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Köln: Islamistische Mode-Influencerinnen auf Propagandafeldzug (Teil 1)

Islamistische Influencerinnen versuchen, Abaya im Westen hip zu machen
Islamistische Influencerinnen versuchen, Abaya im Westen hip zu machen (© Imago Images / ingimage)

Während Frauen im Iran und in Afghanistan gegen den Hidschabzwang und seine Konsequenzen demonstrieren, macht sich in der muslimischen Influencer-Szene westlicher Länder ein Trend zur Glorifizierung der Verhüllung breit. 

Moritz Fryczewski & Initiative »Free Iran Now« Kassel 

Als »Hijab Try on« werden sie angekündigt, die über 188.000 mal mit Likes versehenen  Kurzvideos auf dem Instagram- und TikTok-Kanal der Bekleidungsmarke Abaya Sultan. Das Label stammt aus dem Kölner Vorort Pulheim und »hat es sich als Ziel gesetzt, Schwestern bei ihrer Bedeckung zu unterstützen«. 

In den Try on-Reels werden junge, eher westlich gekleidete Frauen zuletzt auf der Kölner Shoppingmeile Schildergasse angesprochen und zur Anprobe einer muslimischen Vollverschleierung, der Abaya, motiviert. Eine in der Anfangssequenz schüchtern wirkende und modern gekleidete junge Frau wird auf offener Straße mit einem Gewand aus der Abaya-Sultan-Kollektion bekleidet, um danach im Spiegelbild mit der Veränderung konfrontiert zu werden. Begleitet wird der Akt von sogenannten Nasheeds, einer spirituellen Musikform islamischer Lobpreisungen und Hymnen. Mit begeisterten Ausdrücken wie »gorgeous« (»großartig«) wird der neue Look kommentiert. Das Abaya-Testimonial präsentiert schließlich freudestrahlend in schwingender Pose das reizarme Outfit. 

Die Try-on-Videos sind ein Reichweiten-Schlager auf den Social-Media-Kanälen von Abaya Sultan. Auf Instagram und TikTok verbucht das Profil über siebzigtausend Follower und erzielt mit den Anprobe-Reel Hunderttausende Likes. Neben den Anprobe-Reels setzen professionelle Models die Gewänder an verschiedenen Orten Kölns in Szene. 

Verbindungen zum Islamismus? 

Auffallend ist, dass die Schleier hier oft inklusive Gesichtsverschleierung getragen werden, sodass lediglich die Augenpartie sichtbar ist. Dabei handelt es sich um eine außerordentlich konservative Verhüllungsform, die in den islamistischen Unrechtsstaaten Afghanistan, Saudi-Arabien oder Entitäten wie  dem Islamischen Staat (IS) populär ist. Laut Impressum des Online-Shops ist die Firma auf »Sultan Ulu« in der Kleinstadt Pulheim im Rhein-Erft-Kreis angemeldet. 

Ob Abaya Sultan den Strukturen des politischen Islams in Deutschland zugehörig ist, konnte bei Recherchen zwar nicht festgestellt werden, ins Auge fällt jedoch, dass als Marketing-Kulisse häufig die Ditib-Zentralmoschee in Köln Ehrenfeld verwendet wird. Angesichts der dafür notwendigen Dreherlaubnis in und auf dem Ditib-Gelände liegt aber zumindest eine beiderseitige Sympathie zwischen Abaya Sultan und der Ditib-Zentralmoschee nahe. 

Ditib ist der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt und ihre Imame sind türkische Staatsbeamte, womit Ditib als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nach Deutschland bezeichnet werden kann. Aus Ditib-Moscheen sind Fälle von Spionage gegen Dissidenten, Wahlwerbung für Erdoğan, Instrumentalisierung von Kindern und Jugendlichen für völkerrechtswidrige Kriegseinsätze in Syrien und homophobe religiöse Literatur bekannt. Ditib-Vereine gehören zum Organisationsgeflecht des politischen Islams in Deutschland und sind dem türkischen Islamismus zuzuordnen.

Social-Media-Strategie

Öffnet man die Reels von Abaya Sultan einmal oder mehrfach auf dem Smartphone, so spült einem der Instagram-Algorithmus unterschwellig Videovorschläge ins Profil, die sich in ihrer Normalisierung und Idealisierung des Hidschabs gleichen. Ganz unverhohlen heißt es beim US-Vorbild von Abaya Sultan, Urban Modesty: »If you got modesty, we got you covered.« (»Wenn du bescheiden bist, haben wir das Richtige für dich.«) Zugleich spielt der englische Slogan mit der doppelten Wortbedeutung, gemäß der »we got you covered« auch »bekommen wir dich bedeckt« bedeutet.

Andere Statements von Accounts wie hijabmodern.fh oder amal_tvv kommen subtiler daher: Hier werden positive Kommentare von Passantinnen zum Kopftuch wie Werbung verbreitet oder eine junge Muslimin gezeigt, die einem Waisenkind im Grundschulalter ein rosa Kopftuch »als Trostspender«, wie es heißt, umbindet. 

