bruchteil verfügt über die finanziellen Möglichkeiten, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Während immerhin noch über Schiffsunglücke von seeuntüchtigen Booten voller Flüchtlinge im Mittelmeer berichtet wird, herrscht weitgehende Unkenntnis über all die Tragödien, die sich an den Grenzen außerhalb Europas abspielen.

Jüngst schaffte es kurz die Meldung in die Nachrichten, dass einige der aus dem subsaharischen Afrika stammenden Flüchtlinge, die von Tunesien abgeschoben und in der libyschen Wüste ausgesetzt worden waren, dort elendig verstarben. Was hingegen zum Beispiel an Grenzen südlich der Sahara geschieht, bleibt unbekannt, nur so viel ist klar: Fast täglich kommen in der Sahara auf den Fluchtwegen durch Mali, Niger und den Tschad Menschen zu Tode; andere müssen unter schier unbeschreiblichen Bedingungen ihr Leben fristen.

Ganz besonders übel sieht es für all diejenigen aus, die überhaupt keine auch nur halbwegs sicheren Fluchtrouten haben. So wird ausgerechnet der Jemen, das ärmste Land der arabischen Welt, das zudem von jahrelangem Bürgerkrieg zerstört wurde, zum Ziel vieler Menschen, die aus Äthiopien vor dem dort herrschenden Bürgerkrieg fliehen. 

Brutales saudisches Vorgehen

Der Jemen – und das ist auch einer der Gründe, weshalb es so wenige Menschen aus dem Land schaffen –, grenzt an Saudi-Arabien, das selbst Kriegspartei im Nachbarland ist und zugleich versucht, seine Südgrenzen hermetisch gegen Flüchtlinge abzuriegeln; ganz besonders, da diese Region von den vom Iran unterstützten Huthis kontrolliert wird, die wiederum mit Menschenschmuggel ihre Kriegskassen füllen.

Zu welch drastischen Maßnahmen die saudische Regierung dabei greift, prangerte jetzt ein Bericht von Human Rights Watch (HRW) an: Offensichtlichen schießen saudische Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf Äthiopier, die versuchen, aus dem Jemen in die reiche Golfmonarchie zu gelangen. Hunderte sollen dabei schon zu Tode gekommen, unzählige andere schwer verletzt worden sein:

»Unter Verwendung von Satellitenbildern, Fotos von Todesfällen aus mehr als zwanzig Vorfällen, Zeugenaussagen von Überlebenden und der Untersuchung der Wunden von Überlebenden durch Gerichtsmediziner, konnte HRW ein eindrückliches und entsetzliches Bild einer eskalierenden Kampagne extremer Gewalt gewinnen, die sich gegen Menschen richtet, die versuchen, die Grenze zu überqueren.

Zeugenaussagen beschreiben Massentötungen, bei denen Frauen und Kinder im Beschuss sterben, und erzählen davon, dass Leichen und Leichenteile entlang der Wege verstreut liegen. ›Ich habe gesehen, wie Menschen auf eine Weise getötet wurden, die ich mir nie hätte vorstellen können‹, erzählte das 14-jährige Mädchen Hamdiya, das im Februar in einer Gruppe von sechzig Personen die Grenze überquerte, den Forschern. ›Ich sah, wie dreißig Menschen an Ort und Stelle getötet wurden.‹«

Die leitende Forscherin bei der Erstellung des Berichts, Nadia Hardman, bezeichnete die Ergebnisse als obszön: »Ich beschäftige mich mit Gewalt an Grenzen, aber so etwas habe ich noch nie gesehen, den Einsatz von Explosivwaffen, auch gegen Frauen und Kinder.«

Die Untersuchung stützt sich auf eine wachsende Zahl von Beweisen für Menschenrechtsverletzungen an der saudisch-jemenitischen Grenze, wobei das geschätzte Ausmaß der Tötungen von Augenzeugen angegeben wurde. Zu einem der Vorfälle sagte ein Überlebender, er wisse, dass von seiner 170 Personen umfassenden Gruppe »rund neunzig Menschen getötet wurden, denn einige kehrten an den Ort zurück, um die Leichen abzuholen – sie zählten neunzig Leichen.«

Die später Getöteten und Verletzten hatten sich von zwei Lagern in der Nähe der saudischen Grenze aus auf den Weg gemacht, die von Menschenschmugglern geführt und von Huthi-Kräften kontrolliert werden: das Migrantenlager Al Thabit in einem Wadi etwa vier Kilometer von der Grenze entfernt, und Al Raqw, ein siebzehn Kilometer südlich von Al Thabit gelegenes Zeltlager, das sich ebenfalls an der Grenze befindet.

Seltenes Schlaglicht

Der Report wirft ein ansonsten seltenes Schlaglicht auf die Realitäten, die auf solchen Fluchtrouten herrschen. Weitergehende Konsequenzen dürfte er nicht haben, werben westliche Regierungen doch gerade einmal wieder um die Gunst der Saudis. Niemand würde wegen solcher Vorfälle Maßnahmen fordern, bestenfalls werden ein paar freundliche Ermahnungen nach Riad geschickt.

Nicht nur möchte man es im Westen sich nicht mit den Golfmonarchien verscherzen, de facto wird das praktiziert, was im EU-Jargon als »heimatnahe Fluchtabwehr« bezeichnet wird. Und von dieser profitiert Europa enorm, denn im Jemen leben Millionen Heimat- und Binnenvertriebene neben den Flüchtlingen aus Afrika. Wäre es ihnen möglich, würden sie sich angesichts der absoluten Perspektivlosigkeit in ihrem Land, der täglichen Gewalt und Willkür diverser Warlords und anderer Banden sofort auf den Weg machen wie die Syrer, die damals wenigstens das Glück im Unglück hatten, dass die Nachbarstaaten sie anfänglich über die Grenzen ließen und auch bis heute noch mehrere Millionen von ihnen versorgen.

Was Human Rights Watch von der saudisch-jemenitischen Grenze beschreibt, ist auch an vielen anderen Grenzen in Afrika und Asien bittere Realität. Angesichts solcher Berichte klingt es wie blanker Hohn, wenn auf irgendwelchen Gipfeltreffen Politiker von der Notwendigkeit sprechen, man müsse »sichere Fluchtrouten« schaffen. Denn seit Jahren verschlechtert sich die Lage nicht nur in unzähligen Ländern, sondern es wird für Menschen auch immer schwieriger, aus ihnen zu fliehen angesichts von Grenzen, die sich hermetisch um sie schließen.

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