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Der Irak vor einer neuen politischer Krise

Der bisherige Parlamentspräsident Mohammad al-Halbousi (li.) mit Iraks Staatspräsident Abd al-Latif Jamal Rashi
Der bisherige Parlamentspräsident Mohammad al-Halbousi (li.) mit Iraks Staatspräsident Abd al-Latif Jamal Rashi (Imago Images / APAimages)

Hochrangige Quellen im Irak beschuldigen den Iran die Absetzung von Parlamentspräsident Muhammad Al-Halbousi, dem mächtigsten sunnitischen Politiker des Landes, orchestriert zu haben.

Der Irak steuert auf eine politische Krise zu, nachdem das Bundesgericht, die höchste Justizbehörde, vergangenen Dienstag beschlossen hat, den Parlamentspräsidenten Muhammad Al-Halbousi, den mächtigsten sunnitischen Politiker des Landes, zu abzusetzen. Das Gericht traf seine Entscheidung, nachdem der Abgeordnete Laith Al-Dulaimi eine Klage gegen Al-Halbousi eingereicht hatte, in der er ihn der »Manipulation bei seinem [Dulaimis] Ausschluss aus dem Parlament« beschuldigt hatte.

Das Bundesgericht erließ seine Entscheidung während einer Sitzung des Parlaments, woraufhin Al-Halbousi antwortete: »Das Bundesgericht hat meine Parlamentszugehörigkeit beendet, was eine merkwürdige Entscheidung ist. Wir sind überrascht über den Erlass solch einer Entscheidungen und ihren Mangel an Respekt für die Verfassung.«

Rücktritte

Als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesgerichts erklärte die von Al-Halbousi geführte Taqadum-Partei, mehr als ein Jahr nach Bildung der derzeitigen Regierung habe man sich an alle politischen Vereinbarungen gehalten. »Wir waren überrascht von der Entscheidung des Bundesgerichts, in der wir eine eklatante Verletzung der Verfassung und eine klare politische Zielsetzung sehen.«

Weiter hieß es, die Parteiführung und die Abgeordneten der Partei hätten beschlossen, die Sitzungen der Koalition der Staatsverwaltung, also der Regierungskoalition, zu boykottieren. Die Vertreter der Partei in der Regierung reichten ihren Rücktritt ein. Dabei handelt es sich um den stellvertretenden Premierminister und Planungsminister Muhammad Ali Tamim, den Minister für Industrie und Mineralien Khaled Battal Al-Najm und den Minister für Kultur, Tourismus und Altertümer Ahmed Fakak Al-Badrani.

Der dem Parlamentspräsidenten nahestehende Politikwissenschaftler Ali Najdiya kommentierte die Entwicklungen mit den Worten, die Entscheidung, die Parlamentszugehörigkeit von Al-Halbousi zu beenden, sei seltsam, da sie »kurz vor den Wahlen zum Provinzrat erfolgte , zu einer Zeit, in der Meinungsumfragen darauf hindeuten, dass die Taqadum-Partei zahlreiche Sitze in Bagdad gewinnen könnte, insbesondere nachdem die schiitische Sadristen-Bewegung [des schiitisches Predigers Muqtada al-Sadr] die bevorstehenden Wahlen boykottieren wird«.

Politische Krise

Der Politikwissenschaftler Ali Al-Baidar meinte, es besteh zwar »kein Zweifel, dass es zu einer politischen Krise kommen wird, sei es innerhalb der Sunniten im Besonderen oder in der irakischen Politik im Allgemeinen.« Er könne sich aber nicht vorstellen, dass diese Krise die Abhaltung der für den 18. Dezember geplanten Provinzratswahlen oder die Arbeit der staatlichen Institutionen behindern werde.

Al-Baidar werde jedoch nicht einfach von der politischen Bühne verschwinden, da er die Mobilisierung der Straße gegen den schiitischen Koordinationsrahmen plant, dem politischen Arm der mit dem Iran verbündeten Milizen, der die Regierung führt.

Wie die Website Al-Arabi Al-Jadeed unter Berufung auf irakische politische Quellen berichtete, habe Al-Halbousi ein Treffen mit hochrangigen Scheichs der irakischen Rechtsakademie in Bagdad abgehalten, bevor er sich in seine Heimatstadt Falludscha begab, um auch dort Gespräche mit Scheichs und Stammesführern zu führen. Die Quellen fügten hinzu, Al-Halbousi strebe »in den kommenden Tagen die Bildung einer breiten Bewegung an, politisch, volksnah und juristisch.«

Iranische Rolle?

Die Website Hafriyat meldete ebenfalls unter Berufung auf politische Quellen, dass diese Entscheidung zur Absetzung des Parlamentspräsidenten vom Iran gesteuert worden sei: »Einflussreiche irakische Parteien, die dem Iran treu ergeben sind, haben ihre Instrumente eingesetzt, um Al-Halbousis politisches Projekt zu Fall zu bringen und seine Führungsrolle bei den Sunniten zu beenden.« Dass der Iran Einfluss auf die irakische Justiz ausübt, habe sich beriets in der Vergangenheit bei mehr als einem politischen Ereignis gezeigt.

Der Leiter des Zentrums für politisches Denken, Ihsan Al-Shammari, ist der Ansicht, dass der Rücktritt der Minister der Taqaddam-Partei aus der Regierung zwar politische Folgen haben werde, diese aber eingedämmt werden könnten, wenn es eine politische Einigung gibt. »Das Gerichtsurteil gegen Al-Halbousi ist nicht anfechtbar. Daher steht eine neue Phase politischer Spannungen bevor, die sich nicht nur auf die bevorstehenden Kommunalwahlen, die möglicherweise verschoben werden, sondern auch auf die Zusammensetzung der derzeitigen Regierung auswirken könnte.«

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