Die Videos sprechen eine gemeinsame Sprache: Zu Feiern seien junge, selbstbewusste muslimische Frauen, die sich freiwillig für die Verhüllung entschieden haben, so die Botschaft. Die sogenannten Hidschabis sollen die islamische Kopfbedeckung in ein positives Licht rücken und mit dem Bild der »unterdrückten muslimischen Frau« aufräumen: Der Schleier symbolisiere »Empowerment«, (Selbst-)Fürsorge, Bescheidenheit und Diversität – ein Mechanismus, der sich auch in der Doppelstrategie von namenhaften Vertretern des politischen Islams wiederfindet.

Zu nennen wäre hier zum Beispiel die Muslimbruderschaft, eine Dachorganisation islamistischer Gruppierungen. Unter ihrer Obhut versammeln sich terroristische Gruppen wie Al-Qaida oder Hamas, aber auch legalistische Vereine und Verbände wie die in Deutschland wirkende, arabisch beeinflusste Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. (DMG) oder die türkisch geprägte Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG).

Legalistisches Vorgehen

Für westliche Migrationsländer sieht die Muslimbruderschaft eine legalistische »Missionierung« vor: Nach außen hin, also gegenüber der Mehrheitsgesellschaft, gibt man sich demokratisch, moderat, vielfältig und tolerant, während nach innen hin, also innerhalb der religiösen Gemeinde, eine repressive, islamistische Doktrin verbreitet wird. Diese bewusste Täuschung kann als Teil der Dawa (religiöse Propaganda) gelten, um langfristig durch die Instrumentalisierung der Demokratie eine islamische Ordnung, ein Kalifat, zu etablieren, wie Johannes Grundmann in seinem Buch Islamische Internationalisten. Strukturen und Aktivitäten der Muslimbruderschaft und der Islamischen Weltliga ausführt.

Der ehemalige Schüler von Milli Görüş (die seit den 1980er Jahren vielfältig mit der Muslimbruderschaft zusammenarbeitet) und türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat dieses Kalkül folgendermaßen auf den Punkt gebracht, als er ein Gedicht von Ziya Gökalp zitierte: »Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.« Etwa im Iran ab 1979, im syrisch-kurdischen Afrin unter der türkischen Besatzung seit 2018 oder anhand der Entwicklung muslimischer Gegengesellschaften im Westen konnte beobachtet werden, dass islamistische Machtübernahmen immer mit einer flächendeckenden Verschleierung von Frauen einhergehen. Dem Zitat Erdoğans wäre hinzuzufügen, dass das Kopftuch die Flagge des politischen Islams ist und die Uniformierung muslimischer Frauen bedeutet.

Die Sprache des globalen Islamismus lässt also so etwas wie ein Ost-West-Gefälle erkennen: Während im Nahen und Mittleren Osten sowie in mehrheitlich muslimischen Ländern des sogenannten Globalen Südens die Scharia inklusive sämtlicher Verhüllungsvorschriften mit Gewalt umgesetzt werden, stellt sich in westlichen Demokratien eine strategische Unterwanderung mit demokratischen Mitteln als äußerst effektiv heraus. 

Es lässt sich die These aufstellen, dass zum Beispiel im Iran die Sittenpolizei und moderne Kameras chinesischer Bauart benötigt werden, um die Einhaltung der Kleiderordnung im öffentlichen Raum zu kontrollieren. Auf den Straßen Kölns hingegen findet sich das demokratische Äquivalent der Sittenpolizei im Kleinen durch die islamistischen Influencerinnen von Abaya Sultan wieder. Statt durch die Anwendung von unmittelbarer Gewalt sollen hierzulande mit hippen Anprobevideos und jeder Menge Social-Media-Aufmerksamkeit jungen Frauen die Verhüllung schmackhaft gemacht werden. 

Während in Afghanistan und im Iran Frauen mit wehenden Haaren der scharfen Munition von Islamisten gegenüberstehen, scheint im Westen ausgerechnet ein großer Teil der Feministinnen auf den Trick der Islamisten hereinzufallen, sodass Kritik an der islamischen Verhüllung von vielen Feministinnen als rassistisch, kolonialistisch oder islamophob diffamiert und der Hidschab teilweise gar zum feministischen Symbol umgedeutet wird. 

Auf eine kritische Durchdringung der Verschleierungsdoktrin wartet man bis heute in weiten Teilen des westlichen Feminismus leider vergeblich. Dabei gäbe es Grund genug, das Kopftuch als ausgesprochen sexistisches Symbol und frauenfeindliche Praxis zu bewerten. 

In Teil 2, der morgen hier veröffentlicht wird, geht es um das islamische Patriarchat und inwiefern der Sultan-Abaya-Aktivismus Teil desselben ist.

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