Wir, Stipendiat*innen und Ehemalige der Friedrich-Ebert-Stiftung, fordern die FES auf
- sich von dem Women’s March USA zu distanzieren und den Preis unverzüglich zurückzunehmen,
- die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance anzunehmen,
- zukünftige Projekte, Preisverleihungen und jegliche Aktivitäten auf Antisemitismus zu überprüfen – mit Hilfe von Expert*innen in diesem Feld,
- jeder Form von Antisemitismus sowohl FES-intern als auch extern entschieden entgegenzutreten.
An dieser Stelle möchten wir verdeutlichen, was Antisemitismus ist. Die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die auch die Bundesregierung unterstützt, lautet: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die im Hass auf Juden Ausdruck finden kann. Rhetorische und physische Manifestationen von Antisemitismus richten sich gegen jüdische oder nicht-jüdische Individuen und/oder ihr Eigentum, gegen Institutionen jüdischer Gemeinden und religiöse Einrichtungen.“[2] Laut IHRA beschuldigt der Antisemitismus Juden und Jüdinnen*, sich verschworen zu haben, der Menschheit Schaden zuzufügen und wird dazu verwendet, Juden und Jüdinnen* die Schuld dafür zu geben, „dass etwas schief läuft“.[3] Antisemitismus drückt sich in Sprache, Schrift, Bildern sowie Handlungen aus und benutzt Stereotype und negative Charakterzüge. Antisemitismus kann auch in Form von israelbezogenem Antisemitismus in Erscheinung treten. Dazu gehören Feindseligkeiten gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird.[4]
Nach aufkommender Kritik am WM aufgrund antisemitischer Äußerungen, veröffentlichter dieser Anfang März 2018 eine Pressemitteilung. Nach der Veröffentlichung änderte sich jedoch nichts an den antisemitischen Aussagen der Beteiligten. So bezeichnete Sarsour Israel z.B. als Apartheid („Was in Palästina geschieht, ist durch unsere Steuerzahler finanzierte Apartheid“, Juni 2018).[9] Auch antisemitische Verschwörungstheorien, die der Ritualmordlegende sehr nahe kommen, werden von ihr verbreitet. So sagte sie im September 2018, dass wenn Polizist*innen in Amerika unbewaffnete Schwarze erschießen, im Hintergrund jüdische Verantwortliche lauern würden.[10]
Linda Sarsour, Carmen Perez (ein weiteres Vorstandsmitglied des WM) sowie Tamika D. Mallory (eine Co-Vorsitzende des WM, die den Menschenrechtspreis der FES entgegennehmen soll) sind durch die teils langjährige Unterstützung des notorischen Antisemiten Louis Farrakhan aufgefallen,[11] der unter anderem Adolf Hitler als „very great man“[12] bezeichnete und Juden und Jüdinnen* zuletzt mit Termiten verglich.[13] Auch nachdem Mallory im März dieses Jahres mehrfach aufgefordert wurde sich von den antisemitischen und transphoben Aussagen Farrakhans zu distanzieren, weigerte sie sich.[14] Farrakhan sieht die Schuld an der Unterdrückung von Schwarzen bei jüdischen „Blutsaugern“[15] und erklärte „einflussreiche Juden sind meine Feinde“.[16]
In Solidarität mit A Day Without a Woman, wurde vom WM zum 8. März 2018 ein Streik organisiert. Zu den Organisatorinnen dieses Streiks gehörte auch die palästinensische Terroristin Rasmea Yousef Odeh.[19] Auch der positive Bezug auf Odeh durch Linda Sarsour und den WM, verdeutlicht die einseitige, israelfeindliche Haltung. Diese Beispiele sind nur eine Auswahl von antisemitischen Aussagen von Mitgliedern des WM. Dazu kommen misogyne Äußerungen von Linda Sarsour, die in einem – nach Kritik – durch sie später gelöschten Tweet, welcher u.a. an Ayaan Hirsi Ali, die als Mädchen in Somalia Opfer von Genitalverstümmelung wurde, gerichtet war, äußerte: „Ich wünschte ich könnte ihnen ihre Vaginas wegnehmen – sie verdienen es nicht Frauen zu sein.“[20]
Die Presseerklärung des WM, die auch von der FES als Beweis dafür angeführt wird, dass sich der WM ausreichend von Antisemitismus distanziere, zeigt, dass der WM ein unterkomplexes Antisemitismusverständnis hat. Sie erweckt den Eindruck, als ob Antisemitismus ertragen werden müsse, bis die Welt eine Bessere sei. Gleichzeitig beziehen sich die Autor*innen lediglich auf einen antisemitischen Vorfall, lassen den Großteil jedoch aus.[21] Noch beunruhigender ist, dass weitere Vorkommnisse erst nach der Veröffentlichung der Presseerklärung Anfang März 2018 geschehen sind, wie viele der oben genannten Beispiele zeigen. Aktuelle Äußerungen u.a. von Carmen Perez zeigen, dass die Kritik bezüglich ihrer Nähe zu Farrakhan nicht als Anlass zur Reflexion, Distanzierung zu Farrakhan und damit zu einem aufrichtigen Verurteilung von Antisemitismus genutzt wurde.[22] Auch nach dem antisemitischen Terrorakt am 27.10. 2018 in Pittsburgh, bei dem 11 Juden und Jüdinnen* in einer Synagoge ermordet wurden, wurde Antisemitismus lediglich in den Reihen von „white supremacists“ gesehen, sich aber nicht von dem Antisemitismus in den eigenen Reihen distanziert und mit diesem auseinandergesetzt.[23]
Ein Projekt, welches zwar Feminismus fördert, aber im Gegenzug Juden und Jüdinnen* sowie Zionist*innen diskriminiert und Israel das Existenzrecht abspricht, kann nicht von einer demokratischen Stiftung ausgezeichnet werden, die sich für Vielfalt und gegen Diskriminierung ausspricht.
