Seitdem Äthiopien 2020 seinen Nil-Staudamm in Betrieb genommen hat, ringen die Anrainerstaaten um die Verteilung des Wassers.
Zehn Jahre hat der Bau des Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) gedauert, der, ist der Stausee einmal gänzlich gefüllt, bis zu 5.000 Megawatt Elektrizität erzeugen soll und damit die äthiopische Stromgewinnung verdoppeln würde. Mit dieser enormen Kraftanstrengung und einer Investition von fünf Milliarden Dollar erhoffte sich das Land einen massiven Modernisierungsschub für die Wirtschaft und eine landesweite Stromversorgung für die Bevölkerung.
Doch was den einen Freud’, ist des andern Leid. Schon bei der Grundsteinlegung im Jahr 2011 gab es heftige Proteste der beiden Nil-Anrainerstaaten Ägypten und Sudan gegen den Bau. Sie befürchten, dass Äthiopien künftig die Füllgeschwindigkeit des Nils zu ihren Ungunsten regulieren könnte. Der Nil ist Ägyptens Hauptwasserquelle, von der die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung abhängen.
Um dieses Problem zu lösen, gab es im Laufe der letzten Jahre einige Gesprächsrunden zwischen Äthiopien, dem Sudan und Ägypten, die jedoch alle ergebnislos verliefen, da Äthiopien nicht bereit war, die vom Sudan und von Ägypten gestellten Forderungen zu erfüllen. Bei der letzten Konferenz, die 2020 vom Sudan einberufen wurde, bekräftigte Äthiopien seinen Standpunkt, kein Abkommen zu akzeptieren, das seinen »Wasserrechten« Beschränkungen auferlege.
Der Konflikt um die Nutzung des Nils hat seinen Ursprung in der britischen Kolonialzeit, als dem Sudan und Ägypten von Großbritannien das Nilwasser vertraglich zugesprochen wurde, ohne Äthiopien je in die Verhandlungen einbezogen zu haben, obwohl der Blaue Nil in Äthiopien entspringt. Und genau an dieses Faktum erinnert die äthiopische Regierung Ägypten und den Sudan immer wieder, auch wenn sich vor allem Ägypten gerne als »Besitzer« des Nils in der Öffentlichkeit präsentiert.
Neuer Anlauf
Diese Woche hat das ägyptische Ministerium für Wasserressourcen und Bewässerung Äthiopien und den Sudan zu einer neuen Verhandlungsrunde eingeladen, um endlich zu einer für alle drei Staaten annehmbaren Einigung und einem kompromissfähigen Verteilungsvertrag zu kommen.
Wie der ägyptische Bewässerungsminister Hani Sewilam gegenüber internationalen Medien erklärte, sollen die Gespräche zu einer Einigung führen, »welche die Interessen und Bedenken der drei Länder berücksichtigt« und »einem Ende der einseitigen Maßnahmen«. Im Gegensatz zum Sudan, der mittlerweile zu einer Einigung mit Äthiopien gekommen ist, sieht Ägypten im äthiopischen GERD eine »existenzielle« Bedrohung.
Die nun anlaufenden Gespräche gehen auf ein Treffen des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und des äthiopischen Regierungschefs Abiy Ahmed zurück, die im Juli vereinbart hatten, innerhalb von vier Monaten ein Abkommen schließen zu wollen.