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Das »Entsetzen« über Israels Außenminister

Israels Außenminister Eli Cohen. (© imago images/Pacific Press Agency)
Israels Außenminister Eli Cohen. (© imago images/Pacific Press Agency)

Warum sind Journalisten »entsetzt« über einen Lapsus des israelischen Außenamtes, nicht aber über den Wahnsinn auf Libyens Straßen und in der Regierung?

Es mag nicht der klügste Schritt eines Politikers sein, Gespräche öffentlich bekannt zu machen, die aus guten Gründen zuvor geheim gehalten wurden. Und wenn sich ausgerechnet ein Außenministerium, für dessen Diplomaten Verschwiegenheit zu den wichtigsten Berufsvoraussetzungen gehört, diesen Fauxpas leistet, mögen das Haus und sein aktueller Chef Kritik verdient haben und werden auch einigen Spott vertragen müssen.

Die Rede ist natürlich von Israels Außenminister Eli Cohn und dessen Bekanntmachung eines Gesprächs mit seiner libyschen Amtskollegin Najla Mangoush, das in Libyen zu so wütenden Protesten geführt hat, dass Mangoush gefeuert wurde und um ihrer persönlichen Sicherheit willen das Land verlassen musste. Wäre das Gespräch geheim geblieben, wäre ihr Leben nicht in Gefahr gekommen und ihr die Flucht erspart geblieben. So weit, so schlecht.

Israelischer Sprengmeister

Doch wieder einmal kann man sich über die Reaktionen, die eine Geschichte aus Israel hervorruft, nur wundern. Im Standard etwa schrieb Israel-Korrespondentin Maria Sterkl, dass seit Jahren am »fragilen Gerüst« möglicher zukünftiger Beziehungen zwischen Libyen und Israel gebaut worden sei, doch »es brauchte nur wenige Minuten, um dieses Gerüst zum Einsturz zu bringen«. Und wer schuld ist, daran hatte Sterkl nicht den geringsten Zweifel: »Der Sprengmeister, auf den nun alles mit Entsetzen blickt, ist niemand Geringerer als Israels Außenminister Eli Cohen.«

Es ist bezeichnend, dass Sterkls »Entsetzen« dem Lapsus des israelischen Ministers gilt, nicht aber den Reaktionen, welche die Bekanntgabe des Gesprächs in Libyen ausgelöst hat. Denn bei aller Kritik: Nicht Cohen hat Mangoush in die Flucht gezwungen: das haben die gewalttätigen Mobs in den Straßen von Tripolis und anderen Städten sowie die libysche Regierung getan. Diese hat aller Wahrscheinlichkeit nach zwar schlicht gelogen, als sie jegliches Wissen über das Gespräch leugnete, hielt sich danach aber strikt an das israelfeindliche Drehbuch, als stünde das Land immer noch unter der Herrschaft Gaddafis.

Anstatt bestürzt darüber zu sein, was in den Köpfen von Libyern vorgeht, denen angesichts des Zustands ihres eigenen Landes – der mit Israel nicht das Geringste zu tun hat – nichts Besseres einfällt, als wegen eines bloßes Gesprächs Amok zu laufen, ist Sterkl »entsetzt« über den »Sprengmeister« aus Israel.

Saudi-Arabien ist weiter, als Journalisten denken

Auch deshalb, weil das Problem Sterkl zufolge viel weiter gehe: »Der Vertrauensbruch des israelischen Außenministers droht nun auch die Gespräche mit anderen, wichtigeren Partnern zu belasten, allen voran mit Saudi-Arabien.«

Warum, das bleibt ihr Geheimnis. Jeder in Saudi-Arabien weiß um die Kontakte des Landes zu Israel, trotzdem scheint Sterkl entgangen zu sein, dass deswegen weder in den Straßen Saudi-Arabiens randaliert würde, noch dass an Gesprächen mit Israel beteiligte Vertreter des Landes aus Furcht um Leib und Leben Reißaus nehmen müssten. Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Bahrain wurden keine Bilder von Mitgliedern der Königshäuser verbrannt, als die Länder ihre Beziehungen zu Israel normalisierten. All diese Staaten sind viel weiter, als Sterkl es ihnen offenbar zutraut.

Es mag für sie und viele andere, die sich dieser Tage über den »diplomatischen Pallawatsch« Israels  auslassen, überraschend sein, aber es ist auch in der arabischen Welt nicht »normal«, sofort den Verstand zu verlieren, wenn der Name Israel fällt. Das Feindbild, von dem der Nahe Osten geraume Zeit besessen war, hat in weiten Teilen der Region längst ausgedient. Dass es gerade von den Führungen gescheiterter Staaten wie Libyen und Syrien oder blutigen Diktaturen wie jener im Iran noch hochgehalten wird, ist kein Zufall.

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