Mitglieder des stipendiatischen Arbeitskreises „Kritik des Antisemitismus und Jüdische Studien“ der FES
Kontakt bitte via E-Mail an ak.ajues.stip@gmail.com
Download des offenen Briefs: DE/EN
Anmerkungen:
[1] https://www.fes.de/menschenrechtspreis/
[2] Siehe für weitere Erläuterungen und Beispiele: https://www.holocaustremembrance.com/node/196 und https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/kulturdialog/06-interkulturellerdialog/-/216610
[3] Ebd.
[4] Eine Hilfsformel zur Erfassung von israelbezogenem Antisemitismus ist die der „Drei-Ds“: Delegitimierung, Dämonisierung, Doppelstandards. Dies ist der Fall, wenn Israel als Staat delegitimiert und dämonisiert wird. Ein doppelter Standard liegt vor, wenn Handlungen der israelischen Regierung oder Bevölkerung anders eingestuft werden als die von anderen Ländern und Akteur*innen. Siehe auch zur Unterscheidung von Antisemitismus und normaler Kritik an Israel: Salzborn, Samuel, „Israelkritik oder Antisemitismus? Kriterien für eine Unterscheidung“, Kirche und Israel. Neukirchener Theologische Zeitschrift 28:1, 2013, S. 5-16. http://www.salzborn.de/txt/2013_Kirche-und-Israel.pdf
[5] Siehe Interview: https://www.thenation.com/article/can-you-be-a-zionist-feminist-linda-sarsour-says-no/
[6] http://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/234702
[7] Die antisemitische Boykottbewegung BDS („Boycott, Divestment and Sanctions“) ruft zum Boykott gegen Israel auf und stellt wiederholt das Existenzrecht Israels in Frage.
[8] https://www.haaretz.com/us-news/.premium-at-anti-semitism-panel-linda-sarsour-speaks-her-mind-1.562718 oder https://jfda.de/blog/2018/01/22/israelgegnerinnen-instrumentalisieren-womens-march-2018-in-berlin/
[9] Zitat von L. Sarsour im Original: „This is apartheid happening in Palestine, funded by our taxpayers“ https://www.haaretz.com/us-news/.premium-mallory-you-don-t-show-up-to-somebody-s-home-and-throw-them-out- 1.6137993 [21.10.2018]; Siehe auch z.B.: https://www.youtube.com/watch?v=nYfAGgX5p04
[11] Linda Sarsour, ISNA Convention, September 2018: https://www.algemeiner.com/2018/09/26/linda-sarsours-blood-libel/ oder: https://www.mena-watch.com/linda-sarsour-juden-sind-schuld-an-polizeigewalt-in-den-usa/
[12] Siehe z.B. https://www.heyalma.com/everything-need-know-anti-semitism-womens-march-movement/
[13] https://www.ajc.com/news/national/who-louis-farrakhan-things-know-about-the-nation-islam-leader-black- activist/1zUaxjihBLiqOKso5h262H/
[14] https://www.jta.org/2018/10/21/news-opinion/farrakhan-termites-video-removed-facebook
[16] Ebd. und: Juliane Wetzel: Farrakhan, Louis (Haleem Abdul) [geboren als Louis Eugene Walcott]. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Bd. 2: Personen. De Gruyter Saur, Berlin 2009, S. 221.
[17] https://www.vox.com/identities/2018/3/7/17082030/womens-march-louis-farrakhan-tamika-mallory-anti-semitism- controversy
[18] https://www.jta.org/2018/04/18/news-opinion/womens-march-leader-tamika-mallory-attacks-starbucks-including-adl-bias- adviser
[19] https://www.haaretz.com/us-news/.premium-mallory-you-don-t-show-up-to-somebody-s-home-and-throw-them-out-1.6137993
[20] https://www.washingtontimes.com/news/2017/mar/24/rasmea-odeh-convicted-terrorist-agrees-leave-us-ex/ „Odeh wurde 1969 für einen Bombenanschlag auf einen Supermarkt in Israel verurteilt. An einem Freitagabend detonierte ein als Kaffeedose getarnter Sprengsatz, tötete zwei Studenten und verletzte neun weitere Einkäufer. Eine zweite Bombe konnte entschärft werden. Auch wenn ihre Verteidiger damals behaupteten, Odehs Geständnis sei unter Folter erzwungen worden, hat sie eine Beteiligung an dem Anschlag selbst niemals bestritten. Nach zehn Jahren in Haft wurde sie im Zuge eines Gefangenenaustausches von der Palästinensischen Volksbefreiungsfront (PFLP) freigepresst.“ https://jungle.world/artikel/2017/31/doppeldeutige-botschaften
[21] Zitat von L. Sarsour im Original: „I wish I could take their vaginas away – they don’t deserve to be women“ https://twitter.com/shireenqudosi/status/824762593940164608
[23] https://drive.google.com/file/d/1Bv-w3mu-t-FL17lOOynGiO__gvygADUi/view
[24] https://twitter.com/msladyjustice1/status/1053017121058258944
[25] https://www.dailywire.com/news/37723/womens-march-holds-vigil-oppose-anti-semitism-%E2%80%93-emily-zanotti
[26] https://women4all.org/sistermarches/
[27] „How the New ‚WoMen for All‘ is Fighting Anti Semitism and So Much More“: https://www.theinsidepress.com/how-the- new-women-for-all-is-fighting-anti-semitism-and-so-much-more/?fbclid=IwAR0c0G5MhcgTzBC1xlve82q2KSP- lqtxdC5N4D3IRh9tkXwTSSyd_PC5LGc