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Ritualmordlegende Reloaded: Das Gerücht über Israel

Antiisraelische Demonstration in Wien inszeniert die alte antijüdsiche Legende vom Kindermörder
Antiisraelische Demonstration in Wien inszeniert die alte antijüdische Legende vom Kindermörder (Imago Images / SEPA.Media)

Ob die Rädelsführer der Demonstrationen gegen Israel ihre antisemitischen Wahnvorstellungen selbst glauben, ist irrelevant, insofern für sie bloß zählt, den Hass auf den jüdischen Staat zu schüren.

Eine der ältesten antisemitischen Erzählungen ist die Ritualmordlegende: die Behauptung, Juden würden zu rituellen Zwecken Kinder ermorden und deren But verwenden, etwa bei der Beschneidung jüdischer Knaben oder für die Zubereitung der Matzen für Pessach. Zu dieser Legende gehört auch die Behauptung, Juden als effeminierte Wesen würden menstruieren und das dabei verlorene Blut mit dem von christlichen Kindern ersetzen.

Wie man sieht, kann kein »Gerücht über die Juden« (Theodor W. Adorno) abstrus genug sein, um von Antisemiten nicht doch verbreitet zu werden.

Während nicht zuletzt aufgrund der Säkularisierung allzu krude religiöse Stereotype heute wohl nur noch von einer kleinen Gruppe an den Rändern der Gesellschaft geglaubt werden, feiern die Ritualmordlegenden in modernisierten Formen fröhliche Urständ. Der Inhalt an der Oberfläche mag sich geändert haben, der Gehalt der Vorwürfe gegen die Juden ist derselbe geblieben.

Da ersteht die Brunnenvergifter-Legende dann in der Form auf, dass israelische Rabbiner dazu aufgerufen hätten, das Grund- bzw. Trinkwasser der Palästinenser zu vergiften, oder dass israelische Soldaten wahlweise unfruchtbar machende oder aphrodisierende Kaugummis an palästinensische Kinder verteilen würden, um so entweder hinterrücks einen Genozid durchzuführen oder andererseits die palästinensische Gesellschaft zu sexualisieren und sie durch Untergraben der Moral zu zerstören.

Nicht totzukriegen

Im aktuellen Krieg Israel gegen die Hamas taucht auch die ebenso altbekannte wie durch keine Logik aus der Welt zu schaffende Argumentation wieder auf, israelische Soldaten würden palästinensischen Kriegsopfern Organe entnehmen, um damit Handel zu treiben. 

Dass man Leichen keine Organe entnehmen kann, um sie danach zur Transplantation zu nutzen; dass klinisch tote Organspender vielmehr mit Sauerstoff versorgt werden müssen, damit die Organe keinen Schaden nehmen und für all das ein steriles Umfeld wie in einem Spital gegeben sein muss, wovon auf dem Schlachtfeld oder bei Luftangriffen keineswegs die Rede sein kann – all das ficht diejenigen nicht an, die Israel regelmäßig des Organraubs und -handels bezichtigen, was der jüdische Staat in einer Art medizinischem Wunderwerk angeblich sogar bei schon begrabenen und dann exhumierten Leichen zustande bringen soll.

Ein weiterer antisemitischer Topos, der aktuell auf keiner der antiisraelischen Demonstrationen fehlen darf, die seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober fast täglich stattfinden, ist jener vom »Kindermörder Israel«. Dass auch hierbei kein Argument zu absurd sein kann, um nicht geglaubt und mit Applaus bedacht zu werden, bewies die mittlerweile sattsam bekannte antiisraelische Aktivistin Nicole Schöndorfer jüngst auf einer Demonstration der Palästina Solidarität Österreich in Wien.

Im Zuge des israelischen Kriegs gegen die Hamas sei »sogar recherchiert und bestätigt worden«, erklärte Schöndorfer dem geneigten Publikum, dass israelische Drohnen ihre Ziele für Luftangriffe in Gaza »mittels Frequenzen aussuchen, die eine höhere Konzentration von Kindern aufweisen«.

Das Kauderwelsch verrät die Sprecherin: Auch wenn sie wahrscheinlich selbst nicht erklären könnte, was Frequenzen sein sollen, die Kinderkonzentrationen aufweisen, ließ Schöndorfer sich nicht davon abhalten, ihrer abstrusen Behauptung ein »unfassbar« nachzuschieben: »Da sitzen Leute zusammen und entwickeln solche genozidalen Technologien.« 

Und als wäre das noch nicht genug an Absurdität, wurde ihr Fantasiegebilde prompt mit empörten »Pfui«-Rufen anwesender Demonstranten bekräftigt, woraufhin noch nicht einmal Schöndorfer selbst anders konnte, als ungläubig zu lachen – ganz so, als wüsste sie genau, was ihre Propaganda allein bewirken soll: die Verbreitung des Stereotyps vom »Kindermörder Israel«. Ob Leute wie Schöndorfer die Inhalte ihrer Wahnvorstellungen wirklich glauben oder nicht, ist dabei letzlich irrelevant. Was zählt ist einzig, den Hass auf den jüdischen Staat zu schüren.

Dies ist ein Auszug aus unserem Newsletter vom 10. Januar. Wenn Sie den nächsten Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich an!

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